Kosten für AKW-Abriss: Das dicke Ende kommt noch

17.11.2014 | Jan Becker

Altersbedingt sollen in den kommenden Jahrzehnten weltweit rund 200 Atomreaktoren stillgelegt werden. Die Internationale Energieagentur (IEA) rechnet mit gewaltigen Kosten von mehr als 100 Milliarden Dollar – und warnt davor, dass die betroffenen Länder, darunter auch Deutschland, darauf nicht ausreichend vorbereitet seien. Zudem gebe es weltweit kein Endlager für hochradioaktiven Müll.

In ihrem letzte Woche veröffentlichten jährlichen Ausblick schreibt die IEA, sie rechne „allein in den kommenden 25 Jahren“ damit, dass die Kosten für Rückbau und Entsorgung „100 Milliarden Dollar übersteigen“ werden, schreibt der SPIEGEL. Laut des „Power Reactor Information System“ der Internationalen Atomenergiebehörde IAEO befinden sich derzeit weltweit 438 in „betriebsbereiten“ Zustand. Damit betreffen die Stilllegungen bis 2040 fast jedes zweite AKW.

In Deutschland sollen nach derzeitigen Planungen bis 2022 alle neun noch laufenden Reaktoren vom Netz sein. Mehr als die Hälfte der Kosten würden auf Europa zukommen, wo sich Länder wie Deutschland, Belgien und die Schweiz von der Atomkraft verabschieden wollen, so die IEA. Die hohen Kosten seien ein „drängendes Thema, das berücksichtigt werden muss“, forderte Fatih Birol, Chefökonom bei der IEA. Er warnte die betroffenen Regierungen davor, die Kosten zu unterschätzen. Es gebe „beträchtliche Unklarheiten“ bezüglich deren endgültiger Höhe, da viele Länder bisher nur wenig Erfahrung mit der Stilllegung hätten. „Darauf sind wir nicht gut vorbereitet“, so Birol, denn in den vergangenen 40 Jahren seien lediglich zehn Reaktoren stillgelegt worden.

Dass die Zahlen aber auch nur wage Schätzungen sind und in Wahrheit noch viel höher liegen könnten, zeigt das Beispiel England. Wie die „tageszeitung“ kürzlich berichtete werden die Kosten für die Entsorgung des Atomkomplexes Sellafield, wo sich auch eine Wiederaufarbeitungsanlage befindet in die jahrzehntelang deutscher Atommüll gebracht wurde, allein auf 89 Milliarden Euro geschätzt.

In ihrem „Weltenergieausblick 2014“, in dem sich die IEA in diesem Jahr der von ihr weiter unterstützten „globalen Atomenergie“ widmet, rechnet sie mit einem globalen Anstieg der Produktion von Strom aus Kernspaltung. Insbesondere blickt die IEA auf die Länder China, Indien, Korea und Russland, wo sich die meisten Neubauprojekte befinden. Allein China hat 26 Blöcke „under construction“, in Indien sind es sechs. Weltweit seien es 71 Meiler in Bau – wobei allerdings auch Baustellen gezählt werden, wo sich seit 20 Jahren nicht mehr viel tut. In Europa baut aktuell nur Finnland und Frankreich – und das unter finanziell desaströsen Umständen. Ein weiteres AKW-Vorhaben in England soll daher massiv vom Staat subventioniert werden.

Der kritische „World Nuclear Industry Status Report“ kommt zu anderen Ergebnissen als die IEA: Die Bedeutung von Atomkraft nimmt weltweit ab. Nur noch 4.4 % der Energie werden weltweit aus Atomkraft produziert, so wenig wie zuletzt 1984.

In ihrem Bericht wies die IEA aber immerhin auch auf ein weiteres – eigentlich das zentrale Problem – hin, nämlich dass es auf der ganzen Welt kein einziges Endlager für hochradioaktiven Atommüll gibt. Bis zum Jahr 2040 werde sich dieser Atommüll auf rund 705.000 Tonnen gegenüber dem heutigen Abfallvolumen verdoppeln, so die IEA.

Zusammengefasst: Alles in allem Grung genug, den atomaren Wahnsinn sofort zu beenden.

  • Ganz viele Argumente gegen Atomkraft hier
  • Status Report: Atomstrom verliert an Bedeutung – weltweit
    1. August 2014 – Der Anteil der Atomkraft an der gesamten Stromproduktion nimmt weltweit ab. Dies dokumentiert der World Nuclear Industry Status Report 2014, der diese Woche in Washington publiziert wurde. – http://www.worldnuclearreport.org (englisch)

Quelle (Auszug): iaeo.org, spiegel.de, ingenieur.de, worldnuclearreport.org, taz.de; 10./12./14.11.2014

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Jan Becker

Jan Becker hat jahrelang die Webseite www.contrAtom.de betrieben und täglich aktuelle Beiträge zur Atompolitik verfasst. Seit November 2014 schreibt der studierte Umweltwissenschaftler für .ausgestrahlt. Jan lebt mit seiner Familie im Wendland. Mit dem Protest gegen regelmäßig durch seine Heimatstadt Buchholz i.d.N. rollende Atommülltransporte begann sein Engagement gegen Atomenergie, es folgten die Teilnahme und Organisation zahlreicher Aktionen und Demonstrationen.

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