Risiko Rückbau: „Freigemessene Abfälle“ aus Neckarwestheim im Fokus

22.02.2016 | Jan Becker

Sogenannte „freigemessene Abfälle“ aus dem Rückbau des Atomkraftwerks Neckarwestheim-1 sollen in den nächsten Jahren auf einer Bauschuttdeponie bei Ludwigsburg „entsorgt“ werden. Mit einem Infoabend setzen sich BürgerInnen mit dieser schwierigen Thematik auseinander. Die Ärzteorganisation IPPNW wirbt unterdessen für eine völlig andere Rückbauvariante.

Teaserbild Rückbau / Freimessen

Ende Januar warnte der IPPNW erneut vor dem Risiko, dass der Rückbau der Atomanlagen birgt: Beim Abriss stillgelegter Atomkraftwerke fallen neben stark strahlenden Abfall auch große Mengen Baumaterialien wie Stahl und Beton an, die geringfügig radioaktiv kontaminiert sind. Werden bestimmte Grenzwerte unterschritten, sollen diese Materialien auf Hausmülldeponien gelagert oder in den normalen Wirtschaftskreislauf eingespeist werden. Doch selbst eine geringfügige zusätzliche Strahlenbelastung „bedeutet ein gesundheitliches Risiko“, warnen die Experten. Die sogenannte Freigabe radioaktiven Materials sei daher „aus gesundheitlichen Gründen nicht akzeptabel“.

Ganz konkret könnte dieses Risiko für die Menschen von Schwieberdingen bei Ludwigsburg werden. Der Betreiber des Atomkraftwerks Neckarwestheim plant auf der dortigen „Inertstoffdeponie Am Froschgraben“ große Mengen der „freigemessenen“ Abfälle zu lagern.

Am Dienstag abend (23. Februar) findet in Schwieberdingen deshalb eine öffentliche Infoveranstaltung statt. Unter anderem wird dabei Dr. Werner Neumann, Gutachter und Energiepolitischer Sprecher des BUND Deutschland, seine Kritik am „offiziellen System der FREImessung“ erneuern. Franz Wagner, der u.a. in der Arbeitsgruppe „AtomErbe Neckarwestheim“ mitarbeitet, wird mit einem Vortrag „Vorfahrt für AKW- und Deponiebetreiber - Wo bleiben die Rechte der Bürger?“ die konkreten Möglichkeiten für Widerstand vor Ort untermauern.

Infoabend: Schwach radioaktive Abfälle auf der Schwieberdinger Deponie
Dienstag, 23. Februar 2016, um 19.30 Uhr in der Bruckmühle, Vaihinger Straße 23 in Schwieberdingen

Alle AKW-Betreiber haben sich für den zügigen Abriss der 2011 im Zuge der Fukushima-Katastrophe stillgelegten Meiler entschieden. Die Ärzteorganisation IPPNW fordert stattdessen den „unbefristeten, dauerhaften Einschlusses von Atomkraftwerken“. Ende Januar appellierten sie an Bundesumweltministerin Barbara Hendricks, diese Option für die zum Abriss anstehenden Anlagen wie Neckarwestheim-1 zu prüfen.

Anderer Umgang mit AKW-Altlasten

Bisher hat es diese Variante im Umgang mit der Altlast AKW in Deutschland nicht gegeben. Neben dem ”direkten Rückbau“ wurden zwei Anlagen - das AKW Lingen-1 und der Hochtemperaturreaktor Hamm-Uentrop - in einen „temporären Einschluss“ überführt. Dabei werden erst die Brennelemente und alle anderen radioaktiven Medien, Kühlmittel, Hilfsstoffe, Gase etc. sowie alle Brandlasten entfernt und anschließend der Reaktor für ca. 25 Jahre „zubetoniert“. In diesem Zeitraum verliert die Radioaktivität in Intensität, was den dann folgenden Abriss erleichtern soll. Abgeschlossen wurde in Deutschland ein solches Projekt allerdings bislang nicht.

Sofern es aber die Standortbedingungen am Atomkraftwerk und die  Standfestigkeit der verbleibenden Gebäudestrukturen zulassen, wäre ein dauerhafter Einschlusses als neue Variante einem Rückbau vorzuziehen, plädiert der IPPNW. Denn dadurch könnte die  Gefährdung der Bevölkerung minimiert werden.

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Quellen (Auszug): ippnw.de, 22.2.2016

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Jan Becker

Jan Becker hat jahrelang die Webseite www.contrAtom.de betrieben und täglich aktuelle Beiträge zur Atompolitik verfasst. Seit November 2014 schreibt der studierte Umweltwissenschaftler für .ausgestrahlt. Jan lebt mit seiner Familie im Wendland. Mit dem Protest gegen regelmäßig durch seine Heimatstadt Buchholz i.d.N. rollende Atommülltransporte begann sein Engagement gegen Atomenergie, es folgten die Teilnahme und Organisation zahlreicher Aktionen und Demonstrationen.

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