Entschädigung für Laufzeitverkürzung?

06.06.2018 | Angela Wolff

.ausgestrahlt wollte wissen, ob die Menschen im Land auch dann noch für ein schnellers Abschalten der AKW sind, wenn der Staat dafür Geld an die Betreiber zahlen muss. Also haben wir EMNID losgeschickt. Das Ergebnis ist eindeutig: 59 Prozent sagten „Ja“. Das hat aber nicht nur Hoffnungen geweckt, sondern auch für Ärger gesorgt.

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Umfrage mit eindeutigem Ergebnis

„Waaas? Ihr wollt, dass die Atomkonzerne sich noch mehr Geld in die Taschen stecken? Ihr tickt ja wohl nicht mehr ganz richtig!“ Diese und ähnliche Reaktionen erreichten .ausgestrahlt nach Veröffentlichung einer repräsentativen Umfrage, mit der wir das Meinungsforschungsinstitut EMNID beauftragt hatten. Dabei kam heraus, dass eine deutliche Mehrheit der Einwohner*innen Deutschlands – nämlich 59 Prozent – Entschädigungen für AKW-Betreiber aus der Staatskasse hinnehmen würden, wenn dafür die Atommeiler früher vom Netz gingen. .ausgestrahlt fordert von der Bundesregierung, diesen Weg einzuschlagen. 

Der Gedanke, dass die Atomindustrie ein weiteres Mal die Hand aufhalten könnte, um Steuergelder abzugreifen, löste bei einigen Leserinnen und Lesern des .ausgestrahlt-Newsletters Übelkeit aus. Manche forderten: „Abschalten, na klar, sofort – aber die sehen keinen Cent dafür!“ Leider ist dieser Weg aber mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Dezember 2016 verbaut. Seither steht fest, dass die Betreiber für die in 2002 von der rot-grünen Bundesregierung bereits zugesagten Reststrommengen entschädigt werden müssen, wenn der Staat sie ihnen wieder wegnimmt. So ärgerlich das ist, daran lässt sich jetzt nicht mehr rütteln. 

Würde die Bundesregierung, wie von .ausgestrahlt gefordert, die Übertragung von Reststrommengen im Atomgesetz ausschließen, fielen zusätzliche Entschädigungsleistungen für die Kraftwerksbetreiber an. Das Entscheidende ist aber: Dafür wären die AKW schneller vom Netz! 

Klar, jeder Cent, der in Richtung Atomindustrie fließt, ist ein Ärgernis. Aber: werden die AKW nicht abgeschaltet, verdienen die Betreiber ja genauso – und wir alle tragen das Risiko. Außerdem sollten wir auch auf die Kosten schauen, die der Betrieb von Atomkraftwerken verursacht. In Norddeutschland behindern Atommeiler die Nutzung und den Ausbau von Windkraft. Sie erzeugen ein Stromüberangebot, das Eingriffe in die Übertragungsnetze und in den Strommarkt erfordert. Die daraus entstehenden Kosten werden den Stromkund*innen jedes Jahr in Höhe eines dreistelligen Millionenbetrags direkt aus der Tasche gezogen. Das wäre vermeidbar.

Umgekehrt könnte der Staat zur Abwechslung die Atomindustrie zur Kasse zu bitten. Etwa mit der Wiedereinführung einer – diesmal verfassungskonformen – Abgabe auf Brennelemente. Im Nebeneffekt würde das die Gewinnerwartungen der Betreiber senken und somit auch die Höhe der zu leistenden Entschädigungssummen.

Setzen wir die Kosten für eine früheres Abschalten der deutschen AKW dann noch ins Verhältnis zu den Folgen einer Atomkatastrophe – auch den finanziellen – wird deutlich: Statt uns zu ärgern, sollten wir diesen „Abschalthebel“ lautstark einfordern!

Hintergrund:

ausgestrahlt.de/mitmachen/netzverstopfer-dossier

ausgestrahlt.de/netzverstopfer/umfrage

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Angela Wolff

Angela Wolff ist zwischen Braunkohlekraftwerk und Atomreaktor im Rheinischen Revier aufgewachsen. Heute lebt sie an der dänischen Grenze in Schleswig-Holstein und setzt sich dort ehrenamtlich gegen verfehlte Atompolitik ein. Angela hat Medien- und Kulturwissenschaften studiert. Bevor sie 2017 als Redakteurin Teil des .ausgestrahlt-Teams wurde, hat sie für TV- und Filmproduktionen, Info-Kampagnen und Magazine geschrieben. Von 2019 bis 2021 war sie Campaignerin bei .ausgestrahlt und hat insbesondere zu den Themen Klima und Atom, Standortsuche und AKW-Abriss gearbeitet.

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