Atom-Wasserstoff verhindern

05.08.2021 | Jochen Stay
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Foto: JohnAlexandr / iStock

Atom-Wasserstoff verhindern

Grüner Wasserstoff muss ausschließlich aus Erneuerbaren Energien produziert werden. Es darf keine Förderung von gelbem Wasserstoff und der damit verbundenen indirekten Förderung der Atomkraft geben. Ebenso muss es ein Importverbot von gelbem Wasserstoff geben, wozu auch eine eindeutige Klassifizierung notwendig ist

Im Grunde reicht ein einziges Argument aus, um deutlich zu machen, dass die Nutzung der Atomkraft keine gute Idee ist: Es ist einfach zu gefährlich. In der energiepolitischen Debatte der letzten Jahre zählten allerdings zusätzlich auch wirtschaftliche und technische Argumente.

Denn bereits seit einiger Zeit erschien es ausgemacht, dass die Atomenergie schon rein aus ökonomischen Gründen keine Zukunft hat. In einem marktwirtschaftlich organisierten System kann es sich kein Unternehmen mehr leisten, Atomkraftwerke zu bauen. Das rechnet sich einfach nicht. Neubauten entstehen nur noch in Atomwaffenstaaten oder aus geopolitischen Gründen. In beiden Fällen spielt der Preis keine Rolle.

Zudem taugen Atomkraftwerke nicht als Ergänzung zur wetterabhängigen schwankenden Produktion der Erneuerbaren Energien. Sie sind viel zu unflexibel, um im Energie-System der Zukunft sinnvoll eingesetzt zu werden.

Doch jetzt scheint die Atomindustrie einen Weg gefunden zu haben, um diese beiden Argumente praktisch auszuhebeln: Der aktuelle Hype um Wasserstoff als bedeutender Träger der zukünftigen Energieversorgung eröffnet ihr ganz neue Möglichkeiten.

Die Industriestaaten machen riesige Summen locker, um die Wasserstoffwirtschaft möglichst schnell aufzubauen. Wenn es den Atomstromern gelingt, an diese Fördertöpfe heranzukommen, dann könnte sich der Betrieb der Reaktoren plötzlich wieder rentieren. Sinnvoll ist das nicht, denn natürlich ist es viel günstiger, Wasserstoff mit Ökostrom herzustellen, als dafür teuren Atomstrom zu verwenden. Doch auf diesem Feld fallen Entscheidungen leider nicht immer nach ökonomischen Maßstäben, sondern danach, wer die größere Lobby-Power vorzuweisen hat.

Hinzu kommt, dass bei entsprechenden Wasserstoff-Produktionskapazitäten auch die mangelnde Flexibilität der Atomkraftwerke eine geringere Rolle spielen könnte. Denn wenn die Wetterverhältnisse für gute Erträge in Wind- und Solarkraftwerken sorgen, könnte – ausreichend große Elektrolyseur-Kapazitäten vorausgesetzt – nicht mehr vermarktbarer oder im Netz nicht mehr unterzubringender Atomstrom zur Produktion von Wasserstoff verkauft und auf diese Weise finanziert werden; dies würde die AKW auch von dem Zwang befreien, ihre Leistung flexibel der Nachfrage anzupassen.

Begründet mit der dringenden Dekarbonisierung von Luftfahrt, Stahl- und Chemieindustrie zöge die Atomkraft durch die Hintertür des Wasserstoff-Imports wieder in den deutschen Energiemix ein. Schon werden Pipelines zwischen Frankreich und Deutschland geplant, gefördert aus staatlichen Energiewende-Töpfen.

Das Problem: Dem Strom sieht man es nicht an, aus welcher Quelle er stammt. Und schon beim Ökostrom für Haushalts-Kund*innen wird durch munteren Zertifikate-Handel etwa aus deutschem Graustrom plötzlich grüner norwegischer Wasserkraftstrom, obwohl sich nur das Etikett geändert hat. Gleiches droht nun beim Wasserstoff.

Selbst wenn das Gas direkt mit dem Strom aus einem großen Windpark hergestellt würde und damit eindeutig „grün“ wäre, ändert das alleine nichts am gesamten Strommix. So gesehen ist ein Elektrolyseur zur Wasserstoff-Produktion auch nichts anderes als ein x-beliebiger anderer Stromverbraucher.

Entscheidend ist deshalb, dass das Ausbautempo der Erneuerbaren Energien an den zukünftigen Wasserstoff-Bedarf angepasst wird. Nur wenn entsprechend mehr Wind- und Solarkraftwerke entstehen, können wir wirklich von grünem Wasserstoff sprechen.

Die kommende Bundesregierung muss zudem verhindern, dass Wasserstoff-Import aus Ländern stattfindet, die Atomstrom produzieren. Und es darf zu keiner europäischen Förderung von Projekten kommen, die Atomenergie, Wasserstoffherstellung und -transport verbinden. Gelingt dies nicht, trüge Deutschland dazu bei, die wirtschaftlichen und technischen Rahmenbedingungen für Atomkraftwerke entscheidend zu verbessern.

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Jochen Stay

Jochen Stay, Jahrgang 1965, ist seit seinem 15. Lebensjahr aktiv in außerparlamentarischen Bewegungen, seit Wackersdorf 1985 in der Anti-Atom Bewegung und seit 2008 Sprecher von .ausgestrahlt.

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