Weder Kohle noch Atom

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Foto: Florian Boillot

Auch in Zeiten der Klimakrise sind Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke Unsinn.

Alle AKW abgeschaltet – der 15. April kann zum Meilenstein auf dem Weg in die erneuerbare Zukunft werden. Gleichzeitig kämpfen Tausende für den Braunkohleausstieg und die Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze. Das ist kein Widerspruch. Für wirksamen Klimaschutz braucht es den Ausstieg sowohl aus Kohle als auch aus Atomkraft. Nur mit erneuerbaren Energien und Energieeffizienz kann die Klimakrise eingedämmt werden. Gleichzeitig sind die Erneuerbaren die günstigsten und sichersten Energien.

Atomkraft ist unnötig

Auch ohne AKW ist genügend Strom vorhanden. Der Winter hat zudem gezeigt: Mit den richtigen politischen und ökonomischen Signalen kann ziemlich viel Energie eingespart werden, ohne dass dies zu großen wirtschaftlichen Verwerfungen führt. Die FDP, die dauernd nach Atomkraft ruft, verhindert hier bisher weitere Maßnahmen: Das „ambitionierte Gesetz zur Steigerung der Energieeffizienz“, das Bundeskanzler Scholz zusammen mit dem „Streckbetrieb“ der AKW angekündigt hat, hängt noch immer zwischen den Ministerien fest. Dabei könnten laut der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz „Energiesparmaßnahmen in Unternehmen ein Vielfaches der durch den Streckbetrieb bereitgestellten Jahresstrommengen einsparen“.

Atomkraft ist unzuverlässig

Rein rechnerisch liefen zahlreiche Kohlekraftwerke in diesem Winter nur, um die massenhaften Ausfälle französischer AKW auszugleichen.
Der Netto-Stromexport aus Deutschland ist 2022 um fast die Hälfte gestiegen, während Frankreich so viel Strom wie nie importieren musste. Mit dem Alter der Anlagen steigt ihr Ausfallrisiko. Selbst im Atomland Frankreich kommen die Techniker*innen mit den Reparaturen nicht mehr hinterher. Auch die deutschen AKW, in deren Dampferzeugern Risse des gleichen Typs wie an Rohren französischer Meiler auftreten, sind vor solchen Ausfällen nicht gefeit.
Die fortschreitende Klimakrise verschärft das Problem: Flüsse sind zunehmend zu warm, um ohne große ökologische Schäden die Abwärme aus den AKW aufnehmen zu können. Immer extremere Wetterverhältnisse werden auch in Zukunft eine zunehmende Gefahr für die veralteten Anlagen darstellen.

Laufzeitverlängerungen sparen kein CO2

Für das Klima brächte ein Weiterbetrieb der AKW nichts. Selbst das traditionell atomfreundliche ifo-Institut kommt zum Schluss, dass Laufzeitverlängerungen nicht zu weniger CO2-Emissionen führen, weil die unflexiblen AKW die Erneuerbaren verdrängen und damit den dringend nötigen Ausbau von Solar- und Windkraft unattraktiver machen.

Atomkraft spart kein Gas

Die meisten Gaskraftwerke erzeugen entweder auch Fernwärme oder haben, weil sie schnell regelbar sind, die Aufgabe, Lastspitzen auszugleichen. AKW können weder das eine noch das andere. Sie können Gaskraftwerke nicht ersetzen. AKW länger laufen zu lassen, spart deshalb auch so gut wie kein Gas bei der Stromerzeugung ein.

Laufzeitverlängerungen sind teuer

Laufzeitverlängerungen sind ein gesellschaftliches Minusgeschäft, weil die Betreiber das Atom-Risiko auf die Allgemeinheit abwälzen und weil die AKW dem nötigen Umbau des Energiesystems im Weg stehen. Selbst für die Atomkonzerne ist ein Weiterbetrieb alter Reaktoren nicht automatisch rentabel. Das zeigt das Beispiel Belgien, wo der AKW-Betreiber von der
Regierung, die ihn zur Laufzeitverlängerungen von zwei Reaktoren überreden will, finanzielle  Zugeständnisse erpresst. Strenge Sicherheitsanforderungen oder Nachrüstungen lassen sich unter diesen Bedingungen nicht mehr durchsetzen.
Geld, das in Laufzeitverlängerungen fließt, wäre viel wirkungsvoller eingesetzt, wenn es direkt in Klimaschutzmaßnahmen investiert würde: in den Ausbau der Erneuerbaren, in Wärmedämmung, in Energieeffizienz.

Laufzeitverlängerungen benötigen Uran

Ein Weiterbetrieb der Atomkraftwerke ist nur mit neuen Brennelementen möglich. Das dafür nötige Uran wird hauptsächlich in indigenen Gebieten abgebaut. Der Abbau hinterlässt dauerhaft verstrahlte Gebiete und kranke Menschen.
Zugleich entstehen große Mengen radioaktiver Rückstände – und neuer, hochradioaktiver Atommüll, mit dem sich zukünftige Generationen herumschlagen müssen.

Atomkraft macht abhängig

Über ein Viertel des in der EU verwendeten Urans wird in Russland angereichert – bis heute bezieht auch die Brennelementefabrik Lingen ihren Rohstoff von dort.

Ausstieg durchsetzen – bei Atomkraft und Kohle

Der Versuch, das Atom-Fass wieder aufzumachen und den Atomausstieg in letzter Minute doch noch zu kippen, zeigt: Gesellschaftliche Verbesserungen müssen durch soziale Bewegungen nicht nur erkämpft, sondern auch bis zum letzten Moment verteidigt werden. Der Atomausstieg steht stellvertretend für die Fähigkeit, Veränderungen von „unten“ durchzusetzen. FDP, CDU und CSU stellen ihn nicht aus sachlichen Gründen infrage – sondern weil sie verzweifelt nach politischer Abgrenzung suchen, weil ihnen die Energiewende schon immer suspekt war und weil sie das fossil-nukleare Energiesystem grundsätzlich so lange wie möglich aufrechterhalten wollen. Wenn sie es schaffen, den 2011 im Fünf-Parteien-Konsens und mit breiter Mehrheit nach jahrzehntelanger Auseinandersetzung beschlossenen Atomausstieg zu kippen, werden sie auch jeden weiteren Ausstiegstermin mit dem Verweis auf angebliche Sachzwänge wieder in Frage stellen. Genauso wie jetzt die AKW werden dann auch die Kohlekraftwerke und schließlich die Erdgas-Infrastruktur am Ende doch nicht abgeschaltet werden.

Auch wenn Atom-Fans die Geschichte gerne umschreiben würden: Die langjährigen Kämpfe gegen Atomkraft haben den weltweiten Siegeszug der erneuerbaren Energien losgetreten und ermöglicht. Ohne sie wäre die Entwicklung der Energiewende weit langsamer verlaufen, würde auch die Klimabewegung in ihrer heutigen Gestalt nicht existieren. Unser Ziel ist eine vollständig auf Erneuerbaren fußende Energieversorgung, wirksamer Klimaschutz und ein gerechter, sozial-ökologischer Umbau der Gesellschaft. Dafür streiten wir, gegen die fossil-atomare Lobby.

Und der bedeutendste Schritt dahin in diesem Frühling ist: Atomkraft – Schluss jetzt!

 

Dieser Text erschien erstmalig im .ausgestrahlt-Magazin 57 (Feb./März/April 2023)

weiterlesen:

  • Klima und Atom- Atomkraft ist keine Option in der Klimakrise, denn sie ist zu schwach, zu langsam und zu teuer.
  • Atomdeals mit Russland
    23.3.2023: Der Krieg gegen die Ukraine sollte für Europa Anlass sein, die Geschäfte mit Putins Atomkonzern Rosatom endlich einzustellen. Gründe dafür gibt es viele.
  • Atomausstieg – das Finale
    11.2.2023: Spätestens am 15. April, so das „Machtwort“ von Bundeskanzler Olaf Scholz, müssen die letzten drei AKW vom Netz. FDP, CDU und CSU aber zetteln schon die nächste Laufzeitverlängerungsdiskussion an. Zwölf Jahre nach Fukushima braucht es noch einmal sichtbaren Protest.
  • Weiterbetrieb der Atomkraftwerke? Gefährlich und überflüssig
    22.11.2022: Die Entscheidung, die drei letzten deutschen AKW noch einige Monate weiterlaufen zu lassen, ist der traurige Höhepunkt einer absurden Debatte. Sie zeigt: Die Anti-Atom-Bewegung muss den Druck aufrechterhalten, bis alle Atomanlagen endgültig abgeschaltet sind.
  • Ohne Not und ohne Grund
    06.10.2022: Strom sei auch ohne AKW genügend da, räumt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ein. Dennoch will er den Weiterbetrieb der AKW Neckarwestheim‑2 und Isar‑2 ermöglichen – mit einer hanebüchenen Begründung. Kommt er damit durch?
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