Anti-Atom-Arbeit in Zeiten von Corona

19.03.2020 | Jochen Stay
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Liebe*r Freund*in,

es sind außergewöhnliche Zeiten, die diese Gesellschaft gerade erlebt. Das Thema Corona überlagert alles im Alltag der meisten Menschen, in den Medien und in der Politik. Auch bei .ausgestrahlt ist das nicht anders.

Zahlreiche Veranstaltungen in den nächsten Wochen sind abgesagt, auf denen .ausgestrahlt zu den Themen Standortsuche und Klima/Atom informieren wollte. Die für kommenden Mittwoch gemeinsam mit der IPPNW geplante Pressekonferenz in Berlin zum Start des olympischen Fackellaufs in Fukushima ebenso. Die angedachten Proteste anlässlich der von der Betreibergesellschaft angekündigten Bürger*innenversammlung zum Bau eines zentralen Atommüll-Zwischenlagers für schwach- und mitteradioaktiven Müll in Würgassen finden nicht statt, weil die Veranstaltung ausfällt. Die Umweltverbänden und Initiativen, die sich nächsten Montag zur Entwicklung von gemeinsamen Strategien und Maßnahmen in der aktuellen Atom-Debatte treffen wollten, werden nun, wie so viele andere auch, zumindest eine Telefonkonferenz machen. Eine erfreuliche Absage gibt es allerdings auch: Der Castor-Transport, der Anfang April von Sellafield nach Biblis rollen sollte, ist bis auf weiteres verschoben.

Das .ausgestrahlt-Büro in Hamburg-Altona, in dem normalerweise bis zu 13 Menschen eine wuselige Bienenstock-Atmosphäre verbreiten, hat nur noch eine Notbesetzung. Alle anderen arbeiten inzwischen von zu Hause und machen dabei die gleichen Erfahrungen wie derzeit wahrscheinlich viele Tausend Menschen in diesem Land: Konzentriertes Arbeiten zwischen Kinderbetreuung, Corona-Newsticker, Sorge um ältere Verwandte und den Tücken der Online-Zusammenarbeit muss erst eingeübt werden. Aber es wird von Tag zu Tag besser …

Wie kann Anti-Atom-Arbeit in Zeiten von Corona aussehen? Ist die jetzt überhaupt dran? Ist nicht alle Aufmerksamkeit gerade auf die Pandemie konzentriert?

Das Problem: Das öffentliche Leben wird gerade runtergefahren – die alten und störanfälligen Atomkraftwerke jedoch nicht. Wie lange Belegschaften dort gesund bleiben, wird sich zeigen. Die Standortsuche für ein tiefengeologisches Lager für hochradioaktiven Atommüll geht weiter – inzwischen auch bei der „Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE)“ vom Homeoffice aus. Auch die Versuche, Atomenergie als Klimaretter zu verkaufen, gehen weiter. Selbst der olympische Fackellauf durch die verstrahlten Gebiete um Fukushima ist nicht abgesagt. Und der Castor-Transport eben nur verschoben. Es gilt also, weiterhin wachsam zu sein. Und genau das ist eine wichtige Aufgabe von .ausgestrahlt.

Eine spannende Frage, die .ausgestrahlt aktuell beschäftigt: Was wird eigentlich in Zeiten von Corona aus den jährlichen Revisionen der AKW, bei denen normalerweise bis zu 2.000 Menschen aus Fremdfirmen über Wochen in den Kraftwerken arbeiten. Die können ja nicht einfach abgesagt werden, denn ein Check der Reaktorsicherheit muss regelmäßig erfolgen.

Protest auf den Straßen, Informationsveranstaltungen in Sälen – all das fällt jetzt erst einmal aus. .ausgestrahlt verlagert seine Arbeit also einerseits noch stärker ins Internet, andererseits geht es darum, Aktionsformen zu entwickeln, die auch ohne Menschenansammlungen funktionieren. Ein gutes Beispiel dafür gibt die neu gegründete BI gegen das zentrale Atommüll-Lager in Würgassen, die in der Region dafür wirbt, die Ablehnung des Projekts mit einem gelben W überall sichtbar zu machen. Und schließlich ist noch eine Menge zu tun, um gut auf die nächsten Schritte der Standortsuche vorbereitet zu sein. Das geht auch im Homeoffice.

Einerseits beherrscht das Thema Corona aktuell die Öffentlichkeit. Andererseits haben manche Menschen jetzt, da das öffentliche Leben zum Erliegen kommt, plötzlich Zeit, um sich mal (neben der Organisation ihres veränderten Alltags) in Ruhe mit anderen Dingen zu beschäftigen.  

Deswegen will .ausgestrahlt in der nächsten Zeit, Informationen noch stärker in Podcasts, Videos, vielleicht auch in Webinaren aufarbeiten. Es wird sicher ein bisschen Zeit brauchen, bis das alles ins Laufen kommt. Dann erfährst Du natürlich davon.

Meine Bitte an Dich: Verliere, wenn möglich, die Atom-Problematik nicht völlig aus den Augen, auch wenn derzeit manches andere erstmal wichtiger ist.

Das .ausgestrahlt-Team wünscht Dir, dass Du möglichst gut durch diese Zeit kommst.

Herzliche Grüße

Jochen Stay
und das ganze .ausgestrahlt-Team

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Jochen Stay

Jochen Stay, Jahrgang 1965, ist seit seinem 15. Lebensjahr aktiv in außerparlamentarischen Bewegungen, seit Wackersdorf 1985 in der Anti-Atom Bewegung und seit 2008 Sprecher von .ausgestrahlt.

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