#Castor2020-Alarm im Herbst?

17.09.2020 | Jan Becker

Entgegen aller Kritik hat das Atommüll-Bundesamt nun doch den Weg für die Anlieferung von Castorbehältern aus der Wiederaufarbeitung in England frei gemacht. Bis zum Jahresende soll hochaktiver Abfall in das unsichere Zwischenlager Biblis gebracht werden.

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Foto: PubliXviewinG

Um 6.000 beteiligte Polizist*innen zu schützen, wurde der Castortransport im April abgesagt und verschoben. Ein Transport hätte „nach der Einschätzung der zuständigen Stellen eine zu hohe Gefahr mit sich getragen, dass sich die an dem Transport beteiligten Personen mit Covid-19 infizieren“, erklärte das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE). Der „sofortige Vollzug“ der Genehmigung wurde im Mai dann auch suspendiert: Corona-bedingt ergebe sich „keine Eilbedürftigkeit mehr“, hieß es zur Begründung. Wegen der weiter vorherrschenden Pandemie-Situation in England und Deutschland wurde bisher nicht damit gerechnet, dass zeitnah eine Anlieferung der radioaktiven Hinterlassenschaften geplant ist.

Der Betreiber des Zwischenlagers in Biblis und Antragsteller, die Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung BGZ, spricht nun von einem „neuen Rahmen für den Transport“, auf dessen Grundlage die sofortige Vollziehbarkeit ihrer Genehmigung beantragt wurde. Es habe zwischenzeitlich „weitere Gespräche zwischen den mit der Durchführung des Transportes befassten Stellen, der durchführenden Unternehmen und mit Vertretern der britischen Regierung“ gegeben, berichtet das BASE und kommt zur Einschätzung: Der Castor kann rollen!

Transport im Herbst

Die Behälter stehen fertig beladen im britischen Sellafield. Die im Februar erlassene Transportgenehmigung gilt bis Jahresende 2020. In einem Schreiben an die BGZ schreibt die BASE, dass der neue Beförderungstermin „inzwischen verbindlich für Herbst 2020 festgelegt“ worden sei. Es kann also sein, dass der Transport in wenigen Wochen durchgeführt werden soll!

Es ist davon auszugehen, dass an der geplanten Transportroute über den Hafen von Nordenham festgehalten wird und der hochradioaktive Müll anschließend per Schiene ins hessische Biblis gebracht werden soll.

Kritik abgewiesen

Wegen zahlreicher Sicherheitsmängel hatte der BUND Hessen Klage gegen die Einlagerung der Atomabfälle eingereicht. Die umfassende Kritik wurde kürzlich mit einer Studie untermauert: Der Abfall werde sich noch sehr lange in unzureichend geschützten Zwischenlagerhallen befinden – und die Politik verschleppt das Problem. Das BASE bekräftigt in seinem Schreiben an die BGZ, dass diese Kritik – und damit eine aufschiebende Wirkung - „nicht mehr vorliegt“, weil „öffentliches und privates Interesse“ überwiegen.

Der BUND Hessen hat angekündigt, gegen die jetzt wieder erteilte Anordnung des sofortigen Vollzuges der Genehmigung rechtlich vorzugehen. Der Aufruf zu Protest gegen eine sinnlose Atommüllverschiebung in unsichere Zwischenlagerhallen kommt auch von dem Bündnis "Castor stoppen", das jetzt wieder in die konkrete Planung von Aktionen einsteigen wird.

weiterlesen:

  • Planlose und gefährliche Zwischenlagerung
    04.09.2020 - Selbst wenn der aktuelle Suchprozess für ein Atommüll-Lager am Ende einen Standort benennt, an den der gesamte hochradioaktive Müll gebracht werden soll: Der Abfall wird sich noch sehr lange in unzureichend geschützten Zwischenlagerhallen befinden. Die Politik verschleppt das Problem.

  • Von der Realität überholt
    14.05.2020 - Corona stoppt den ersten von vier Castor-Transporten aus Sellafield und La Hague in deutsche Zwischenlager, noch bevor er losfährt. Vom Tisch sind die Atommüll-Fuhren damit aber nicht. Auch wenn das Konzept für die Zwischenlagerung hochradioaktiver Abfälle längst nicht mehr den Anforderungen entspricht – und ein neues nicht in Sicht ist.

  • #castor2020 wegen Corona abgesagt!
    19.03.2020 - Die Vorbereitungen waren schon sehr konkret: Rund um Nordenham und entlang von Eisenbahnabschnitten zum Atomkraftwerk Biblis wurde für Ende März und Anfang April ein Flugverbot erlassen, tausende Polizisten sollten die Transportstrecke schützen. Wegen der Infektionsgefahr wurde der Termin nun abgesagt.

  • Biblis: Castor-Genehmigung trotz fehlender Reparatur-Möglichkeiten
    18.02.2020 - Die Genehmigung der Einlagerung von hochradioaktivem Atommüll aus Sellafield im Zwischenlager Biblis entspricht nicht dem Stand von Wissenschaft und Technik. Atomkraftgegner: „Der Transport muss abgesagt werden“.

  • Atommüll-Behälter: „Es braucht neue Konzepte“
    13.02.2020 - Neue wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass Behälter für hochradioaktiven Atommüll deutlich kürzer halten könnten, als bisher gedacht. Die bisher gängigen Lagerungskonzepte seien „nicht ausreichend“, warnt ein US-Expertenteam.

  • "Der Castor wird 100 werden"
    Atommüll-Experte Wolfgang Neumann über undichte Deckel, unsichere Hallen, untaugliche Prognosen und mögliche Kettenreaktionen im Innern von Castoren

Quellen: base.bund.de, castor-stoppen.de

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Jan Becker

Jan Becker hat jahrelang die Webseite www.contrAtom.de betrieben und täglich aktuelle Beiträge zur Atompolitik verfasst. Seit November 2014 schreibt der studierte Umweltwissenschaftler für .ausgestrahlt. Jan lebt mit seiner Familie im Wendland. Mit dem Protest gegen regelmäßig durch seine Heimatstadt Buchholz i.d.N. rollende Atommülltransporte begann sein Engagement gegen Atomenergie, es folgten die Teilnahme und Organisation zahlreicher Aktionen und Demonstrationen.

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