Fukushima: Sechs Jahre Katastrophe

13.03.2017 | Jan Becker

Kraftwerksgelände AKW Fukushima, 2016
Foto: maps.google.de
Kraftwerksgelände AKW Fukushima, 2016

Sechs Jahre nach Beginn der Atomkatastrophe von Fukushima leiden viele Menschen weiter unter den Folgen. Die Situation in den Atomruinen ist eine Katastrophe, der Rückbau wird noch Jahrzehnte dauern. Tausende haben am vergangenen Wochenende der Opfer gedacht und sind für den Atomausstieg auf die Straße gegangen.

Die radioaktive Verseuchung durch die Havarie der Fukushima-Reaktoren zwang 160.000 Japaner ihre Heimat zu verlassen. Mehr als 120.000 Menschen leben noch immer entwurzelt. Viele hausen in containerähnlichen Behelfsgebäuden. Tsunami, Erdbeben und Super-GAU forderten im März 2011 mehr als 18.000 Opfer. Weitere 3.500 starben infolge seelischer und körperlicher Erkrankungen oder durch Suizid. Im vergangenen Oktober bestätigte das japanische Gesundheitsministerium offiziell den ersten Leukämiefall eines Arbeiters in der havarierten Atomanlage, der in direktem Zusammenhang mit dem Unglück steht. Bei Kindern treten vermehrt Schilddrüsenerkrankungen auf. Die Regierung erhöht den Druck auf die Menschen, in die großteils weiterhin verstrahlten Gebiete zurückzukehren.

Situation in Fukushima weiterhin eine Katastrophe

Täglich werden hunderte Tonnen Wasser in die zerstörten Reaktorblöcke gepumpt, um die Kerne zu kühlen. Ohne diese Maßnahme, die noch jahrelang weitergeführt werden muss, würden die Temperaturen erneut ansteigen und weiteren Kernreaktionen stattfinden. Im Inneren von Block 2 wurde im Februar 2017 eine Rekordstrahlung von 530 Sievert pro Stunde gemessen - für Menschen in kurzer Zeit tödlich. Auf dem Gelände wird zwischenzeitlich etwa 320.000 Tonnen radioaktiv verseuchtes Wasser gelagert, in Tanks die immer wieder lecken. Mehr als 400 Tonnen verseuchtes Wasser flossen nach dem Unfall bisher ins Meer. Großflächig wird die Landschaft dekontaminiert, bisher wurden 9 Millionen Kubikmeter radioaktive Erde in Plastiksäcke gefüllt. Diese werden an zehntausenden Orten provisorisch zwischengelagert. Es gibt keinen Plan, wo dieser Atommüll sicher gelagert werden kann.

Tausende Menschen protestieren für Atomausstieg

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Foto: I&W Lowin
Gorleben am 11.3.2017

Auch am sechsten Jahrestag der Katastrophe sind wieder tausende Menschen auf die Straßen gegangen und forderten ein Ende der Atomenergie-Nutzung. In etwa 90 Städten in Deutschland trafen sich Aktivist*innen rund um den 11. März zu Mahnwachen, Demonstrationen oder Informationsveranstaltungen. In Gorleben zogen 200 Menschen unter dem Motto „6 Jahre Fukushima – 40 Jahre Gorleben: Lügen, pfuschen und vertuschen!“ vor das dortige Atommülllager. „Für eine Zukunft ohne Atomanlagen“ trafen sich in Berlin AKW-Gegner*innen. Rund 300 demonstrierten in Hamburg zum Fukushima-Jahrestag gegen die Atomtransporte durch den dortigen Hafen. In Gronau, Heilbronn und Lingen trafen sich Atomkraftgegner*innen zu Demos und Mahnwachen. In Düsseldorf protestierten rund 100 Menschen gegen Japans Atompolitik.

„Stop Tihange - Zeit für neue Energie“ hieß es auf der Demo im niederländischen Antwerpen. Am Samstag wurde in Straßburg, Paris und anderen französischen Städten protestiert. Fast 1.000 Menschen zogen am Sonntag vor das grenznahe AKW Fessenheim. „Atomkraft? Für unsere Kinder wollen wir das nicht mehr“, so und ähnlich las es sich auf Spruchbändern und Transparenten, die mitgeführt wurden.

Proteste auch in Japan

Trotz der verheerenden Folgen von Fukushima will Japan seine Atomreaktoren sukzessive wieder hochfahren. 2011 wurden zwar alle abgeschaltet und bislang sind nur drei von 43 funktionsfähigen Reaktoren wieder in Betrieb. Der Widerstand in der Bevölkerung gegen die weitere Atomenergie-Nutzung ist groß. Aktivist*innen konnten durch Gerichtserfolge das Wiederanfahren eines Meilers stoppen. Heftige Proteste löste auch der Versuch aus, die Freigabewerte für radioaktiven Bauschutt zu lockern: Aufgrund der stetig wachsenden Berge an Strahlenmüll sollten in ausgewählten Ortschaften die gesetzlichen Grenzwerte für Baumaterialien angehoben werden, um radioaktive Erde für den öffentliche Straßenbauprojekte nutzen zu können. Atomkraftgegner*innen konnten das verhindern.

weiterlesen:

  • Fragen und Antworten zum GAU von Fukushima

  • Fukushima: Folgekosten des GAU explodieren
    22.11.2016 - In den nächsten Jahren werden sich laut einer Regierungsprognose die Folgekosten der Atomkatastrophe von Fukushima vervielfachen. Unterdessen hat ein starkes Erdbeben die Region erschüttert.

  • Skrupelloser Rückbesiedelungsplan für Fukushima
    21.05.2016 - Die Evakuierungsanordnung für die gesamte japanischen Stadt Minamisoma nahe des havarierten AKW Fukushima-I wurde aufgehoben. Verantwortlich für dieses gefährliche Experiment an der lokalen Bevölkerung ist die japanische Regierung. An ihrer Spitze steht ein Lobbyist der Atomindustrie, der der Atomkraft im Land zu neuer Größe verhelfen will.

  • Japans Bevölkerung protestiert weiter für den Atomausstieg
    01.04.2016 - Der Neustart in die japanische Atomenergienutzung wird weiter von Massenprotesten begleitet. Für einen weiteren Atomreaktor wurde kürzlich das endgültige Aus beschlossen, weitere könnten folgen. Die geforderten Nachrüstungen sind den Betreibern zu teuer.

  • Japan: Gericht stoppt Wiederanfahren von zwei AKWs
    10.03.2016 - Kurz vor dem fünften Jahrestag der Fukushima-Katastrophe gibt es eine gute Nachricht aus Japan: Die Inbetriebnahme von zwei Atomkraftwerken wurde richterlich wegen Sicherheitsbedenken gestoppt.

Quellen (Auszüge): greenpeace.de, eichhoernchen.ouvaton.org, bi-luechow-dannenberg.de, ippnw.de, epochtimes.de, dpa, ausgestrahlt.de; 11./12./13.3.2017

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Jan Becker

Jan Becker hat jahrelang die Webseite www.contrAtom.de betrieben und täglich aktuelle Beiträge zur Atompolitik verfasst. Seit November 2014 schreibt der studierte Umweltwissenschaftler für .ausgestrahlt. Jan lebt mit seiner Familie im Wendland. Mit dem Protest gegen regelmäßig durch seine Heimatstadt Buchholz i.d.N. rollende Atommülltransporte begann sein Engagement gegen Atomenergie, es folgten die Teilnahme und Organisation zahlreicher Aktionen und Demonstrationen.

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