AKW-Rückbau: Übertriebene Eile ist schädlich

23.11.2015 | Jan Becker

Gleich an drei Standorten wurde in den vergangenen Tagen über den „Rückbau“ der dortigen Atomanlagen diskutiert. Überall gibt es Probleme. Und überall beschweren sich kritische BürgerInnen über die Verharmlosung der Gefahren und dem Umgang mit Kritik durch die Behörden und den Betreiber Eon.

Als „unprofessionell und verharmlosend“ stellten AtomkraftgegnerInnen einen Vortrag zum Abriss des AKW Grafenrheinfeld in Bayern dar. Es sei eine „unerhörte Frechheit“, die Gefahren eines Rückbaus so zu verharmlosen. Bedenken seien „ins Lächerliche gezogen“ worden. Im Rahmen einer interkommunalen Gemeinderatssitzung der Mainbogengemeinden wurde von offizieller Seite zu dem heiklen Thema informiert.

In Grafenrheinfeld werden etwa 500.000 Tonnen Abfall anfallen, 99% davon sollen nach derzeitigen Plänen „freigemessen“ und in den Wertstoffkreislauf „zurückgeführt“ werden. Dieses Verfahren ist grundsätzlich umstritten und macht zudem viele nicht ungefährliche Transporte durch die Region nötig, warnen KritikerInnen. Die hochradioaktiven Brennelemente sollen in „Phase 1“ des Abbaus in Castorbehälter verpackt und in das nahe Standortzwischenlager gebracht werden. Glaubt man den BehördenvertreterInnen in Grafenrheinfeld, ist dieses pauschal „sicher“ gegenüber möglichen Terrorgefahren.

Außerdem werden etwa 4.000 Tonnen schwach strahlender Müll anfallen. Der soll in ein bundesweites Atommülllager für schwach- und mittelaktiven Abfall. Dabei schielt Betreiber Eon auf den niedersächsischen Standort Schacht Konrad. KritikerInnen in Grafenrheinfeld waren sich hingegen einig: Würde nach dem von Behörden- und Betreiberseite immer wieder betonten „aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik“ gehandelt, „dürfte es den Schacht Konrad gar nicht geben“.

Am Beispiel des Standorts Philippsburg wurde dann aufgezeigt, was von dem Mythos der „Grünen Wiese“ übrig bleibt: Vermutlich werden an allen Alt-AKWs Standortabfalllager und Reststoffbearbeitungszentren gebaut.

Unterweser: Übertriebene Eile ist schädlich
Auf einer weiteren Diskussionsveranstaltung wurde in der vergangenen Woche am niedersächsischen AKW-Standort Unterweser über dessen Abriss gesprochen. Neben umfassender inhaltlicher Kritik warnte Physiker Wolfgang Neumann vor „übertriebener Eile“ im laufenden Genehmigungsverfahren. Derzeit liegen die Rückbau-Pläne des Betreibers Eon öffentlich aus und BürgerInnen dürfen kritisieren. 400 Einwendungen wurden bereits gesammelt, die Frist endet Ende November. Die Erörterung soll schon im ersten Quartal 2016 stattfinden. Eon und die Genehmigungsbehörde könnten sich in so kurzer Zeit nicht „sorgfältig einarbeiten“ und damit eine „fundierte Diskussion“ führen, urteilt Neumann. Sollte der Erörterungstermin dennoch wie angekündigt im Februar stattfinden, „brauchen wir erst gar nicht hinzugehen“.

Genehmigungsprobleme am Standort Isar
Andere Probleme gibt es für Eon am bayerischen Standort Isar, wo Block 1 für den Abriss vorbereitet wird. Der Atomkonzern musste kürzlich einräumen, dass der in den eingereichten Genehmigungsunterlagen genannte Zeitrahmen bis zum „wesentlichen Abbruch“ bis 2026 nicht eingehalten werden kann. Grund dafür ist, dass die Erlaubnis fehlt die 1.700 Brennelemente im Lagerbecken des Reaktors in Castorbehälter zu verpacken und im Standortzwischenlager zu deponieren. Eons Pläne seien zeitlich „zu ehrgeizig“, meint das zuständige Umweltministerium Bayern.

weiterlesen:

  • Atom-Gefahren enden nicht – Positionen zum Umgang mit abgeschalteten AKW
    Mit dem Positionspapier „Abschaltung, Stilllegung und Rückbau von Atomkraftwerken” fordern 76 Umweltverbände, Initiativen und Anti-Atom-Gruppen aus dem gesamten Bundesgebiet höchste Sicherheitsanforderungen und umfassende Öffentlichkeitsbeteiligung bei Stilllegungen sowie die mittelfristige Lagerung sämtlicher radioaktiver Altlasten vor Ort. .ausgestrahlt ist Mitunterzeichner. – Zum Positionspapier [pdf]
  • Studie zum Freimessen von radioaktivem Müll
    22. Juli 2014 — Die im Auftrag des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) erstellte “Stellungnahme zu Defiziten der Regelung von Freigaben radioaktiver Stoffe in der Bundesrepublik Deutschland” beleuchtet das verdrängte Problem beim Rückbau von Atomkraftwerken.

Quellen (Auszug): sueddeutsche.de, mainpost.de, nwzonline.de; 19./20./22.11.2015

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Jan Becker

Jan Becker hat jahrelang die Webseite www.contrAtom.de betrieben und täglich aktuelle Beiträge zur Atompolitik verfasst. Seit November 2014 schreibt der studierte Umweltwissenschaftler für .ausgestrahlt. Jan lebt mit seiner Familie im Wendland. Mit dem Protest gegen regelmäßig durch seine Heimatstadt Buchholz i.d.N. rollende Atommülltransporte begann sein Engagement gegen Atomenergie, es folgten die Teilnahme und Organisation zahlreicher Aktionen und Demonstrationen.

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