Keine Ahnung von Konsens und Öffentlichkeitsbeteiligung: Die dritte Sitzung der Atommüll-Kommission

12.09.2014 | Jochen Stay

.ausgestrahlt hat sich wie fast alle mit dem Thema Atommüll befassten Umweltverbände und Initiativen dagegen entschieden, einen der beiden für die Umweltverbände vorgesehenen Plätze in der Atommüll-Kommission einzunehmen. Trotzdem wollten wir uns aus erster Hand informieren, wie die Kommission läuft. Denn wenn schon Kritik, dann am besten aus eigenem Erleben. Deshalb verfolgt .ausgestrahlt-Sprecher Jochen Stay als „ständiger Beobachter“ die Sitzungen der Kommission. Hier seine Eindrücke von der dritten Sitzung der Kommission am 8. September 2014 in Berlin:

Die Kommission dreht sich im Kreis
Auch mit dieser dritten Sitzung ist die Kommission noch nicht in die inhaltliche Arbeit eingestiegen. Wieder geht es um die Geschäftsordnung, um das Arbeitsprogramm. Manches wird diesmal geklärt, manche Fragen bleiben weiter offen. Fünf Monate ist es her, seit die Kommission überstürzt eingerichtet wurde, statt die Gespräche mit den Umweltverbänden und Initiativen weiterzuführen, um ein gemeinsames Herangehen an die Frage der Atommüll-Lagerung zu erreichen. Angeblich war dafür keine Zeit. Fünf Monate später stelle ich mit Erschrecken fest, wofür stattdessen Zeit war und dass die Debatte in dieser Zeit nicht vorangekommen ist. Diese Zeit hätte also viel besser und konstruktiver genutzt werden können.

Kleiner Erfolg: in Zukunft gibt es offizielle Wortprotokolle
Es ist zwar eigentlich nebensächlich, aber für alle, die sich heute oder zukünftig intensiver mit der Arbeit der Kommission auseinandersetzen wollen, durchaus von Belang: Bisher gab es nur Video-Mitschnitte der Sitzungen, deren Handhabung denkbar unpraktisch ist und in denen sich keine konkreten Personen oder Aussagen suchen lassen. Das ist nur bei einem Wortprotokoll möglich. Weil die Kommission so ein Protokoll von den ersten Sitzungen nicht anfertigen ließ, haben mehr als 50 AktivistInnen, koordiniert von .ausgestrahlt, den Mitschnitt abgetippt und wir haben die so entstandenen Wortprotokolle im Netz veröffentlicht. Und siehe da: Jetzt hat die Kommission eingesehen, dass sowas Sinn macht. Allerdings erst ab der vierten Sitzung. Diesmal müssen also wir nochmal ran…

Kritik am Protokoll
Am (Verlaufs-)Protokoll der letzten Sitzung gibt es massive Kritik aus den Reihen der Wissenschaftler. So seien deren Äußerungen und Anträge dort nicht zusammenfassend dokumentiert, dagegen die Ausführungen von Kanzleramtsminister Altmaier, der als Gast kurz rein geschneit war, sehr ausführlich. Auch dieser Umstand führt schließlich zur Entscheidung, zukünftig Wortprotokolle erstellen zu lassen.

Ländervertreter von CDU/CSU ziemlich desinteressiert
Die Bundesländer sind normalerweise durch acht Personen in der Kommission vertreten, drei grüne Landesminister, zwei von der SPD und drei von CDU/CSU, wobei die CDU sogar zwei Ministerpräsidenten benannt hat: Tillich aus Sachsen und Hasseloff aus Sachsen-Anhalt. Nachdem die beiden sich bei den ersten Kommissions-Sitzungen sichtlich gelangweilt haben, sind sie diesmal gleich ferngeblieben. Gekommen ist lediglich der bayerische Umweltminister Marcel Huber für die CSU. Nur für Hasseloff ist ein Vertreter da, so dass für Union am Vormittag zumindest zwei Personen anwesend sind. Am Nachmittag sind dann nur noch die fünf Minister von SPD und Grünen dabei.

Interessenkonflikte der Wissenschaftler
Acht Plätze für Wissenschaftler (es sind nur Männer) gibt es in der Kommission (unsere Kritik an deren Auswahl liest Du hier). Bereits zum dritten Mal geht es darum, ob die Kommission ihnen oder ihren Instituten Aufträge für Gutachten geben kann oder ob es dadurch zu Interessenkonflikten kommen kann. Beispielsweise könnte sich ein Wissenschaftler gegen bestimmte Vorschläge aussprechen oder andere Vorschläge machen, nur damit er als Experte für dieses Thema (oder sein Institut) einen Auftrag bekommt. Oder ein Wissenschaftler stimmt in der Kommission im Sinne der Regierung ab, weil er oder sein Institut auf staatliche Forschungsgelder angewiesen ist.

Ich sehe es so: Der Streit um Atommüll ist hauptsächlich ein Konflikt zwischen Regierenden, Atomwirtschaft und betroffener Bevölkerung. Deshalb müssen sich diese Konfliktparteien auf einen Konsens einigen. Deshalb ist es sowieso seltsam, warum nun gerade Wissenschaftler in der Kommission Stimmrecht haben. Besser wäre es, wenn die Kommission, um zu gemeinsamen Ergebnissen zu kommen, Wissenschaftler mit Gutachten beauftragt und in Anhörungen die vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnisse zusammenträgt. Dann hätten die Wissenschaftler eine klare beratende und unterstützende Rolle, könnten dafür honoriert werden und kämen nicht in Interessenkonflikte.

Wie belastend dieser Interessenkonflikt und die ökonomischen Rahmenbedingungen der Kommissionsarbeit für die beteiligten Wissenschaftler ist, zeigt sich schon daran, dass sie sich diesmal vor der eigentlichen Sitzung zu einer eigenen Beratung getroffen haben, um gemeinsame Interessen gegenüber der Kommission zu formulieren – über alle sonstigen inhaltlichen Gegensätze hinweg.

Schließlich beschließt die Kommission, dass die beteiligten Personen nicht mit Gutachten beauftragt werden dürfen, ihre Institute aber schon. Das löst aus meiner Sicht die Interessenkonflikte nicht auf.

Öffentlichkeitsarbeit vs. Öffentlichkeitsbeteiligung
Zum Thema Atommüll braucht es beides: Öffentlichkeitsarbeit, also Information der Bevölkerung und Öffentlichkeitsbeteiligung, also Mitbestimmung der potentiell Betroffenen. Aber es sind zwei Paar Schuhe. Umso erschreckender, dass die Mitglieder der Kommission die beiden Begriffe ständig verwechseln – und zwar nur in eine Richtung: Oft, wenn eigentlich von Beteiligung die Rede ist, sprechen sie von Öffentlichkeitsarbeit. Selbst Klaus Brunsmeier vom BUND passiert dieser Lapsus. Und er meint, es ginge darum, dass die Menschen das „Gefühl“ bekommen, beteiligt zu sein. So etwas nenne ich Pseudo- oder Schein-Beteiligung. Auch Bischof Meister, der Vorsitzende der Kommissions-AG zur Öffentlichkeitsbeteiligung spricht davon, Aufgabe sei es, die Menschen zu informieren.

Auf die Spitze treibt es Ursula Heinen-Esser (CDU): Auf den Vorschlag von Brunsmeier, auch schon während der AG-Phase der Kommission eine Beteiligung der Öffentlichkeit zu organisieren, sagt die Vorsitzende: „Die Arbeitsgruppen tagen ja öffentlich.“

Welche Öffentlichkeit soll beteiligt werden?
In der Debatte um Öffentlichkeitsbeteiligung wird von mehreren Kommissions-Mitgliedern die Frage aufgeworfen, wer denn da genau beteiligt werden soll. Einige machen sich Gedanken darüber, wie all diejenigen beteiligt werden können, die sich für das Thema wenig interessieren. Eine Idee dazu sind Meinungsumfragen. Manchmal erscheint es auch so, als befürchten manche DiskutantInnen, dass die in Sachen Atommüll besonders engagierten BürgerInnen sich mehr als andere beteiligen und damit quasi ein nicht repräsentatives Ergebnis der Beteiligung zustande kommt.

Ich sehe das so: Nichts spricht dagegen, den Versuch zu unternehmen, eine möglichst breite gesellschaftliche Debatte über Atommüll zu führen. Aber entscheidend für den Erfolg eines Suchverfahrens ist es vor allem, ob die (potentiell) Betroffenen am Ende ihre Interessen gewahrt sehen. Entweder sie tragen die Entscheidung mit oder sie werden versuchen, sie zu verhindern. Deshalb braucht es in erster Linie eine Beteiligung der bereits jetzt von Atommüll-Lagerung Betroffenen (beispielsweise von den Zwischenlager-Standorten) und derjenigen, die in Regionen leben, die aufgrund ihrer geologischen Situation betroffen sein könnten.

Bundesregierung sorgt für Deutungshoheit
Ohne dass es dazu eine Anregung aus der Kommission gegeben hätte, haben die beiden Vorsitzenden zu bisher jeder Sitzung eine/n prominente/n BundespolitikerIn eingeladen. In der ersten Sitzung Bundestagspräsident Lammert (CDU), dann Kanzleramtsminister Altmaier (CDU), diesmal Umweltministerin Hendricks (SPD) und nächstes Mal Forschungsministerin Wanka (CDU). Die kommen dann für ein, zwei Stunden und schildern ihre Sicht der Dinge. Hauptsächlich geben sie einige wohlfeile Sätze von sich, die sich gut in der Presse machen. Etliche JournalistInnen erscheinen mit ihnen und gehen auch wieder, wenn die Promis weg sind. In der Berichterstattung dominieren dann die Positionen der Bundesregierung, obwohl diese „Stargäste“ oft inhaltlich wenig Ahnung haben.

Besonders erschreckend oder auch entlarvend: Bisher alle  Promis haben außerhalb ihrer plakativen Statements deutlich gemacht, dass sie die Kommission nicht wirklich ernst nehmen, sondern davon ausgehen, dass sich die Atommüll-Frage nach den gleichen Spielregeln wie alle anderen politischen Fragen klären lässt. Das ist dann vor allem für diejenigen PolitikerInnen in der Kommission peinlich, die immer so tun, als wäre es quasi politischer Konsens, dass mit der Kommission völlig neue Wege der Beteiligung eingeschlagen werden.

Umweltministerin Hendricks ist da ehrlicher: Sie betont noch einmal besonders, dass der Bundestag in keiner Weise an die Ergebnisse der Kommission gebunden ist.

Veränderungssperre oder weiße Landkarte?
Zwar kritisiere ich Klaus Brunsmeier, den BUND-Vertreter in der Kommission, öfter mal und halte die BUND-Entscheidung der Mitwirkung weiterhin für einen großen Fehler. Das hindert mich aber nicht daran, anerkennend festzustellen, dass Brunsmeier sich beim Thema Veränderungssperre wirklich reinhängt.

Gegenüber der Bundesumweltministerin macht Brunsmeier deutlich, dass es dem immer wieder proklamierten Prinzip der weißen Landkarte diametral widerspricht, dass es für den Standort Gorleben weiter eine Veränderungssperre gibt, für alle anderen potentiellen Standorte aber nicht. Veränderungssperre bedeutet, dass niemand den Bereich des Salzstocks anbohren darf. An anderen möglichen Standorten sind findige KommunalpolitikerInnen heute schon dabei, Projekte voranzutreiben, die Bohrungen in den Untergrund notwendig machen. Weil es dort keine Veränderungssperre gibt, kann das nicht verhindert werden.

Wollte man Gorleben und alle anderen Orte gleich behandeln, müsste die Veränderungssperre in Gorleben aufgehoben werden oder eine bundesweite Veränderungssperre erlassen werden. Die Ministerin bügelt das Ansinnen ab, erklärt, dass es bei der Sperre für Gorleben bleibt und fertig. Da kann sie viel von vertrauensbildenden Maßnahmen reden. Genau an diesen Stellen wird deutlich, dass Vertrauen in diese Bundesregierung in Sachen Atommüll in Fehler wäre.

Wann fällt die Standort-Entscheidung?
Schon in der Woche vor der Kommissions-Sitzung hatte der niedersächsischen Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) thematisiert, dass aus seiner Sicht die Suche nach einem Standort für ein Atommüll-Lager deutlich länger braucht, als die im Endlagersuchgesetz festgelegte Zeitspanne bis 2031 (er sprach von 2050). Barbara Hendricks reagierte noch am gleichen Tag und machte klar, dass die Bundesregierung an 2031 festhält.

Gleiches Bild in der Kommission: Die Ministerin erklärt mit dem Gestus des gesunden Menschenverstandes, dass es doch wohl möglich sein muss, in den 15 Jahren nach Abschluss der Kommissionsarbeit einen Standort zu finden. Erst danach müsse ja das Genehmigungsverfahren, die Beteiligung der Öffentlichkeit und der Bau des Lagers stattfinden.

Alle ExpertInnen in der Kommission sehen das völlig anders – und zwar egal, wie sie ansonsten zur Atomenergie oder zur Atommüll-Frage stehen. Sie gehen von deutlich längeren Zeiträumen aus. Schließlich sollen ja mehrere Standorte untertägig erkundet werden. Weiß die Ministerin das nicht oder ist es ihr egal? Oder spekuliert sie doch auf Gorleben? Dort ginge es schneller, ist doch das Bergwerk schon vorhanden.

Thema Atommüll-Export
Ein derzeit heiß diskutiertes Thema kam auch in der Kommission zur Sprache: Die geplanten Atommüll-Exporte in die USA. Mehrere Kommissions-Mitglieder sprachen die Umweltministerin darauf an. Sie vertrat kompromisslos die Position, dass der Export legal sei, weil es sich beim Jülicher AVR-Reaktor, aus dem der Müll stammt, um einen Forschungsreaktor handele. Das ist nachweislich falsch: Der AVR war Versuchsreaktor und nicht Forschungsreaktor. Er lieferte für 34 Millionen Euro Strom ins Netz.

Es ist gerade einmal ein gutes Jahr her, dass bei der Debatte um das Endlagersuchgesetz alle involvierten PolitikerInnen erklärten, ein Export von Atommüll wäre mit diesem Gesetz ausgeschlossen – und darüber hinaus auch gar nicht gewollt. Tja …

Transparenz? Regierung behält ihre Überlegungen für sich
Welchen Stellenwert die Bundesregierung der Kommission gibt, wird deutlich, als es um die Frage geht, ob die Runde sich nur mit dem hochradioaktiven Atommüll oder mit allen Arten von strahlenden Abfällen befassen soll. Schließlich ist absehbar, dass das geplante Lager für schwach- und mittelaktiven Müll „Schacht Konrad“ in Salzgitter nicht ausreichen  wird, um alle anfallenden Mengen aufzunehmen.

Auf die Frage, welche Überlegungen es in der Bundesregierung zum Verbleib der Abfälle aus der Asse gibt, wenn diese eines Tages aus dem havarierten Bergwerk geborgen werden, erklärte der zuständige Abteilungsleiter aus dem Ministerium, dass er dazu zum jetzigen Zeitpunkt keine Aussage machen werde, weil das noch nicht feststünde. Die Kommission solle sich gedulden. Dabei, so meine ich, wäre es doch eigentlich Aufgabe der Kommission, diese Frage zu beraten – und zwar bevor im Ministerium eine Entscheidung gefallen ist. Und dazu auch alle Informationen und Vorüberlegungen aus dem Ministerium erhält.

Volksabstimmung?
An einer Stelle sagt Umweltministerin Hendricks etwas sehr Richtiges: Als sie Jörg Sommer (Umweltstiftung) fragt, was sie von der Idee einer Volksabstimmung zur Atommüll-Lagerung halte, erwidert sie, dass das Ergebnis dann doch von Vorne herein feststünde: Alle, die nicht am ausgewählten Standort wohnen, werden für diesen stimmen. Was die Ministerin dabei übersieht: Im Bundestag wird es das gleiche Abstimmungsverhalten geben. Alle Abgeordneten, in deren Wahlkreis der Standort nicht liegt, werden dafür stimmen.

Konsens? Mehrheit!
Weiterhin trifft die Kommission ihre Entscheidungen per Mehrheitsabstimmung. Das Konsens-Prinzip steht zwar in der Geschäftsordnung, wird aber nicht angewendet – ja ich habe immer wieder der Eindruck, dass weder die Vorsitzenden noch die Mitglieder der Kommission überhaupt wissen, mit welchen Methoden sich in einer Gruppe dieser Größe ein wirklicher Konsens herstellen lässt.

Evaluation: Die Vorgeschichte
Die meisten KritikerInnen des Endlagersuchgesetzes waren sich einig, dass es nicht zielführend ist, erst das Gesetz zu machen und dann erst die Kommission darüber beraten zu lassen, was ein gutes Verfahren ist. Deswegen erklärten die Umweltverbände und Initiativen, dass es keinen Sinn mache, in der Kommission mitzuarbeiten.

Als klar war, dass der Bundestag nicht bereit ist, das Gesetz vor dem Beginn der Kommission-Arbeit noch einmal zu verändern, gab es von BUND, .ausgestrahlt und anderen einen großen Schritt auf die Politik zu: Wir schlugen vor, ohne Gesetzesänderung in die Kommissionsarbeit zu starten, diese aber in zwei Phasen aufzuteilen: Zuerst wird nur das Gesetz evaluiert und die Kommission erarbeitet einen Vorschlag, wie das Gesetz geändert werden soll. Dann ändert der Bundestag das Gesetz entsprechend. Erst dann steigt die Kommission in ihre andere Arbeit ein. Voraussetzung für dieses Verfahren wäre allerdings gewesen, dass sich alle potentiellen Kommissionsmitglieder vor dem Start der Arbeit darauf einigen.

Wirklich passiert ist dann nur eins: Der Bundestag hat in einem Entschließungsantrag unverbindlich festgestellt, dass die Kommission über das Gesetz reden darf und dem Parlament Vorschläge machen kann, auch schon vor Ende ihrer Arbeit. Die anderen Kommissions-Mitglieder haben sich dazu gar nicht geäußert. Das genügte dem BUND und der Umweltstiftung trotzdem, um in die Kommission zu gehen.

Evaluation: Die Realität
Von einer ersten Phase, in der das Gesetz evaluiert werden soll, spricht keiner mehr. Selbst der BUND fordert in der Kommission nur noch, dass möglichst bald in die Evaluation „eingestiegen“ werden soll.

Von den politischen Parteien kommen kuriose Argumente, wieso eine schnelle Evaluation nicht möglich sei. Ursula Heinen-Esser (CDU) meint, die Evaluation sei erst möglich, wenn die Bundesregierung eine Bilanz des vorhandenen Atommülls vorgelegt habe – und das dauert. Was das eine mit dem anderen zu tun hat erschließt sich mir nicht. Noch seltsamer Matthias Miersch (SPD): Er meint, die KritikerInnen des Gesetzes müssten sich ja erst noch vorbereiten, deshalb solle man das mit der Evaluation nicht zu früh ansetzen. Mein Eindruck: kaum jemand ist besser in die Materie eingearbeitet als die KritikerInnen des Gesetzes.

Am Ende beschließt die Kommission, mit der Debatte um die Evaluation auf ihrer November-Sitzung zu beginnen und zusätzlich dazu eine Arbeitsgruppe einzurichten. Klaus Brunsmeier (BUND) kämpft erfolgreich dafür, dass es nicht Dezember wird. Aber das macht aus meiner Sicht auch keinen Unterschied mehr.

Fehlerkorrekturen nicht so wichtig
Als es um die Einsetzung von Arbeitsgruppen geht, ist auch der Vorschlag im Raum, eine AG Fehlerkorrekturen einzurichten, in der überlegt wird, wie in einem laufenden Suchverfahren damit umgegangen wird, wenn es neue Erkenntnisse gibt, die die bisher gemachte Annahmen in Frage stellen. Stefan Wenzel (Grüne) erklärt die Notwendigkeit dieser AG mit der Geschichte der Asse: Dort hielten die Prognosen, dass in dem Bergwerk der Atommüll für eine Million Jahre sicher lagert, gerade einmal zehn Jahre. Die Kommission entscheidet sich gegen eine eigenständige AG zum Thema.

Arbeitsgruppen
Schlussendlich richtet die Kommission drei Arbeitsgruppen ein: Eine zur Öffentlichkeitsbeteiligung, eine zu Kriterien und eine zur Evaluation des Gesetzes.

Der Vorschlag, eine eigene AG zur Aufarbeitung der Erfahrungen aus Gorleben, Schacht Konrad, Morsleben und Asse einzurichten, wird abgelehnt. Das soll in den anderen AGs mit verhandelt werden. Als dann aber in der konstituierenden Sitzung der AG Öffentlichkeitsbeteiligung, die gleich im Anschluss an die große Runde stattfindet, die Idee aufkommt, Personen aus den bisher betroffenen Regionen als externe ExpertInnen mit in die AG aufzunehmen, gibt es breiten Widerspruch.

Probleme, die sich aus der jetzigen AG-Aufteilung ergeben:

Öffentlichkeitsbeteiligung: Ein Konzept zur Öffentlichkeitsbeteiligung an der Arbeit der Kommission selbst nutzt wenig, wenn es von der AG erst in einigen Monaten vorgelegt wird und die Kommission bis dahin schon zahlreiche Entscheidungen ohne Beteiligung der Betroffenen getroffen hat.

Kriterien: Wenn es noch keine Entscheidung über die Lagermethode gibt, ist es sinnlos, schon Kriterien zu entwickeln.

Evaluation: Wenn die AG feststellt, dass auch die Regelungen im Gesetz verändert werden sollten, die sich mit der Kommission selbst, ihren Aufgaben, ihren Arbeitsformen und ihrer Zusammensetzung befassen, dann ist die Chance auf eine Umsetzung gering, wenn die Kommission parallel schon alles Mögliche andere erarbeitet und Fakten geschaffen hat.

Fazit
Die Besuche von Regierungsmitgliedern in der Kommission sind problematisch, weil sie dadurch gegenüber der Presse die Deutungshoheit behalten. Ein „Vorteil“ dieser Besuche ist allerdings, dass für alle offensichtlich wird, wie wenig die Regierung von der Kommission hält. Sie gibt ihr wesentliche Informationen nicht und behält sich in vielen Fragen die Entscheidung vor – ja kommt gar nicht auf die Idee, dass dafür die Kommission zuständig sein könnte. Sowohl Altmaier in der letzten Sitzung als auch Hendricks diesmal haben darüber hinaus deutlich zu verstehen gegeben, dass sie von einer ernsthaften Beteiligung der Betroffenen wenig halten.

Entsprechend handelt auch die Kommission: Eine frühzeitige Einbeziehung der Betroffenen findet nicht statt, ja viele Mitglieder scheinen gar nicht zu verstehen, was mit Öffentlichkeitsbeteiligung eigentlich gemeint ist und wozu es die braucht. Ähnlich sieht es in Sachen Konsens aus. Es wird munter abgestimmt und niemand scheint überhaupt zu wissen, wie sich ein Konsens methodisch herstellen lässt. Und schließlich wird die Idee, zuerst das Gesetz zu evaluieren und erst nach einer Novellierung im Bundestag die weitere Kommissions-Arbeit anzugehen, endgültig begraben.

Damit bleiben wesentlichen Gelingensbedingungen für die Kommissionsarbeit und die Überwindung des Atommüll-Konfliktes unerfüllt: a) Mitbestimmung der Betroffenen von Anfang an, b) Evaluation und Novellierung des Gesetzes an erster Stelle, c) Entscheidungen im Konsens und d) weitreichende Kompetenzen für die Kommission. Mal ganz davon abgesehen, dass Gorleben durch die Veränderungssperre weiterhin gegenüber anderen Standorten bevorzugt wird.

Würden BUND und Umweltstiftung ernst nehmen, was die Umweltverbände und Initiativen gemeinsam erarbeitet haben, dann wäre jetzt der Zeitpunkt, sich aus der Kommission zu verabschieden.

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Jochen Stay

Jochen Stay, Jahrgang 1965, ist seit seinem 15. Lebensjahr aktiv in außerparlamentarischen Bewegungen, seit Wackersdorf 1985 in der Anti-Atom Bewegung und seit 2008 Sprecher von .ausgestrahlt.

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