Genehmigung zum Rückbau von Neckarwestheim-1 erteilt

15.02.2017 | Jan Becker

Anfang Februar hat das baden-württembergische Umweltministerium die erste Stilllegungs- und Abbaugenehmigung für das AKW Neckarwestheim Block 1 erteilt. Atomkraftgegner*innen halten das für eine „grobe Fehlentscheidung“.

„Wir sehen darin eine atomindustrie-freundliche Fortführung der bisherigen Praxis der baden-württembergischen Atomaufsicht, Prüfungen und Kontrollen ganz im Sinne der EnBW durchzuführen“, so Herbert Würth vom Aktionsbündnis Castor-Widerstand Neckarwestheim.

AKW Neckarwestheim
Foto: contratom

Sämtliche Einwände der Bürger*innen gegen die Genehmigung seien „substanziell nicht berücksichtigt worden“, so die Aktivist*innen. Statt dem zentralen Minimierungsgebot der Strahlenschutzverordnung zu folgen, gelten nun auch beim Abbau des Reaktors großzügige Grenzwertfestsetzungen, die die EnBW praktisch nach Belieben ausschöpfen darf.

Streitpunkt bleibt weiterhin die Frage, ob es bei Radioaktivität eine „ungefährliche Dosis“ gibt. Im Fokus der Kritik steht damit das so genannte „Freimessen“, die Vermischung von Atommüll mit nicht-strahlenden Abfällen bis Grenzwerte unterschritten werden:

„Das führt zu einer gewollten Freisetzung großer Mengen Radioaktivität in unsere direkte Umwelt bis zur Verteilung in Gegenstände des alltäglichen Gebrauchs und Verwendung als Recycling-Beton“, kritisiert Stefan Mende-Lechler von der Initiative Anti-Atom Ludwigsburg.

Recycling-Beton: Ja, aber nicht aus dem AKW!

Die Arbeitsgemeinschaft AtomErbe Neckarwestheim verweist auf das Engagement der Landesregierung, die aus Umweltschutzgründen verstärkt die Verwendung von Recycling-Beton für Bauprojekte fördern will.

„Warum aber betreibt das Umweltministerium ein Spiel mit dem Feuer, indem es ausdrücklich auch AKW-Beton zum Recyceln zulässt, ohne die Nutzer des Recycling-Betons darüber zu informieren?“, fragt die Initiative.

Statt auf ein Verbot oder zumindest Transparenz setzt das Ministerium nur auf Verdünnung der Radioaktivität. Umweltminister Untersteller (Grüne) hatte in einem Schreiben betont, dass durch weitere Verdünnung im Betonherstellungsprozess das Endprodukt „gegenüber den freigegebenen Gesteinskörnungen eine geringere spezifische Aktivität besitzt.“ Atomkraftgegner*innen attestieren ihm deshalb Verantwortungslosigkeit.

Rückbau von Neckarwestheim-1 soll beginnen

Die EnBW plant derzeit mit den Rückbauarbeiten im März zu beginnen. Abgeschlossen werden soll das Projekt in zehn bis 15 Jahren. Der Atommüll verbleibt vorerst auf dem Gelände, hochradioaktive Brennelemente befinden sich noch im Reaktorgebäude.

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Quellen (Auszug): lkz.de, beobachternews.de, atomerbe-neckarwestheim.de; 9./10./13.2.2017

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Jan Becker

Jan Becker hat jahrelang die Webseite www.contrAtom.de betrieben und täglich aktuelle Beiträge zur Atompolitik verfasst. Seit November 2014 schreibt der studierte Umweltwissenschaftler für .ausgestrahlt. Jan lebt mit seiner Familie im Wendland. Mit dem Protest gegen regelmäßig durch seine Heimatstadt Buchholz i.d.N. rollende Atommülltransporte begann sein Engagement gegen Atomenergie, es folgten die Teilnahme und Organisation zahlreicher Aktionen und Demonstrationen.

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