Atomkraft? Viel zu teuer!

23.09.2020 | Jan Becker

Kein anderer Energieträger hat in Deutschland bislang so hohe Kosten verursacht wie die riskante Atomkraft. Mit jedem Betriebstag der AKW steigen die Kosten weiter an. Andererorts wird die Notbremse gezogen: der japanische Atomkonzern Hitachi bricht ein Neubauprojekt in Großbritannien ab.

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Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) hat im Auftrag von Greenpeace Energy alle  gesamtgesellschaftlichen Kosten addiert, die seit den 1950er-Jahren bis heute durch die Nutzung der Atomenergie zur Stromerzeugung entstanden sind. Dabei wurden direkte und indirekte staatliche Förderungen (287 Milliarden Euro), Kosten wie Polizeieinsätze bei Castor-Transporten oder die Übernahme von DDR-Altlasten (9 Milliarden Euro), Steuervergünstigungen und Vorteile für Atomkonzerne durch den Emissionshandel oder eigene Rückstellungen, der Verkaufspreis des Stroms oder das Risiko schwerer Unfälle, die die Atomkonzerne Jahrzehntelang auf die Bevölkerung abwälzen konnten, betrachtet. Mit welcher Summe die Lagerung des Atommülls zu Buche schlagen und welche Beiträge Deutschland künftig für internationale Atom-Organisationen bezahlen wird, geht als Schätzwert in die Studie mit ein.

Selbst bei konservativen Annahmen beläuft sich die Gesamtbilanz auf „deutlich mehr“ als eine Billion Euro! Allein zwischen 2007 und 2019 – der Zeitspanne mit der besten Quellenlage – summieren sich die gesamtgesellschaftlichen Kosten von Atomstrom laut FÖS auf bis zu 533 Milliarden Euro.

„Ein Großteil dieser Kosten war im Strompreis nie enthalten, weshalb Atomenergie fälschlicherweise als kostengünstige Stromquelle galt“, sagt Sönke Tangermann, Vorstand bei Greenpeace Energy.

Geld für Atommüll reicht wohl nicht

Dass die 24 Milliarden Euro, die von den AKW-Betreibern 2017 für die Atommülllagerung in einen Fonds eingezahlt wurden, vermutlich nicht ausreichen werden, unterstreicht die Studie. Laut FÖS sind zusätzliche Kosten in Höhe von mindestens sieben Milliarden Euro bereits konkret absehbar. Dazu zählen die Sanierung der maroden Atommülllager Morsleben und Asse sowie des Uranerzbergbaus Wismut oder Mehraufwand beim Abriss ehemaliger AKW-Standorte. Wenn die 24 Milliarden verbraucht sind, könnten also weitere staatliche Ausgaben hinzukommen, warnt Studienleiterin Swantje Fiedler vom FÖS. Würden die Atomkraftwerke über 2022 hinaus betrieben, ihre Laufzeit also aus politischem Interesse verlängert werden, sammelt sich noch mehr Atommüll – und die Kosten steigen weiter.

Greenpeace Energy fordert neben einem „konsequenten Atomausstieg“ auch ein Ende jeder vertraglichen Verpflichtungen zugunsten der Atomindustrie wie Beitragszahlungen zur Europäischen Atomgemeinschaft Euratom. Auch aus unzureichend abgesicherten Haftungsabkommen für grenzüberschreitende Atomunfälle müsse Deutschland sich verabschieden, Hermesbürgschaften für den Bau neuer AKW im Ausland gehören verboten.

"Der Bau von Atomkraftwerken ist teuer, dauert Jahrzehnte & ist unwirtschaftlich!", fasst der BUND Deutschland aktuell auf twitter zusammen. Anstatt Steuern in eine Hochrisikotechnologie sollte die „umweltfreundliche Energiewende ambitioniert vorangetrieben werden.“

Hitachi verabschiedet sich

Nicht nur in Deutschland ist Atomenergie wirtschaftlich untragbar: Nachdem Anfang 2019 bereits deutliche Zweifel am Bau von zwei neuen Atomreaktoren in Großbritannien geäußert wurde, stellt der japanische Atomkonzern Hitachi seine Aktivitäten im britischen Markt nun endgültig ein. Im Auftrag der britischen Regierung sollten am Standort Wylfa, im Norden von Wales, zwei Reaktorblöcke errichtet werden. Das Unternehmen traf diese Entscheidung jetzt, weil das „Investitionsumfeld aufgrund der Auswirkungen der Coronavirus-Krise zunehmend schwieriger geworden ist“. Das Projekt sei eine „zu große wirtschaftliche Herausforderung“. Wie es mit der begonnenen Baustelle weitergehe, müsse geklärt werden... Ein AKW entsteht dort auf jeden Fall nicht.

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Quellen (Auszug): energate-messenger.de, nuklearforum.ch, greenpeace-energy.de

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Jan Becker

Jan Becker hat jahrelang die Webseite www.contrAtom.de betrieben und täglich aktuelle Beiträge zur Atompolitik verfasst. Seit November 2014 schreibt der studierte Umweltwissenschaftler für .ausgestrahlt. Jan lebt mit seiner Familie im Wendland. Mit dem Protest gegen regelmäßig durch seine Heimatstadt Buchholz i.d.N. rollende Atommülltransporte begann sein Engagement gegen Atomenergie, es folgten die Teilnahme und Organisation zahlreicher Aktionen und Demonstrationen.

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