Gutachten belegt: Exportstopp für Brennelemente ist machbar

29.04.2017 | Jan Becker

Atomkraftgegner*innen fordern das Bundesumweltministerium erneut auf, die Exporte von Brennelementen in die Schrottreaktoren in Belgien und Frankreich zu unterbinden. Ein Verbot ist machbar, belegt ein aktuelles Rechtsgutachten. Und widerspricht damit der Einschätzung des Bundesumweltministeriums.

Auf einer Pressekonferenz in Berlin legten kürzlich die Ärzteorganisation IPPNW, der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. sowie mehrere Anti-Atom-Initiativen aus Aachen, Bonn und dem Münsterland eine Stellungnahme der Juristin Dr. Cornelia Ziehm vor. Demzufolge darf die Bundesregierung die Lieferung von Brennstäben an die umstrittenen belgischen Atomkraftwerke Tihange 2 und Doel 3 verbieten. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle muss die Genehmigung nicht erteilen.

Aus der Brennelementefabrik Lingen werden u. a. die grenznahen Atomkraftwerke Tihange, Doel, Fessenheim und Cattenom beliefert. Alle weisen hohe Sicherheitsmängel auf. Die Stilllegung des ältesten französischen AKW in Fessenheim wurde erst vor wenigen Tagen von der Bundespolitik erneuert. Besonders für die belgischen Meiler, in deren Reaktorbehältern tausende Risse gefunden worden waren, können deutsche Fachleute nicht mit Sicherheit sagen, ob sie einem schweren Unfall standhalten würden.

Die logische Konsequenz wäre, die Beihilfe zum Weiterbetrieb dieser unsicheren Reaktoren sofort zu beenden, einen Brennelement-Exportstopp zu verhängen und bereits erteilte Ausfuhrgenehmigungen zu widerrufen.

 

Gutachten widerspricht der Einschätzung des Bundesumweltministeriums

Die Ausfuhr von Brennelementen darf untersagt werden, wenn sie die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährden würde, so steht es im Atomgesetz. Grundlage der aktuellen Stellungnahme ist, dass Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) Belgien dazu aufgefordert hatte, die Meiler bis zur Klärung von Sicherheitsfragen abzuschalten. Dieser Fakt „begründe und bestätige diese rechtliche Möglichkeit“, so Ziehm. Mit ihrem Gutachten widerspricht sie der Einschätzung des Umweltministeriums, die keinen Handlungsspielraum für ein Exportverbot sieht.

Deutlich äußert sich auch der Physiker und Jurist Prof. Wolfgang Renneberg, ehemals Leiter der Abteilung für Reaktorsicherheit im Bundesumweltministerium. Dass angeblich die Warenverkehrsfreiheit innerhalb der europäischen Union höher bewertet werden solle als die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Bevölkerung „ist für einen unbefangenen nicht sachkundigen Beobachter kaum nachvollziehbar“, so Renneberg.

„Die Bundesregierung darf sich nicht weiter hinter unhaltbaren Rechtsauslegungen verschanzen, in der die Wirklichkeit völlig ausgeklammert wird“, erklärt Dr. Angelika Claußen, Europavorsitzende der IPPNW, „das Leben und die Gesundheit der Bevölkerung haben eindeutig Vorrang.“

80.000 fordern Exportstopp

„Stoppen Sie die Versorgung des belgischen AKWs Tihange mit deutschen Brennelementen. Verhindern Sie nachhaltig den Transport der Brennelemente quer durch Deutschland und deren Export nach Tihange. Stoppen Sie damit die deutsche Unterstützung für den Weiterbetrieb des "Bröckelreaktors" in Tihange“, heißt es in einer Online-Petition an Umweltministerin Hendricks. Fast 80.000 Menschen haben diese Forderung bereits unterzeichnet.

„Wann hört Ministerin Hendricks endlich auf, ihre schützende Hand über die Brennelementefertigung in Lingen und die Urananreicherung in Gronau zu halten?“ fragen nun Atomkraftgegner*innen.

chain reaction tihange

Am Sonntag dem 25. Juni 2017 findet eine große Protestaktion für die sofortige Abschaltung der Atomkraftwerke Tihange 2 und Doel 3 statt. Eine Menschenkette über 90 Kilometer wird Tihange – Lüttich – Maastricht und Aachen verbinden.

weiterlesen:

  • Brennelementelieferung nach Tihange gebilligt
    29.03.2017 - Die Brennelementefabrik in Lingen beliefert mit Billigung des Bundesumweltministeriums seit Anfang März erstmals auch den aus Sicherheitsgründen heftig umstrittenen belgischen Pannenreaktor Tihange 2 mit Brennelementen. Atomkraftgegner*innen fordern umgehende Konsequenzen.

  • Belgien: Rissreaktor Tihange 2 wieder angefahren – über 173.000 Gegenstimmen
    16.12.2015 - Der belgische Atomkonzern Electrabel hat am Montag den Hochrisikoreaktor Tihange 2 wiederangefahren, am Sonntag soll der noch desolatere Reaktor Doel 3 ans Netz gehen. AKW-Gegner haben derweil mit einer Petition 173.000 Stimmen gegen den Neustart der Anlagen gesammelt.

Quellen (Auszug): ippnw.de, weact.campact.de, dpa; 27.4.2017

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Jan Becker

Jan Becker hat jahrelang die Webseite www.contrAtom.de betrieben und täglich aktuelle Beiträge zur Atompolitik verfasst. Seit November 2014 schreibt der studierte Umweltwissenschaftler für .ausgestrahlt. Jan lebt mit seiner Familie im Wendland. Mit dem Protest gegen regelmäßig durch seine Heimatstadt Buchholz i.d.N. rollende Atommülltransporte begann sein Engagement gegen Atomenergie, es folgten die Teilnahme und Organisation zahlreicher Aktionen und Demonstrationen.

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