30 Jahre nach Tschernobyl: Verstrahlte Pilze & Wildschweine

03.12.2014 | Jan Becker

Dass vor allem in Süddeutschland Wildpilze, Waldbeeren und Wildfleisch noch teilweise gefährlich hoch mit radioaktivem Cäsium belastet sind, belegen Untersuchungen des Umweltinstitut München. Fast 30 Jahre lang sammelt das Institut seit dem GAU von Tschernobyl Messergebnisse und stellt nun eine interaktive Landkarte zur Verfügung.

Cäsium-137 ist eine typische Hinterlassenschaft des Reaktorunfalls in der Ukraine und kam mit der radioaktiven Wolke, die über Deutschland in den Tagen nach Beginn des GAU nieder regnete. Die Halbwertzeit beträgt 30 Jahre – es ist nun also immer noch die Hälfte des C-137 vorhanden.

In der kürzlich veröffentlichten Karte können die gesammelten Werte nach Ort, Produktart und Zeitraum der Messungen individuell konfiguriert werden. So könne sich jeder interessierte Bürger selbst ein Bild machen, „ob der eigene Wohnort zu den belasteten Regionen gehört und wo eher mit geringer Belastung zu rechnen ist“, erklärt Christina Hacker, Vorstand im Umweltinstitut München. Die Datenbank werde künftig ausgebaut, so dass immer mehr Messpunkte in ganz Deutschland zur Verfügung stehen.

Besonders die Ergebnisse von Untersuchungen der Cäsium-Belastung von Wildschweinen in Bayern seien laut Hacker „alarmierend“: Mehr als 2.000 Proben wiesen eine Belastung über dem Grenzwert von 600 Bq/kg Cäsium auf, 141 Proben hätten sogar die 10.000er Marke überschritten. Wildfleisch mit einer Belastung bis zum fünfzigfachen des aktuellen Grenzwerts sei gefunden worden.

Aus dem sächsischen Vogtland meldet der „Mitteldeutsche Rundfunk“, dass im Zeitraum 1. September 2013 bis zum 31. August 2014 166 von 664 untersuchten Schwarzwildproben den Grenzwert von 600 Becquerel pro Kilogramm überschritten hätten. Eine Quote von 25 Prozent. Aus dem Kreis Lippe meldet das „Mindener Tageblatt“, dass in den von Privatleuten eingesandte Pilz-Proben 687 Becquerel pro Kilo – also auch deutlich mehr als der gesetzliche Grenzwert – gemessen wurden. Bei Überschreitung des Grenzwertes darf das Lebensmittel nicht mehr verkauft werden.

Peter Schütz, Sprecher des Landesamts für Umweltschutz in Nordrhein-Westfalen bestätigt, dass die Werte regional zum Teil noch immer relativ hoch seien – und das werde „auch lange noch so bleiben“. Weil sich Cäsium im Körper anreichert, sei beim Verzehr Vorsicht geboten – besonders für Kinder. Laut sächsischen Umweltministerium besteht aber keine Gefahr für Verbraucher, denn seit September 2012 seien die Jäger verpflichtet, das Fleisch erlegter Wildschweine auf Radioaktivität untersuchen zu lassen. Dadurch gelange kein radioaktiv belastetes Wildschweinfleisch in den Handel.

Leider ist es noch immer so, dass die Behörden kein Interesse an der Aufklärung der Bürgerinnen und Bürger haben, meint allerdings Christiane Hacker. Insofern „habe sich seit Tschernobyl nicht viel geändert“. Es sei aber die Pflicht der Behörden, die Menschen darüber zu informieren. Denn wer die Gefahren nicht kennt, könne sich auch nicht davor schützen.

Quellen (Auszug): umweltinstitut.de, mt.de, mdr.de; 24./27./28.11.

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Jan Becker

Jan Becker hat jahrelang die Webseite www.contrAtom.de betrieben und täglich aktuelle Beiträge zur Atompolitik verfasst. Seit November 2014 schreibt der studierte Umweltwissenschaftler für .ausgestrahlt. Jan lebt mit seiner Familie im Wendland. Mit dem Protest gegen regelmäßig durch seine Heimatstadt Buchholz i.d.N. rollende Atommülltransporte begann sein Engagement gegen Atomenergie, es folgten die Teilnahme und Organisation zahlreicher Aktionen und Demonstrationen.

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