Bundesanstalt verordnet Transportverbot für über 300 Castor-Behälter

28.04.2015 | Jan Becker

Über 300 Castor-Behälter, die teilweise mit den giftigsten Stoffen überhaupt beladen sind, dürfen nicht mehr bewegt werden. Ein Gutachten der Bundesanstalt für Materialprüfung (BAM) sieht Schwachpunkte bei der Fertigung und will die Sicherheit nicht mehr bestätigen.

Im Standortzwischenlager des AKW Emsland dürfen zwölf von 32 Behältern nicht mehr bewegt werden. Von den 31 Castoren, die in Biblis unter das Transportverbot fallen, sind 24 bereits mit Brennstäben beladen und stehen im Zwischenlager auf dem Werksgelände. Bundesweit sollen 315 Castoren betroffen sein.

Die Bundesanstalt für Materialprüfung (BAM) sieht bei der Fertigung dieser Transport- und Lagerbehälter an einem sensiblen Punkt Defizite: Bei der Prüfung der vier Tragzapfen wurde geschlampt. Laut des Hessischen Umweltministeriums handelt es sich um einen „Verstoß gegen die Prüfvorschrift“.

An den Tragzapfen werden die Behälter mithilfe eines Krans transportiert. Der Edelstahl, aus dem diese Zapfen gefertigt werden, muss vor der Verwendung per Ultraschall überprüft werden. Das soll verhindern, dass die Aufhängungen der über 100 Tonnen schweren Castoren beim Verladen brechen. Die Dokumentation dieser Prüfung habe bei Zapfen der „Völklinger Saarschmiede“ nicht wie vorgeschrieben stattgefunden, kritisiert das BAM. Ihre sichere Funktionsweise sei daher „derzeit von der BAM nicht bestätigbar” und die entsprechenden Behälter „für eine Handhabung zu sperren”. Allerdings könne das BAM auch nach einem halben Jahr Untersuchung nicht genau auflisten, bei welchen Tragzapfen Qualitätsprobleme bestehen und bei welchen nicht.

Die Betreiber der Kraftwerke sehen in dem Verbot kein Problem, denn die Behälter müssten „die nächste Zeit sowieso nicht bewegt werden“, sagt etwa Biblis-Kraftwerksleiter Horst Kemmeter mit Verweis auf eine fehlende „Entsorgungslösung“. Bis ein Atommüll-Lager gefunden ist, werden die Castoren höchstwahrscheinlich im Zwischenlager stehen bleiben. Die Genehmigungen gelten noch 30 bis 40 Jahre. Es gebe zudem keinen Hinweis auf „tatsächliche Qualitätsmängel“, so das hessische Ministerium. 92 vorsorglich an betroffenen, unbeladenen Behältern ausgetauschte Tragzapfen hätten in einer Nachprüfung laut Gesellschaft für Nuklearservice (GNS) und BAM die erforderliche Qualität ausgewiesen.

Doch so einfach wie die Betreiber die Situation darstellen, ist es nicht. Im Zusammenhang mit der Diskussion um Terrorschutz gab es zum Beispiel Gerüchte, dass die Behälter von den Zwischenlager-Betreibern sehr wohl bewegt worden seien. Oder was ist, wenn ein Defekt an einem der Castoren den Abtransport notwendig macht? Fraglich ist auch, wie es in Brunsbüttel weitergeht: Das Zwischenlager dort hat keine Lagergenehmigung mehr und eine Lösung für die dortigen Behälter ist nicht gefunden. Eine Verlagerung nach Brokdorf wurde bereits in Erwägung gezogen. Möglicherweise müssen also sehr wohl innerhalb der nächsten Jahre betroffene Behälter bewegt werden.

Für AtomkraftgegnerInnen stellt sich die Situation einfach dar: „Ohne Dokumentation, Klärung und Nachbesserung verbietet sich jeder Castor-Transport”, sagt etwa die BI Lüchow-Dannenberg. Von dem Problem in Biblis erfuhr die Öffentlichkeit übrigens erst, weil AktivistInnen des Anti-Atombündnis AK.W.Ende Bergstraße nachfragten.

weiterlesen:

  • Sicherheitsüberprüfungen und Einlagerungsstopp für Castor-Zwischenlager
    4. März 2015 — Nach der Aufhebung der Genehmigung für das Castor-Zwischenlager am Atomkraftwerk Brunsbüttel fordern AtomkraftgegnerInnen Konsequenzen für alle anderen vergleichbaren Lagerhallen in Deutschland. Es müssten unverzüglich „Sicherheitsüberprüfungen“ durchgeführt werden, fordert der BUND. Würden die Behörden die Problematik ernst nehmen, hätte das weitreichende Folgen.
  • Keine Lösung für Deutschlands größtes Atommüll-Lager
    21. April 2015 — AtomkraftgegnerInnen aus dem Süden schlagen Alarm: Am Standort Gundremmingen befindet sich das größte Atommüll-Lager Deutschlands und die „Entsorgung” der strahlenden Altlasten ist völlig ungewiss. Es bestätige sich die Befürchtung, „dass die Zwischenlager faktisch zu Endlagern werden“.

Quellen (Auszug): noz.de, morgenweb.de, bi-luechow-dannenberg.de; 18./23.4.2015

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Jan Becker

Jan Becker hat jahrelang die Webseite www.contrAtom.de betrieben und täglich aktuelle Beiträge zur Atompolitik verfasst. Seit November 2014 schreibt der studierte Umweltwissenschaftler für .ausgestrahlt. Jan lebt mit seiner Familie im Wendland. Mit dem Protest gegen regelmäßig durch seine Heimatstadt Buchholz i.d.N. rollende Atommülltransporte begann sein Engagement gegen Atomenergie, es folgten die Teilnahme und Organisation zahlreicher Aktionen und Demonstrationen.

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