EVU-Klagen und Kommission unvereinbar: Die fünfte Sitzung der Atommüll-Kommission (Teil 1)

11.11.2014 | Jochen Stay

.ausgestrahlt hat sich dagegen entschieden, an der Atommüll-Kommission teilzunehmen. Trotzdem wollten wir uns aus erster Hand informieren. Denn wenn schon Kritik, dann am besten aus eigenem Erleben. Deshalb verfolgt .ausgestrahlt-Sprecher Jochen Stay als „ständiger Beobachter“ die Sitzungen der Kommission. Hier seine Eindrücke von der fünften Sitzung der Kommission am 3. November 2014 in Berlin (Teil 1):

Die 5. Sitzung hat ein Vorspiel: Zu der dort geplanten Anhörung zur Evaluation des Endlagersuchgesetzes werden neben einem guten Dutzend Juristen, etliche davon in Diensten der Atomwirtschaft, auch drei scharfe Kritiker des Gesetzes aus den Reihen der Anti-Atom-Bewegung eingeladen. Doch Mathias Edler von Greenpeace, Martin Donat von der BI Lüchow-Dannenberg und ich von .ausgestrahlt sagen die Teilnahme ab, weil wir kein Vertrauen darin haben, dass unsere Argumente von der Kommission ernst genommen werden. Der komplette Absage-Brief hier.

Die Sitzung ist diesmal durchaus informativ – was sich ja über die bisherigen Sitzungen nur sehr begrenzt sagen lässt. Informativ allerdings in der Art, dass deutlich wird, warum das Endlagersuchgesetz und die Kommission nicht die geeigneten Mittel sind, um die Konflikte rund um die Atommüll-Lagerung zu überwinden.

Schwerpunkt der Sitzung war die Anhörung zur Evaluation des Endlagersuchgesetzes. Hier machen vor allem die Anwälte der AKW-Betreiber deutlich, dass es im Lager der Stromkonzerne null Bereitschaft gibt, vom einmal eingeschlagenen Weg Gorleben abzuweichen, außer die Kasse stimmt. Doch auf politischer Seite gibt es null Bereitschaft, die aufgelaufenen Milliarden-Kosten für Gorleben zu übernehmen. Deshalb bleibt der Standort im Boot.

Streit um die Klagen der AKW-Betreiber

Schon im Vorfeld der Sitzung sorgt die Klage-Welle der Stromkonzerne für Diskussionen. Die Liste der über 30 Klagen ist beachtlich: Gegen das Moratorium und die Stilllegung von acht AKW, gegen die Brennelementesteuer, gegen Vorauszahlungen für Gorleben und Schacht Konrad – und eben auch gegen den im Endlagersuchgesetz festgelegten Einlagerungsstopp für Castor-Behälter im Zwischenlager Gorleben. Bereits angekündigt ist eine weitere Klage gegen das Gesetz. Spiegel Online schreibt am 12. Oktober: „Aus ihrer Sicht besteht keine Notwendigkeit, eine Alternative zu dem erforschten Endlager für nukleare Brennstäbe in Gorleben zu suchen.“

Wieso, so fragen sich viele, sitzen die Stromkonzerne mit drei Vertretern (Fischer und Ott von Eon, Jäger von RWE) in der Kommission, die auf Grundlage dieses Gesetzes eine alternative Standortsuche machen soll, wenn sie gleichzeitig nichts vom neuen Suchverfahren halten und es vor Gericht kippen wollen?

Das Problem: Sollte es in der Kommission zu einem Konsens über das weitere Vorgehen kommen, so kann es sein, dass dieser von einem Gericht wieder gekippt wird. Hier stehen sich also zwei Verhandlungsebenen im Weg. Laut dem niedersächsischen Umweltminister Stefan Wenzel gibt es bezüglich der Castor-Lagerung sogar noch eine dritte Ebene: Nach seiner Information sind die Stromkonzerne in nicht-öffentlichen Gesprächen mit der Bundesregierung darüber, wie es mit den 26 noch aus dem Ausland erwarteten Castor-Behältern weitergeht. Welche Rolle hat dann überhaupt noch die Kommission?

Die Antwort ist bitter: Die wichtigen Entscheidungen fallen nicht in der Kommission. Sie wird weder von der Regierung noch von Eon, RWE und Co als Ort der Konfliktlösung anerkannt und ernst genommen. Nein, sie  dient lediglich für öffentliche Scheingefechte.

Unvereinbarkeit ohne Konsequenzen

VertreterInnen der Grünen, BUND und Umweltstiftung greifen Eon und RWE wegen deren Klagen an, erklären gar den juristischen Weg und die Mitarbeit in der Kommission für unvereinbar, um sich dann wieder dem Tagesgeschäft zuzuwenden – unter Beteiligung der Herren von den AKW-Betreibern, die leutselig erklären, dass sie keinen Widerspruch zwischen ihren Klagen und der Mitarbeit in der Kommission sehen. Die Diskussion wird dann einfach vertagt. Konsequenzen bleiben aus…

Übrigens ist die Anti-Atom-Bewegung an dieser Stelle deutlich konsequenter als die Stromkonzerne. Zwar lehnen auch wir das Gesetz ab, aber wir gehen dann eben auch nicht in die Kommission, die auf Basis des ungeeigneten Gesetzes arbeitet.

Der CDU-Abgeordnete Steffen Kanitz schlägt übrigens vor, das Gesetz „rechtssicher“ zu machen, weil sich dann die Klagen der AKW-Betreiber erübrigen würden. Er könnte auch gleich vorschlagen, die Eon- und RWE-Position direkt ins Gesetz zu schreiben.

Gewerkschaften pro Atomwirtschaft

Interessanter Nebenaspekt: Die Gewerkschafts-VertreterInnen in der Kommission stehen fest an der Seite der AKW-Betreiber. Erhard Ott von Verdi ist stellvertretender Vorsitzender des Eon-Aufsichtsrates. Und Edeltraud Glänzer (IG BCE) unterstützt in der Debatte um die Klagen die Position des Stromkonzerne. Ott hat, so erklärt er, kein Verständnis für das Fernbleiben von BI Lüchow-Dannenberg, Greenpeace und .ausgestrahlt. Nun, ich habe kein Verständnis dafür, dass der DGB einen Eon-Mann in die Kommission schickt.

Der Bericht zur 5. Kommissions-Sitzung wird fortgesetzt

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Jochen Stay

Jochen Stay, Jahrgang 1965, ist seit seinem 15. Lebensjahr aktiv in außerparlamentarischen Bewegungen, seit Wackersdorf 1985 in der Anti-Atom Bewegung und seit 2008 Sprecher von .ausgestrahlt.

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