Atomkraftwerk Neckarwestheim-2

Atomkraftwerk
Atomkraftwerk Neckarwestheim-2
Foto: Daniel Meier-Gerber / EnBW
Status:
außer Betrieb
Standort:
Neckarwestheim
Kategorie:
Atomkraftwerk
Inbetriebnahme:
29. Dez 1988
Betriebsende:
15. Apr 2023

In Baden-Württemberg befindet sich am Standort Neckarwestheim mit Block 2 das „jüngste“ der deutschen Atomkraftwerke. Es ist allerdings schon über 30 Jahre alt. Der Krieg in der Ukraine sorgte für eine Verlängerung der Laufzeit bis zum 15. April 2023, seitdem ist der Meiler für immer vom Netz.

Auf dem Gelände befindet sich zudem der abgeschaltete Reaktorblock 1 und ein Standortzwischenlager.

 

AKW Neckarwestheim: Blockadeaktion 2012
Foto: contratom
AKW Neckarwestheim: Blockadeaktion 2012

Noch während der Bauphase von Block 1 beantragte der Betreiber im Juni 1975 den Bau eines zweiten Reaktors. Ursprünglich war der gleiche Typ mit ebenfalls 840 Megawatt Leistung geplant. Um die Jahreswende 1979/80 wurden die Pläne geändert und auf einen deutlich größeren „Konvoi“-Druckwasserreaktor der 4. Generation, „Baulinie 80“ mit 1.300 Megawatt elektrischer Leistung sowie einem 160 Meter hohen Naturzug-Nasskühlturm gesetzt. 1981 entschieden und gebaut wurde allerdings aus optischen Landschaftsschutzgründen ein Hybridkühlturm mit einer Höhe von 51,22 Metern und einem Basisdurchmesser von 160 Metern.

Insgesamt wurden 27.000 Einwände gegen den Bau des zweiten Blocks eingereicht, von denen alleine 25.000 vom Bund Bürgerinitiativen Mittlerer Neckar stammten. Damit Neckarwestheim und Gemmrigheim dem neuen Block zustimmten, forderten die beiden Gemeinden 1979 fünf Millionen DM, die der Betreiber bezahlte.

Neckarwestheim-2 wurde 1989 in Betrieb genommen und ist damit das „jüngste“ der noch laufenden deutschen AKWs. Gemäß des Atomausstiegsgesetz durfte der Leistungsbetrieb noch bis Ende 2022 fortgesetzt werden. Der Krieg in der Ukraine sorgte für eine Verlängerung der Laufzeit bis zum 15. April 2023, seitdem ist der Meiler für immer vom Netz.

Erdbebengefahr

Geologen weisen schon seit vielen Jahren darauf hin, dass die Reaktoren im Rheingraben: Neckarwestheim, Philippsburg und Biblis, nur auf Erdbeben mit der Stärke 4,5 bis 5,5 auf der Richterskala ausgelegt sind. Im Rheingraben wurden jedoch im Jahr 1356 bereits Stärken von 6,5 bis 6,7 erreicht, 1775/56 von 6,1. Solche Erdbeben können sich jederzeit wieder ereignen. Auf die Erdbebengefahr wurde bereits in einem Gutachten in den 1970er Jahren hinwiesen – das Gutachten wurde nicht beachtet, und das AKW trotzdem gebaut.

Einsturzgefahr

Das Atomkraftwerk steht auf geologisch instabilem Grund. Um zu verhindern, dass die Fundamente des Atomkraftwerks absaufen, müssen ständig große Mengen an Grundwasser abgepumpt werden. Dadurch wird eine Gipsschicht ausgelaugt, wodurch Hohlräume entstehen, die spontan einstürzen können. Ende 2002 kam es auf einem Acker nahe Besigheim ohne Vorwarnung zu einem 18 Meter tiefen Erdeinbruch, 4,5 km vom AKW entfernt und auf geologisch vergleichbarem Untergrund. Die Atomaufsicht argumentiert zwar, dass die Bewegung des Bodens laufend durch empfindliche Messgeräte überwacht werde. Trotzdem wurden seit 1988 im Laufe der Zeit mehrere neue, bisher nicht bekannte Hohlräume im Untergrund unter dem AKW entdeckt. Es ist daher zu befürchten, dass weitere entstehen oder bereits existieren, und die Standsicherheit der Anlage gefährden können.

Ein Einbruch unter einem Reaktor oder anderen kritischen Bereichen könnte wichtige Komponenten massiv beschädigen und dabei auch mehrere der redundanten Sicherheitssysteme gleichzeitig betreffen.

Der Kühlturm (Bodendurchmesser 165 Meter) ist bereits um 14 cm abgesunken. Über mehrere Jahre wurde mit Hilfe von Beton-Einpressung in den Untergrund versucht, diesen zu stabilisieren. Vorsorglich wurde beim Bau unter dem zweiten Block eine acht Meter dicke Pufferschicht aus Beton errichtet.

Jeder Betriebstag ist ein Risiko

Seit Inbetriebnahme sind laut Bundesamt für Strahlenschutz über 100 meldepflichtige Ereignisse registriert worden.

Im Jahr 2002 wurde im Nachhinein festgestellt, dass das Notboriersystem des Blocks blockiert war und nicht zur Verfügung gestanden hätte.

Am 27. Juli 2004 trat schwachradioaktives Wasser aus dem AKW aus und floss unbemerkt in den Neckar. Da die Freisetzung radioaktiver Stoffe nicht gemeldet wurde, wurde ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet.

Wegen einer Pannenserie Ende Oktober 2013 geriet Neckarwestheim II wieder in die Schlagzeilen. Nachdem am 25. Oktober der Reaktor wegen eines defekten Brennelements heruntergefahren werden musste, emittierte er am folgenden Tag das 4fache des üblichen Wertes an Radioaktivität, am 27. Oktober sogar das 23fache. Im Gegensatz zu Atomkraftgegner*innen erklärte EnBW den Vorfall für ungefährlich, weil Grenzwerte eingehalten worden seien.

Große Protestaktion

Am 12. März 2011, einen Tag nach Beginn des Super-GAU von Fukushima, bildeten 60.000 Menschen eine 45 Kilometer lange Menschenkette von Neckarwestheim bis in die Landeshauptstadt Stuttgart und forderten den Atomausstieg. Wenige Tage später wurde Block 1 für immer abgeschaltet.

Im Dezember 2017 forderten rund 200 Menschen vor dem AKW den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie.

Zum Abschluss der Kampagne „Neckar-CASTOR frei“ demonstrierten im Dezember 2018 200, am Fukushima-Jahrestag am 11.03.2018 800 Menschen für den sofortigen Atomausstieg.

Castortransporte per Binnenschiff

Fronttranspi der Demo Neckar Castorfrei
Foto: PubliXviewinG
Protest gegen Castortransporte aus Obrigheim

Als absolutes Novum in Deutschland wurden 2017 die hochradioaktiven Brennelemente aus dem AKW Obrigheim mithilfe eines Binnenschiffs in das 50km entfernte Zwischenlager am AKW Neckarwestheim transportiert. Atomkratfgegner*Innen warfen dem Betreiber RWE vor, sich aus Kostengründen den Bau einer Lagerhalle in Obrigheim zu sparen - und die Bevölkerung dem unnötigen Risiko der Transporte auszusetzen. Zahlreiche Protestaktionen begleiteten die Schiffstransporte.

Gefährliche Risse in den Dampferzeuger-Rohren

2017 fallen bei Routinekontrollen erstmals muldenförmige Wanddickenschwächungen an einigen Dampferzeuger-Rohren auf. 

2018, nach weiteren Funden volumenförmiger Vertiefungen, lässt die Behörde endlich sämtliche Rohre aller vier Dampferzeuger in Neckarwestheim untersuchen. 101 weisen Risse auf!

2019 werden zum dritten Mal in Folge Schäden in den Dampferzeugern aufgedeckt. Fast 300 Rohre weisen zum Teil tiefgehende Risse auf. Expert*innen warnen, dass ein Bruch der Rohre einen Störfall bis hin zur Kernschmelze auslösen könnte. Trotzdem hat das Umweltministerium in Stuttgart den Reaktor – wie schon nach den vorherigen Rissfunden  – wieder ans Netz gelassen.

Hintergrund Risse in Neckarwestheim

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