Atom war kein Thema – könnte es jetzt aber werden

24.09.2013 | Jochen Stay

Unterm Strich ist es für AtomkraftgegnerInnen nicht so relevant, wer nun mit Merkel regieren wird. Atomenergie war kein Wahlkampfthema, obwohl mehr als die Hälfte der WählerInnen einen schnelleren Atomausstieg wollen – auch nicht bei den Grünen, die für viele als Anti-Atom-Partei gelten. Doch nach der Wahl ist Bewegung möglich, wenn wir die Anti-Atom-Stimmung sichtbar machen. Es ist ja ein Erfolgsrezept von Angela Merkel, dass sie flexibel auf gesellschaftliche Stimmungen reagiert.

Eine erste atompolitische Analyse nach der Bundestagswahl

Atomenergie war kein Wahlkampfthema, obwohl mehr als die Hälfte der WählerInnen einen schnelleren Atomausstieg wollen. Gerade die Grünen, die in der Öffentlichkeit als „Anti-Atom-Partei“ gelten, haben die Frage der Laufzeiten nicht mehr thematisiert. Das „Team Trittin“ hat wenige Tage vor der Wahl eine entsprechende Frage auf „Abgeordnetenwatch“ wie folgt beantwortet:

„Herr Trittin hat 2000/2001 einen Konsens mit den Betreibern der Atomkraftwerke geschlossen. Inhalt des Konsenses war, dass die Atomkraftwerke nach und nach abgeschaltet werden, das letzte etwa 2022. Entgegen den Betreibern, die sich als nicht vertragstreu erwiesen haben, pflegt Herr Trittin zu seinem Wort zu stehen. Das Ende der Atomkraft im Jahre 2022 wurde 2011 von allen Parteien (außer Die Linke) noch einmal bekräftigt.“

Die Grünen als „Dafür-Partei“

Das ist nicht das, was sich die WählerInnen von den Grünen erhofft haben, und so ist auch die defensive Haltung in der Energiepolitik ein Grund für deren Wahlniederlage. Nur damit die Grünen nicht als „Dagegen-Partei“ diffamiert werden können, haben sie immer wieder zugstimmt, wenn die Bundesregierung atompolitisch ungenügend agierte, nicht nur bei den AKW-Laufzeiten, sondern auch beim Endlagersuchgesetz. Aber eine „Dafür-Partei“ wollen aktive Atomkraftgegnerinnen nicht so gerne wählen. Vor allem, wenn dann im Wahlkampf in Sachen Energiewende auch fast nur noch Reaktionen auf die Strompreisdebatte kommen und keine gut begründete Vision einer umweltfreundlichen Energiezukunft im Mittelpunkt steht.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Die anderen Parteien haben es nicht besser gemacht: Linke und Piraten haben zwar deutlich ambitioniertere atompolitische Ziele im Programm stehen – aber im Wahlkampf thematisiert wurden sie faktisch nicht.

Und die SPD?

In der sozialdemokratischen Energiepolitik hat längst wieder der Industrie- und Kohleflügel das Sagen. Die UmweltpolitikerInnen haben in der Partei Hermann Scheers inzwischen einen schweren Stand. Ob daran die Niederlage von Olaf Scholz beim Hamburger Volksentscheid über das Stromnetz etwas ändern wird, wage ich zu bezweifeln.

Unterm Strich ist es für uns AtomkraftgegnerInnen nicht so relevant, wer nun mit Merkel regieren wird. Programmatisch wäre bei den Grünen noch ein wenig mehr drin als bei der SPD, wenn sie es denn in Koalitionsverhandlungen durchsetzen würden. Andererseits besteht ja zumindest die Möglichkeit, dass sich die Grünen in der Opposition wieder deutlichere atompolitische Positionen zutrauen und damit gemeinsam mit außerparlamentarisch Aktiven Druck auf die Regierung aufbauen. Es ist ja ein Erfolgsrezept von Angele Merkel, dass sie flexibel auf gesellschaftliche Stimmungen reagiert. Wir müssen diese Stimmungen nur deutlich wahrnehmbar machen.

Atom-Themen müssen in Koalitionsverhandlungen auf den Tisch

Anfangen können wir damit schon während der Koalitionsverhandlungen. Noch ist nicht klar, wer die nächste Regierung bilden wird. Wahrscheinlich sind aber nur zwei Konstellationen: Große Koalition oder Schwarz-Grün. In beiden Fällen sitzen Parteien am Verhandlungstisch, in deren Wahlprogrammen atomkritische Positionen stehen – wenn sie diese auch im Wahlkampf, wie oben beschrieben, nicht in den Vordergrund gestellt haben.

Da geht es beispielsweise um die Erhöhung der Brennelementsteuer, das Verbot von Hermes-Bürgschaften für AKW im Ausland, die Verschärfung von Sicherheitsanforderungen, die Schließung der Urananreicherungsanlage in Gronau und der Brennelementefabrik in Lingen, eine höhere Haftpflicht für AKW, das Ende des Euratom-Vertrages und die Überführung von Entsorgungs-Rückstellungen in einen öffentlich-rechtlichen Fonds.

.ausgestrahlt ruft dazu auf, den Parteien deutlich zu machen, was wir AtomkraftgegnerInnen von ihnen in Koalitionsverhandlungen erwarten. Genauere Vorschläge dazu machen wir, sobald klar ist, wer mit wem verhandelt.

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Jochen Stay

Jochen Stay, Jahrgang 1965, ist seit seinem 15. Lebensjahr aktiv in außerparlamentarischen Bewegungen, seit Wackersdorf 1985 in der Anti-Atom Bewegung und seit 2008 Sprecher von .ausgestrahlt.

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