Erstmals: Leukämiekranker Fukushima-Helfer erhält Entschädigung

27.10.2015 | Jan Becker

Jede radioaktive Strahlung kann krank machen. Bei den Evakuierungs- und Aufräumarbeiten nach der Havarie der japanischen Atomkraftwerke in Fukushima wurden mehrere tausend Helfer Strahlungswerten ausgesetzt, die über den festgelegten Grenzwerten lagen. Zum ersten Mal erhielt ein erkrankter Arbeiter, der in den Ruinen half, das Anrecht auf Entschädigung.

Der zwischen 40 und 50 Jahre alte Mann habe unter „extremer Strahlenbelastung“ in der AKW-Ruine gearbeitet und war danach an Leukämie, eine der häufigsten Folgen solcher Expositionen, erkrankt. Allerdings war er nicht mal direkt nach dem Beginn der Katastrophe dort eingesetzt – als mithin die Strahlenbelastung am höchsten war – sondern erst von Oktober 2012 bis Dezember 2013. Tätig war er damals für die Installation von Abdeckungen der beschädigten Reaktoren. Vor seinem Einsatz in Fukushima habe er in verschiedenen anderen Atomkraftwerken gearbeitet, berichten Medien. Die Regierung hat ihn nun als ersten Fukushima-Krebsfall offiziell anerkannt und eine Entschädigung zugesichert. Seine gesamte Strahlenbelastung soll 19,8 Millisievert betragen haben.

Erstmal wurden in diesem Zuge jetzt auch Strahlenmessungen von tausenden Helfern veröffentlicht, die in den Wochen nach dem 11. März 2011 in und um Fukushima eingesetzt waren. Demnach waren 38 Prozent der insgesamt knapp 3.000 Soldaten, Feuerwehrleute und Polizisten Strahlungswerten ausgesetzt, die über der jährlich zulässigen Dosis von 1 Millisievert liegen. Bei fünf Prozent dieser Helfer sei zudem eine Dosis von fünf bis zehn Millisievert gemessen worden. Die Helfer trugen bei der Evakuierung von EinwohnerInnen in einem 20-Kilometer-Radius zwischen dem 12. und 31. März 2011 Dosismessgeräte. Die mehr als 100.000 Menschen, die aufgrund der Strahlenbelastung ihre Häuser verlassen mussten, trugen keine. Es ist also kaum abzusehen, welche Folgen der GAU für die Menschen in Japan noch haben wird.

Einen direkten Zusammenhang zwischen einer Leukämieerkrankung und der radioaktiven Strahlung zu beweisen, ist bekanntlich schwer. Der Ausbruch von Folgeerkrankungen kann sich Jahre, Jahrzehnte oder gar um Generationen verzögern. Radioaktivität reichert sich im Körper an. Dabei ist grundsätzlich unbestritten: Je höher die Belastung, desto höher das Risiko, an Krebs zu erkranken.

Grenzwerte sind „kalkulierter Strahlentod“

Atomlobby und Weltgesundheitsorganisation vermitteln hingegen: Liegt die Belastung unterhalb des geltenden Grenzwertes, kann eine Gefährdung ausgeschlossen werden. Fachleute kritisieren diese Unterstellung. Die Grenzwerte seien „kalkulierter Strahlentod“, so der IPPNW. Der Bevölkerung wird Sicherheit vorgegaukelt – tatsächlich basieren Grenzwerte immer auf einer Abwägung zwischen dem wirtschaftlich Machbaren und dem angeblich gesundheitlich Zumutbaren.

weitere Informationen:

weiterlesen:

  • „Nukleare Erpressung“ der Opfer von Fukushima
    23. Juli 2015 — Bis März 2017 will die japanische Regierung die Evakuierungsbefehle für viele von der Fukushima-Katastrophe betroffene Gebiete aufheben. 2018 gibt es keine Kompensationszahlungen mehr für die Menschen, die ihre Heimat aufgrund der Katastrophe verlassen mussten. Damit werden vor allem ärmere Menschen gezwungen, in die verstrahlten Gebiete zurückzukehren. Greenpeace warnt vor „nuklearer Erpressung“. Denn die weiterhin drastisch überhöhten Radioaktivitätswerte in den Gegenden seien eine „inakzeptable Gefährdung“ für die Gesundheit.
  • Fukushima: Schilddrüsenkrebs bei Kindern und irreführender IAEO-Report
    16. Juni 2015 — Im September will die Internationale Atomenergie Organisation (IAEO) einen Bericht zur Atomkatastrophe von Fukushima vorlegen, der von 180 Experten aus 40 Ländern zusammengestellt wurde. Im Kern gibt er schon jetzt eine Antwort: Japan habe „übermäßiges Vertrauen“ in die Sicherheit ihre Atomanlagen gehabt. Greenpeace spricht von „Irreführung“, der IPPNW berichtet unterdessen von zehntausenden erkrankten Kindern.
  • Hintergrund: Atomkraftwerke machen Kinder krank
    Kinderärzte und -ärztinnen warnen seit langem, wissenschaftlich beweisen hat es die weltweit beachtete „Kinderkrebs-Studie“ im Auftrag des Bundesamts für Strahlenschutz (KiKK-Studie): Kinder, die nahe an einem Atomkraftwerk wohnen, erkranken deutlich häufiger an Krebs als ihre AltersgenossInnen, die weiter weg wohnen. Atomkraft-Befürworter streiten einen Zusammenhang vehement ab.

Quellen (Auszug): zeit.de, dpa; 20./26.10.2015

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Jan Becker

Jan Becker hat jahrelang die Webseite www.contrAtom.de betrieben und täglich aktuelle Beiträge zur Atompolitik verfasst. Seit November 2014 schreibt der studierte Umweltwissenschaftler für .ausgestrahlt. Jan lebt mit seiner Familie im Wendland. Mit dem Protest gegen regelmäßig durch seine Heimatstadt Buchholz i.d.N. rollende Atommülltransporte begann sein Engagement gegen Atomenergie, es folgten die Teilnahme und Organisation zahlreicher Aktionen und Demonstrationen.

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