Abgebrannte Brennelemente aus dem Forschungsreaktor München 2 sollen noch dieses Jahr nach Ahaus verbracht werden. Doch das Uran ist so hoch angereichert, dass selbst der Atommüll noch waffenfähig ist.
Mit reinem, hochangereicherten Uran an der Hand, warnte Physik-Nobelpreisträger Luis Alvarez, einst im Manhattan Project an der Entwicklung der US-Atombomben beteiligt, sei es „eine triviale Aufgabe“, eine Atomexplosion herbeizuführen. Es genüge, zwei ausreichend große Batzen davon aufeinander fallen zu lassen: „Sogar ein Oberschüler könnte die Bombe bauen.“
Noch dieses Jahr könnte ein Atomtransport quer durch Deutschland rollen, der genug Stoff für zwei bis drei Bomben mit sich führt. Absender ist die Technische Universität München, Außenstelle Garching, Ziel die Zwischenlagerhalle im nordrhein-westfälischen Ahaus. Die brisante Fracht: abgebrannte Brennelemente aus dem Forschungsreaktor München 2 (FRM 2). Aus hochangereichertem Uran.
Uran enthält von Natur aus nur zu etwa 0,7 Prozent das spaltbare Isotop Uran‑235, eine Atomexplosion lässt sich damit nicht herbeiführen. Urananreicherungsanlagen jedoch konzentrieren den Spaltstoff und erhöhen so den Anreicherungsgrad des Urans – auf 3 bis 5 Prozent für AKW-Brennstoff, auf etwa 90 Prozent für Atomsprengstoff. Ist das Uran erst einmal so hoch angereichert, ist damit die wesentliche technologische Hürde zur Atomwaffe genommen (siehe auch Interview „Das Nichtverbreitungsregime wäre kaum zu halten“).
Kartoffeln sind giftig – bis man sie kocht
Hochangereichertes Uran ist der einfachste Weg zur Bombe. Ein solcher Sprengsatz legte vor 80 Jahren die japanische Stadt Hiroshima in Schutt und Asche und tötete binnen Sekunden 200.000 Menschen. Er war 63,5 Kilogramm schwer und kam ohne einen einzigen vorherigen Test zum Einsatz – so simpel war die Konstruktion. Mit verbesserten, aufwändigeren Zündtechniken ist weniger Uran nötig. Selbst technisch nicht so versierten Staaten dürften nach Aussage von Expert*innen rund 15 Kilogramm hochangereichertes Uran mit einem Anreicherungsgrad von 90 Prozent genügen, um daraus eine Atombombe zu bauen. Fertigungsverluste des Materials sind dabei schon mit eingerechnet.
Jedes Brennelement aus dem FRM 2 enthält acht Kilogramm des Bombenstoffs, angereichert im frischen Zustand auf 93 Prozent. Durch den Einsatz im Reaktor sinkt der Anreicherungsgrad lediglich auf 89 Prozent. Auch der Atommüll aus dem FRM 2 ist also noch locker waffentauglich. Zehn der etwa papierkorbgroßen Brennelemente will die TU München nun nach Ahaus abschieben, jeweils fünf in einem Castor-Behälter.
Seit Jahrzehnten behauptet die TU München, die Brennelemente seien nicht waffenfähig, weil das hochangereicherte Uran darin nicht in metallischer Form, sondern in einer Silizidverbindung vorliege. Das ist in etwa so richtig wie die Behauptung, dass Kartoffeln nicht essbar seien. Es stimmt – bei den Kartoffeln, solange man sie nicht kocht, beim Uran, solange man die Silizidverbindung nicht aufbricht. Was allerdings, ähnlich wie Kartoffeln kochen, nicht sonderlich aufwändig oder kompliziert ist. Das entsprechende Verfahren wurde bereits 1983 in wissenschaftlichen Publikationen der Internationalen Atomenergie-Organisation beschrieben. Reaktorgegner*innen wiesen darauf bereits Mitte der 1990er-Jahre in der Auseinandersetzung um den Bau des FRM 2 hin. Die Prozedur, schrieb Professor Ali Sameh vom Radiochemischen Zentrum der Mallinckrodt Medical B.V. im niederländischen Petten damals in einer Stellungnahme für das Umweltinstitut München, sei sogar „ausgesprochen einfach“ und von jedem angehenden Chemielaboranten zu bewerkstelligen. Im Falle von abgebrannten Brennelementen seien wegen der radioaktiven Spaltprodukte lediglich größere Strahlenschutzvorkehrungen nötig. Der Abrüstungs-Experte Frank von Hippel, Prof. emeritus in Princeton, USA, bestätigte diese Einschätzung im Sommer 2025 noch einmal.
Missbrauch von Abrüstungsbemühungen
Wegen der Proliferationsgefahr wurden seit den 1970er Jahren weltweit Forschungsreaktoren mit erheblichem Aufwand auf niedrig angereichertes Uran umgerüstet, das nicht zum Bombenbau verwendet werden kann. Die Münchner Reaktorplaner spielten dabei ein perfides Spiel: Sie nahmen an den Arbeitsgruppen teil, die damals Ersatzbrennstoffe für Forschungsreaktoren entwickelten – technisch ging es darum, den hohen Anreicherungsgrad des Urans durch eine hohe Dichte des Brennstoffs zu ersetzen. Dann missbrauchten sie die Ergebnisse dieses Abrüstungsprogramms – und statteten, mit Rückendeckung der bayerischen Staatsregierung, ihren Reaktor-Neubau mit einem Brennelement aus hochdichtem und zugleich hochangereichertem Uran aus.
Das Vorgehen rief internationalen Protest hervor, führte zu diplomatischen Verwicklungen und spaltete die Wissenschafts-Community. Und es hat Konsequenzen bis heute und in weite Zukunft.
Schon um die Proliferationsgefahr zu beseitigen, muss der hochangereicherte Brennstoff schnellstmöglich so weit mit abgereichertem Uran verdünnt werden, dass die Mischung nicht mehr waffenfähig ist. Das als „melt & dilute“ bezeichnete Verfahren ist in Ahaus nicht durchführbar; davon abgesehen liegt die Verantwortung dafür bei der TU München. Als Verursacherin des besonders brisanten Mülls muss sie vertraglich verpflichtet werden, auch die Kosten dafür zu tragen. Eine Abreicherung des Urans würde zugleich sicherstellen, dass es nicht zu einer nuklearen Kettenreaktion in einem späteren Endlager kommen kann, dies ist Voraussetzung für eine Einlagerung.
Solange es noch waffenfähig ist, müsste das Material nach militärischen Standards gesichert und bewacht werden. Auch dies ist bisher nicht der Fall – erst recht nicht in Ahaus. Das Zwischenlager dort, das zeigte erst kürzlich ein Gutachten im Auftrag von .ausgestrahlt, ist eines der am schlechtesten gegen Angriffe geschützten in Deutschland. Statt den brisanten Stoff quer durch die Republik zu karren, fordert .ausgestrahlt, ihn in einem neu zu errichtenden, möglichst sicheren Zwischenlager direkt am Standort Garching unterzubringen, bis ein Endlager zur Verfügung steht.
Vor allem aber darf der Reaktor, der wegen technischer Pannen seit mehr als fünf Jahren stillliegt, erst nach Umrüstung auf niedrig angereichertes Uran wieder in Betrieb gehen – damit kein neuer waffenfähiger Atommüll mehr entsteht.
Dieser Artikel erschien erstmals im.ausgestrahlt-Magazin 65 (Oktober 2025 - Januar 2026)
Verschleppte Umrüstung
Der beabsichtigte Betrieb des Forschungsreaktor-Neubaus mit hochangereichertem Uran (HEU) sorgt schon während der Planungsphase des Reaktors Anfang der 1990er Jahre für heftige Debatten. Forderungen, den Reaktor gleich mit niedrig angereichertem Uran zu planen, erteilt die TU München eine Absage.
Eine 1999 von der Bundesregierung eingesetzte Expert*innenkommission kommt zum Ergebnis, dass eine Umrüstung des Reaktors auf einen Brennstoff mit einem Anreicherungsgrad von unter 20 Prozent (niedrig angereichertes Uran, LEU) noch vor Inbetriebnahme technisch möglich, proliferationspolitisch sinnvoll und für die wissenschaftliche Nutzung nicht ernstlich nachteilig wäre. Die TU München beharrt weiterhin auf dem HEU-Konzept.
Gemäß einer von Bund und Bayern unterzeichneten Umrüstungsvereinbarung von 2001 soll der Reaktor zwar zunächst mit HEU in Betrieb gehen dürfen. Bis Ende 2010 soll allerdings eine Umrüstung auf einen etwas weniger stark angereicherten Brennstoff (50 %) erfolgen. Die TU München lässt die Frist verstreichen.
Eine weitere Vereinbarung von 2020 nennt keine Frist mehr für eine Umrüstung des Reaktors. Laut TU München soll dieser noch bis in die 2030er Jahre mit HEU laufen und erst dann auf niedrig angereichertes Uran (< 20 %) umgestellt werden. Eine Klage gegen den Betrieb des Reaktors mit HEU scheitert 2025.
weiterlesen:
- Zwischenlager werden Jahrhundert-Lager
Der hochradioaktive Atommüll in Deutschland muss deutlich länger zwischenlagern als ursprünglich geplant. Heimlich, still und leise werden aus Zwischenlagern Jahrhundertlager – obwohl Sicherheitsfragen ungeklärt sind. - Keine Atommülltransporte von Jülich nach Ahaus!
Seit 2013 hat das Atommüll-Zwischenlager in Jülich keine Genehmigung mehr, 2014 wurde die Räumung angeordnet. Doch weil die Erdbebensicherheit inzwischen nachweislich den Anforderungen entspricht, ist eine neue Genehmigung damit in greifbare Nähe gerückt. Statt die einzig folgerichtige Konsequenz zu ziehen, schaut die NRW-Atomaufsicht tatenlos zu, wie die Betreiberin des Zwischenlagers weiter mit Hochdruck den Abtransport des Atommülls nach Ahaus vorbereitet. Dabei könnte sie die konzeptlosen, überflüssigen und gefährlichen Atommülltransporte mit einem einfachen Rechtsakt sofort stoppen.