Notstrom-Probleme in abgeschalteten AKW

25.07.2018 | Jan Becker

Selbst in einem abgeschalteten Atomkraftwerk muss die Stromversorgung zu jeder Zeit gewährleistet sein, damit Kühlpumpen die gigantischen Wärmemengen aus dem Reaktor transportieren und so ein Überhitzen verhindern. Aus diesem Grunde sind Notstrom-Probleme, wie sie kürzlich in Biblis und Brunsbüttel auftraten, immer heikel.

2011: Blockadeaktion des AKW Biblis
Foto: contratom
2011: Protestaktion vor dem AKW Biblis

Abgeschaltet = Risiko minimiert? Diese Gleichung gilt nicht für Atomkraftwerke! Auch die abgebrannten Brennstäbe produzieren noch Jahre nach ihrem aktiven Einsatz zur Stromerzeugung Nachwärme, die am Anfang zur Versorgung einer kleinen Stadt reichen würde. So findet in den aktuell von Störfällen betroffenen Meilern Brunsbüttel und Biblis Block B  schon seit Jahren kein Leistungsbetrieb mehr statt. Die Brennelemente wurden aus dem Reaktorkern entfernt und in ein spezielles Abklingbecken gebracht. Kühlwasserpumpen lassen das Wasser in diesen Becken zirkulieren und sorgen so dafür, dass sich die Brennelemente nicht überhitzen.

Die abgeschalteten Meiler werden heute vom externen Stromnetz zur so genannten „Eigenbedarfsversorgung“ mit Energie versorgt. Fällt in einem Atomkraftwerk etwa durch einen Defekt in einem Umspannwerk oder den Zuleitungen der Strom aus, springen umgehend Dieselaggregate im AKW an. So sollen die Kühlanlagen und Steuerungen weiterbetrieben werden. Wegen des Risikos eines schweren Störfalls durch Überhitzung der Brennstäbe, was zur Freisetzung von großen Mengen Radioaktivität führen kann, sind die Notstromanlagen mehrfach vorhanden.

Dabei handelt es sich um gigantische Motoren. Das Rolls-Royce-Tochterunternehmen MTU in Friedrichshafen lieferte 2014 zehn Diesel-Notstromaggregate für ein AKW in Weißrussland. Jeder dieser Motoren hat eine elektrischen Leistung von 6.300 Kilowatt, es handelt sich um die leistungsstärksten Aggregate, die diese Firma baut. Der Hersteller mit 50 Jahren Erfahrung im Bereich AKW-Notstrom-Technik wirbt damit, dass die Anlagen in „lediglich 10 Sekunden“ starten können.

Funktionstest nicht bestanden

Routinemäßig finden Prüfungen statt, damit die Motoren im Anforderungsfall auch schnell zur Verfügung stehen. Dabei kommt es immer wieder zu Auffälligkeiten, aktuell in Biblis Block B und Brunsbüttel.

Während der monatlichen Prüfung des Notstromdiesels 23EY30 D001 in Biblis wurde kürzlich der Meldegrenzwert „Temperatur Schmieröl ZU HOCH“ erreicht. Der Notstromdiesel wurde daraufhin von Hand abgeschaltet. Weil die Anlage als „sicherheitstechnisch wichtiges System“ eingestuft ist, handelt sich um ein meldepflichtiges Ereignis und die Atomaufsicht wurde informiert. Als Ursache wurden Leckagen im Kühlwasserstrang des Aggregates gefunden.

Im AKW Brunsbüttel sprang hingegen einer von drei Notstromdieseln gar nicht erst an. Ursache war laut Atomaufsicht Schleswig-Holstein „eine gelöste Leitung in der Startluftversorgung“. Der Start des Motors erfolgt über Druckluft. Erst wenn die Anlage eine Mindestdrehzahl erreicht hat, wird Kraftstoff eingespritzt.

Noch mehr Störungen

Das derzeit zur Jahreswartung abgeschaltete AKW Isar-2 meldete ebenfalls einen Störung in der Stromversorgung. Bei der Durchführung von wiederkehrenden Prüfungen an 220 Volt-Gleichrichtern seien zwei defekte Schaltgeräte festgestellt worden, berichtet Betreiber Preussen-Elektra (Eon). Eines dieser Schaltgeräte sei Bestandteil im Sicherheitssystem.

Im letzten deutschen Siedewasserreaktor Gundremmingen-C schaltete sich zudem bei einem Testlauf im Wasserstoff-Abbausystem vor wenigen Tagen ein Kompressor automatisch ab. Im AKW Grohnde wurde im Nebenkühlsystem eine „schwergängige Rückschlagklappe innerhalb einer von vier Redundanzen“ festgestellt, meldete die niedersächsische Atomaufsicht vergangene Woche.

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Quellen (Auszug): preussenelektra.de, kkw-gundremmingen.de, mtu-report.com, lampertheimer-zeitung.de, schleswig-holstein.de, umwelt.hessen.de, umwelt.niedersachsen.de; 17./20./23.7.2018

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Jan Becker

Jan Becker hat jahrelang die Webseite www.contrAtom.de betrieben und täglich aktuelle Beiträge zur Atompolitik verfasst. Seit November 2014 schreibt der studierte Umweltwissenschaftler für .ausgestrahlt. Jan lebt mit seiner Familie im Wendland. Mit dem Protest gegen regelmäßig durch seine Heimatstadt Buchholz i.d.N. rollende Atommülltransporte begann sein Engagement gegen Atomenergie, es folgten die Teilnahme und Organisation zahlreicher Aktionen und Demonstrationen.

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