Vor dem Aus - Rückblick Teil 1

19.12.2021 | Armin Simon
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Foto: Günter Zint

Mit Brokdorf und Grohnde gehen Ende des Jahres zwei bei ihrem Bau heftigst umkämpfte Reaktoren vom Netz, außerdem der dritte und letzte Reaktor im bayerischen Gundremmingen.

AKW Brokdorf
  • Geplant ab 1972, Baubeginn 1976 (nachts um ein Uhr, nur Stunden nach der ersten Baugenehmigung)
  • gerichtlicher Baustopp 1976–1981 wegen ungeklärter Entsorgungsfrage des Atommülls
  • Inbetriebnahme 08.10.1986, „Reststrommengen“ aus rot-grünem „Atom-Konsens“ aufgebraucht
  • seit Sommer 2020
  • Alter bei Abschaltung Ende 2021: > 35 Jahre

Proteste  (Auswahl): 

  • Demo  und  Besetzung  des  mit  Stacheldraht  gesicherten  Bauplatzes  (5.000/2.000,  1976,  vier  Tage  nach  Baubeginn)
  • Demo  „Brokdorf  II“  (30.000,  1976)
  • Demo "Brokdorf III“ (50.000, 1977, trotz Demonstrationsverbot)
  • Großdemo nach Aufhebung des Baustopps  (100.000,  1981,  Bundesverfassungsgericht  erklärt  Demonstrationsverbot  im Nachhinein für rechtswidrig) (30.000, 1986, 10.000 weitere werden aufgehalten von der Polizei)
  • monatliche Mahnwachen (seit 1986),
  • Menschenkette Brunsbüttel–Brokdorf–Krümmel (120.000, 2010)

Beinahe-GAU: An allen vier Notspeiseaggregaten fehlen seit Inbetriebnahme des Reaktors – bei den monatlichen Prüfungen unbemerkt – Dichtungsringe, Schmiermittel ist ausgelaufen, weswegen die Gefahr gleichzeitigen Versagens aller vier Aggregate besteht (entdeckt  Ende 1988); Atomaufsicht: hätte „ganz große Probleme bis zur Kernschmelze“ verursachen können.

Bemerkenswert:  Hamburgs  Bürgermeister  Hans-Ulrich  Klose  (SPD)  tritt  1981  zurück,  weil  SPD und Hamburgische Elektrizitätswerke (HEW) den Ausstieg aus dem Projekt verweigern.

AKW Grohnde
  • Geplant ab 1973, Baubeginn 1976
  • Inbetriebnahme 01.09.1984
  • „Reststrommengen“ aus rot-grünem „Atom-Konsens“ aufgebraucht seit Frühjahr 2019
  • Alter bei Abschaltung Ende2021: > 37 Jahre

Proteste (Auswahl):

  • Einwendungen gegen Bauantrag (12.000, 1974)
  • Bauplatzbesetzung (1.000, 19.02.1977, zeitgleich mit Großdemo in Brokdorf)
  • „Schlacht um Grohnde“ (15.000,19.03.1977)
  • Anti-Atom-Dorf auf Kühlturmgelände (200, 12.06.–23.08.1977, Räumung im Nachhinein für rechtswidrig erklärt)
  • Umzingelung (5.000, 24.04.2011)
  • Aktions- und Menschenkette im 40-km-Umkreis (20.000, 09.03.2013)
  • Klage wegen mangelndem Schutz des AKWs gegen Flugzeugabsturz (2014; bis heute kein Urteil)

Beinahe-GAU:

Eine Notkühlpumpe ist wegen einer Gasansammlung im Innern über einen unbekannten Zeitraum hinweg nicht einsatzfähig und hätte im Ernstfall binnen Minuten versagt (entdeckt im März 1985), Reaktorsicherheitsexperte: „Das war der halbe Weg zur Kernschmelze.

AKW Gundremmingen C
  • Bauantrag 1974
  • Baubeginn 1976
  • Inbetriebnahme 26.10.1984
  • Reststrommengen aus rot-grünem „Atom-Konsens“ aufgebraucht seit Januar 2017

Proteste:

  • Demo gegen Bau (8.000, Juni 1979)
  • Blockaden nahezu jedes Castor-Transports (5–300, 1989–1998),
  • wöchentliche Mahnwache (seit 1989)
  • Einwendungen gegen MOX-Brennelemente (40.000, 1995)
  • Unterschriften gegen Leistungserhöhung (39.000, 2013, RWE zieht auf Rat der bayerischen Staatsregierung den Antrag schlussendlich zurück)
  • Proteste gegen den vier Jahre längeren Betrieb von Block C – sein Zwillingsblock B geht schon 2017 vom Netz (2017)

Beinahe-GAU: Dem AKW fehlt seit Inbetriebnahme der vorgeschriebene dritte erdbebensichere Notkühlstrang; Reaktorsicherheitsexperte: „Es kann zur Kernschmelze kommen.“

Besonderheit: In Gundremmingen ging 1967 mit Block A das damals weltgrößte zivile AKW ans Netz. 1977 löst Eisregen einen Störfall aus, der den Reaktor schwer beschädigt, er geht nie wieder ans Netz.

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Armin Simon

Armin Simon, Jahrgang 1975, studierter Historiker, Redakteur und Vater zweier Kinder, hat seit "X-tausendmal quer" so gut wie keinen Castor-Transport verpasst. Als freiberuflicher Journalist und Buchautor verfasst er für .ausgestrahlt Broschüren, Interviews und Hintergrundanalysen.

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