Und das Licht bleibt an

23.05.2019 | Jan Becker

Derzeit befinden sich noch vier Atomkraftwerke in Betrieb. Wegen ungeplanter Reparaturen wird das auch noch ein paar Tage so bleiben.

Die Forderung lautet einmal mehr: Atommeiler sofort abschalten
Foto: Andreas Conradt (PubliXviewinG)

Seit Mitte April stehen die AKW Grohnde und Gundremmingen-C still. Mitte Mai folgte das AKW Emsland. Alle drei der letzten sieben Reaktoren in Deutschland sind planmäßig für Wartungsarbeiten und Brennelementewechsel vom Netz genommen worden. Damit stehen derzeit noch vier Meiler für die Stromproduktion zur Verfügung.

Eine unplanmäßige Reparatur meldete der Grohnde-Betreiber Preussen Elektra am 15. Mai. Eine Steckverbindung an einer Messeinrichtung am Deckel des Reaktordruckbehälters sei defekt und müsse getauscht werden. Hierfür sei es notwendig, den Reaktordruckbehälter erneut zu öffnen. Zehn Tage veranschlagt der Betreiber, so dass mit einer Wiederinbetriebnahme nicht vor kommenden Sonntag zu rechnen ist.

Eine ungeplante Verzögerung wird es auch im AKW Emsland geben. Am 22. Mai meldete Betreiber RWE, dass bei der turnusmäßigen Überprüfung des Generators ein Schaden festgestellt worden sei. Ein Stator müsse repariert bzw. ausgetauscht werden. Als neues Datum für das Wiederanfahren nannte das Energieunternehmen den 28. Juni, 20 Tage später als ursprünglich eingeplant.

Und das Licht bleibt an

Das Schreckensszenario eines großflächigen Stromausfalls, weil nicht genügend Atomkraftwerke in Betrieb sind, ist schon über 40 Jahre alt. 1975 sagte Baden-Württembergs ehemaliger Ministerpräsidenten Hans Filbinger: „Ohne das Kernkraftwerk Wyhl werden zum Ende des Jahrzehnts in Baden-Württemberg die ersten Lichter ausgehen.“ Wyhl wurde wegen des Widerstands in der Bevölkerung nie gebaut.

Nach der Katastrophe von Tschernobyl im April 1986 stand nicht die Frage „Abschalten“, sondern „wie lange brauchen wir die Atomkraft noch“ im Fokus. Fünf große Meiler nahmen nach dem GAU erst den Betrieb auf. Mit dem im Jahr 2000 vereinbarten Atomausstieg startete die Energiewende dann langsam durch. Sehr langsam wurde mit der Stilllegung der beiden vergleichsweise kleinen AKW Stade und Obrigheim die Nuklearleistung reduziert.

Erst Fukushima brachte Bewegung: Vor knappen acht Jahren wurden nach dem Dreifach-GAU acht deutsche Meiler zwangsabgeschaltet. Seitdem ging im Rahmen des neu vereinbarten Atomausstiegs die AKW Grafenrheinfeld sowie Gundremmingen-B für immer vom Netz. Ende diesen Jahres wird mit Philippsburg-2 der nächste große Meiler in den Ruhestand geschickt.

Dann verbleiben sechs AKW mit einer Brutto-Gesamtleistung von etwa 8.550 Megawatt. Strom aus Atomkraft soll in Deutschland bis Ende 2022 gänzlich Geschichte sein. Deshalb werden die Stimmen wieder lauter, dass die verbleibenden Meiler eine Laufzeitverlängerung bekommen müssten. Damit, wen wundert es, „das Licht nicht ausgeht“.

Mehr Tempo beim Atomausstieg!

Heute wissen wir, dass Filbingers Satz Unfug war. Damals wie heute ist Atomkraft nicht alternativlos. Auch für den Klimaschutz nicht. Statt Laufzeitverlängerungen braucht es ab sofort mehr Tempo beim Atomausstieg, breite Unterstützung und finanzielle Möglichkeiten für eine rasche Energiewende, ohne Kohle und Atom.

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    08.05.2019 - Es sei „Unsinn“, so der Betreiber des Atomkraftwerks Emsland, dass man eine Laufzeitverlängerung über 2022 hinaus plane. Doch die Stimmen aus der Wirtschaft werden lauter, den Atomausstieg umzukehren.

  • Bau neuer AKW ist „politisch motiviert“
    16.05.2019 - Der kürzlich veröffentlichte Report „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS) beschäftigt sich mit der Frage, welche Rolle die Atomkraft künftig in der Weltstromerzeugung und fürs Klima spielt. Der Bau neuer AKW sei „politisch motiviert“, denn künftige Meiler sind wirtschaftlich nicht konkurrenzfähig, sagen die Expert*innen.

  • Das Glas vollmachen
    25.02.2019 - Noch fast vier Jahre bis zum angekündigten Atomausstieg: Das ist einerseits ein großer Erfolg der Anti-Atom-Bewegung, andererseits eine gefährliche Beruhigungspille. Und jedenfalls kein Grund, die Hände in den Schoß zu legen.

Quellen (Auszug): iwr.de, dewezet.de, noz.de, cicero.de, iaea.org/pris

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Jan Becker

Jan Becker hat jahrelang die Webseite www.contrAtom.de betrieben und täglich aktuelle Beiträge zur Atompolitik verfasst. Seit November 2014 schreibt der studierte Umweltwissenschaftler für .ausgestrahlt. Jan lebt mit seiner Familie im Wendland. Mit dem Protest gegen regelmäßig durch seine Heimatstadt Buchholz i.d.N. rollende Atommülltransporte begann sein Engagement gegen Atomenergie, es folgten die Teilnahme und Organisation zahlreicher Aktionen und Demonstrationen.

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