Nein, „weg“ wird Atommüll nie sein. „Transmutation“ bleibt ein weiteres leeres Versprechen der Atomfans. Technisch ist es wohl möglich, die Lagerungszeiträume für einige Bestandteile der hochaktiven Abfällen deutlich zu verkürzen. Notwendig dafür wäre aber der Aufbau einer neuen, umfänglichen Atomindustrie. In der Realität rollt der Atommüll perspektivlos durch die Republik.
Die Bundesagentur für Sprunginnovationen hat eine „Umsetzungsstudie über eine beschleunigergetriebene Neutronenquelle am Standort eines ehemaligen Atomkraftwerks zwecks Produktion von Krebsmedikamenten, Fernwärme und geothermischer Energie sowie zur Entsorgung hochradioaktiver Abfälle“ erstellt. Dabei soll mit einer „beschleunigungsgetriebenen Neutronenquelle“ und einer „Verglasungseinheit“ eine Anlage zur „Transmutation“ von Atommüll errichtet werden. Ziel ist, besonders langlebige Isotope im Atommüll so umzuwandeln, dass sich die notwendigen Lagerungszeiträume von einer Millionen Jahre deutlich verkürzen: auf etwa 800 Jahre.
Nirgends auf der Welt findet diese Technologie bisher Anwendung. Eine Marktreife wird nicht vor 100-150 Jahren erwartet. Notwendig wäre der Aufbau einer umfänglichen neuen Atomindustrie, inklusive mehrerer Atommeiler und verschiedener Anlagen, in denen mit hochradioaktiven Abfällen hantiert wird – mit allen verbundenen Risiken wie Freisetzungen oder Störfällen. Anwendbar ist die Technik nur für einen Teil der vorhandenen Atommülls, bereits verglaste Abfälle aus der Wiederaufarbeitung (die meisten Castoren im Zwischenlager Gorleben) oder etwa die sog. Brennelementekugeln in Ahaus und Jülich scheiden aus. Ein Langzeitlager braucht es damit trotzdem. Der schwach- und mittelaktive Abfallberg, für den es auch keine „Lösung“ gibt, würde sich vergrößern. Und natürlich wäre dieses ganze Projekt irre teuer. Als mögliche Standorte für den Bau dieser Anlagenkomplexe hat die Bundesagentur auch bestehende Zwischenlagerstandorte vorgeschlagen, dazu zählen Gorleben und Ahaus.
„Das täuscht uns nur eine einfache Problemlösung vor, um vermutlich den Wiedereinstieg in die Atomenergie vorzubereiten“, warnt Felix Ruwe, Sprecher der BI-Ahaus. „Aber die Probleme und Knackpunkte der Transmutation wurden bisher nicht beleuchtet“. „Man muss den Menschen dann auch offen sagen, dass die Transmutation der Wiedereinstieg in die Atomkraft wäre“, unterstreicht auch Wolfgang Ehmke, Sprecher der BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg.
„Transmutation“ ist ein perfides Ablenkungsmanöver, das vorgaukeln soll, dass die Atommüllprobleme relativ einfach „lösbar“ oder „beherrschbar“ seien - und damit eines der Hauptargumente gegen den Betrieb von Atomkraftwerken entkräftet. Doch das Gegenteil ist der Fall: Was heute allein auf dem Papier existiert, ist eine weitere „Nuklearträumerei“ der Atomfans, welche völlig an der eigentlichen Herausforderung vorbeigeht: Den bestehenden Atommüll so sicher wie irgend möglich für sehr lange Zeiträume zu lagern.
Der Müll rollt weiter perspektivlos durch die Republik
Dieses Jahr ist nicht nur eines mit viel Getöse um Atomkraft-Träumereien, es ist auch das Jahr vieler Atommüll-Transporte. Direkt nach der Bundestagswahl könnte Bewegung in schon länger angekündigte und höchst umstrittene Projekte kommen:
Über marode Straßen und Brücken, in einer angespannten Sicherheitslage und mit einem nicht nachvollziehbaren Aufwand für die Polizei sollen mehr als 150 über 130 Tonnen schwere Castor-LKW von Jülich nach Ahaus rollen. Das Projekt ist „aberwitzig", bewertet selbst die Polizeigewerkschaft. Denn in Ahaus kann der Müll langfristig nicht bleiben.
- mehr dazu hier: bi-ahaus.de

Ab dem 1. März genehmigt ist zudem die Anlieferung von hochradioaktivem Atommüll aus dem Ausland nach Bayern. Der Transporttermin ist geheim, ein Schiff wird sieben Castor-Behälter aus der Plutoniumfabrik Sellafield in Großbritannien (höchstwahrscheinlich) ins norddeutsche Nordenham bringen, von dort geht die Reise quer durch Deutschland auf der Schiene bis zum AKW Isar bei Landshut. Auch gegen diesen Transport regt sich Protest, weil er ein enormes Risiko birgt, beispielsweise bei einem schweren Unfall oder als Anschlagsziel.
- mehr dazu hier: castor-stoppen.de
Die Zwischenlagerhallen, in denen die Behälter dann geparkt werden, sind das nächste Sicherheitsproblem. Einst für 40 Jahre Betrieb gebaut und genehmigt endet dieser Zeitraum in Gorleben schon 2034. Die staatliche Betreiberbehörde BGZ will eine Verlängerung beantragen, möglicherweise geht es um Zeiträume bis 2140. Schon ganz am Anfang dieses Verfahrens sind „viele Fragen offen“, heißt es von der BI Lüchow-Dannenberg. Es werde deutlich, dass das Gefahrenpotential systematisch kleingeredet, neue Bedrohungslagen ignoriert und Transparenz sowie Öffentlichkeitsbeteiligung vernachlässigt werden.
- mehr erfahren: Zwischenlager werden Jahrhundert-Lager.
Der hochradioaktive Atommüll in Deutschland muss deutlich länger zwischenlagern als ursprünglich geplant. Heimlich, still und leise werden aus Zwischenlagern Jahrhundertlager – obwohl Sicherheitsfragen ungeklärt sind.
Auch nach dem Abschalten der letzten deutschen AKW ist das Thema Atommüll noch lange nicht vom Tisch. Aber immerhin: Seit dem 15. April 2023 wächst der Atommüll-Berg aus dem Betrieb der deutschen Meiler nicht weiter (abgesehen von den Rückbau-Abfällen ...).
weiterlesen:
Es geht ohne Atomkraft – auch in Bayern
21.02.2025 - Kurz vor der Bundestagswahl wird Markus Söder (CSU) noch einmal sehr deutlich: Der Atomausstieg sei ein „fundamentaler Fehler“, er will Atomfusionskraftwerke bauen und drei alte AKW reaktivieren. Doch eine Renaissance der Atomenergie ist nur ein „frommer Wunsch“ - und selbst Bayern braucht die Atomkraft nicht.
„Sicherheitstechnisch der ganz falsche Weg“
22.10.2024 - Dipl.-Phys. Oda Becker über den tödlichen Inhalt der Jülich-Castoren, unmöglich rechtzeitige Evakuierungen nach einem Unfall oder Anschlag und Gefahren durch Drohnenangriffe.