Atommülllager in Salzgestein: Hauptargument für Gorleben ist „weggebrochen“

02.12.2015 | Jan Becker

Die bishierige Suche nach einem tiefengeologischen Lager für hochradioaktiven Atommüll verlief in Deutschland entlang der „Salzlinie“. Anstatt wie andere Länder auch alternative Gesteinsarten zu untersuchen, wurde unbeirrt seit über 40 Jahren am Standort Gorleben festgehalten. Laut einer neuen Studie eignet sich Steinsalz aber „äußerst schlecht“.

„Massiver den je“ stehe Salz als Medium für die Einlagerung hochradioaktiver Abfälle für lange Zeiträume nun in Frage, interpretieren AtomkraftgegnerInnen die Ergebnisse einer aktuell veröffentlichten US-Studie. Im Experiment als auch bei Untersuchungen hatten Geophysikern der University of Texas in Austin herausgefunden, dass Steinsalz entgegen bisheriger Annahmen zu durchlässig für eine effektive Abschirmung ist.

Durch natürliche, geologische Prozesse verformen sich Salzstöcke, so die im Wissenschaftsmagazin „Science“ veröffentlichten Studie. Bei bestimmten Temperatur- und Druckverhältnissen werde das Salz porös. Im Labor entstand ein Netzwerk an Mikrorissen bereits bei einem Druck von 100 Megapascal und 275 Grad Celcius – was normalen Bedingungen entspräche. Dadurch bilden sich winzige Kanäle in den kristallinen Formationen, durch die Wasser, andere Flüssigkeiten oder Gase einsickern könnten. Für ein Atommüllager dramatisch, denn nicht etwa die Behälter sollen für die Langzeitsicherheit sorgen, sondern Barrieren aus Gestein.

Bislang galten die Verbindungen zwischen Salzkristallen als „dicht“, solange sie nicht von Gängen und Stollen durchzogen sind. Deshalb wurde in der Vergangenheit immer wieder betont, der Salzstock Gorleben sei „unverritzt“. Steinsalz verhält sich plastisch und Hohlräume wie die geplanten Einlagerungskammern würden über die Jahre auf natürliche Weise zuwachsen und den Atommüll dann „für die Ewigkeit“ und „sicher“ einschließen. Die hervorragende Wärmeleitfähigkeit des Salzes könnte die Hitze des Strahlenabfalls ableiten.

Nun sprechen die US-WissenschaftlerInnen aber selbst bei unverritzten Salzstöcken von einer „potenziellen Durchlässigkeit“ und warnen, dass dieses Kriterium in die Entscheidung für Atommülllager einbezogen werden muss.

Das gilt besonders für Deutschland, wo seit den frühen 70er Jahren unbeirrt und zum Trotz aller Kritik für die Lagerung hochradioaktiver Abfälle allein auf Salz am Standort Gorleben gesetzt wurde. Mit dem „Neustart“ der Suche nach einem Atommülllager sollen in der Vergangenheit gemachte Fehler eigentlich revidiert werden. Anstatt wie damals einen Ort festzulegen erarbeitet nun die Such-Kommission des Bundestages Kriterien, wie die Auswahl eines Lagerstandortes erfolgen soll. Offiziell wird davon gesprochen, dass es in diesem Prozess keine „Vorfestlegungen“ auf ein Gestein oder einen Standort gibt. In wenigen Monaten will die Kommission ihre Empfehlungen aussprechen.

Atomlobby setzt unbeirrt auf Salzstock Gorleben

In der Debatte um eine „Lösung“ des Atommüllfiaskos ist der Salzstock von Gorleben immer wieder zentrales Thema, denn hier wurden in den letzten 40 Jahren bereits Fakten geschaffen. Unter dem Deckmantel der „wissenschaftlichen Erkundung“ versenkten die Befürworter des Standortes mehr als 1,6 Milliarden Euro in den Ausbau zu einem unterirdischen Atommmülllager. Und sie betonen auch heute noch: Gorleben wäre „sicher“.

Mit den aktuellen Ergebnisse der US-Studie ist ein Hauptargument für Gorleben vom Tisch: Langzeitsicherheit kann in Salzgestein nicht gewährleistet werden.

weiterlesen:

  • „Die Betroffenen werden schockiert sein“
    Michael Mehnert, Endlager-Experte, über geologische Kriterien, die Gorleben nicht ausschließen durften, und Pläne der Atommüll-Kommission, mögliche Standorte erneut im Geheimen auszuwählen.
  • Suche nach Atommüll-Lager: Atombranche setzt weiter auf Gorleben
    15. Juli 2015 — 25 Unternehmen aus der Atombranche protestieren gegen die Kostenbeteiligung an der Offenhaltung des Bergwerks Gorleben, darunter sogar staatliche Unternehmen und die Stadtwerke München. Offensichtlich setzen sie weiter auf eine Atommüllkippe im Wendland.
  • „Nationales Entsorgungsprogramm“ keine Lösung für Atommülldesaster
    14. August 2015 — Wie soll künftig der Atommüll entsorgt werden? Eine Antwort will das „Nationale Entsorgungsprogramm“ (NaPro) geben, das vom Bundesumweltministerium erarbeitet und kürzlich von der Bundesregierung abgenickt wurde. Der Bericht wurde bereits im Vorfeld erheblich kritisiert. AtomkraftgegnerInnen haben 70.000 Einwendungen gesammelt.

Quellen (Auszug): bi-luechow-dannenberg.de, taz.de, scinexx.de; 27.11./01.,02.12.2015

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Jan Becker

Jan Becker hat jahrelang die Webseite www.contrAtom.de betrieben und täglich aktuelle Beiträge zur Atompolitik verfasst. Seit November 2014 schreibt der studierte Umweltwissenschaftler für .ausgestrahlt. Jan lebt mit seiner Familie im Wendland. Mit dem Protest gegen regelmäßig durch seine Heimatstadt Buchholz i.d.N. rollende Atommülltransporte begann sein Engagement gegen Atomenergie, es folgten die Teilnahme und Organisation zahlreicher Aktionen und Demonstrationen.

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