AKW Unterweser „bereit zum Wiederanfahren“

07.07.2016 | Jan Becker

Weil die Klagen gegen den Atomausstieg nicht entschieden sind, ist das Atomkraftwerk Unterweser nach Auskunft der stellvertretende Leiterin des Kraftwerks „bereit zum Wiederanfahren". Dieser Zustand kann noch Jahre anhalten.

In einem Artikel der Nordwest-Zeitung beschreibt der Betreiber des norddeutschen Atomkraftwerks Unterweser, der nach der Aufspaltung des Mutterkonzerns seit kurzem „Preußen Elektra“ heisst, den Fortschritt bei den Vorbereitungen für den Rückbau des Reaktors. Die Kühlkreisläufe im Reaktorkern seien bereits entleert. Man warte auf Castor-Behälter, um im kommenden Jahr das Brennelementelagerbecken zu räumen. Preußen Elektra rechnet mit der Genehmigung des Rückbaus durch das Umweltministerium Ende 2016. Dann betont jedoch Susanne Engstler, stellvertretende Leiterin des Kraftwerks: „Wir sind aber bereit zum Wiederanfahren“. So lange, „wie noch nicht über eine Verfassungsbeschwerde der Energiekonzerne gegen den Atomausstieg entschieden ist.“

Verfassungsklage gegen Atomausstieg

16.3.16: Protest vor dem Bundesverfassungsgericht
Foto: ausgestrahlt.de
16.3.16: Protest vor dem Bundesverfassungsgericht

Der Atomkonzern Eon hat Deutschland vor dem Bundesverfassungsgericht verklagt. Es geht um die zwangsweise Abschaltung seiner alten Atomkraftwerke nach Beginn der Katastrophe von Fukushima: Auf Anordnung der Bundes- und Landesregierungen mussten die sieben ältesten Meiler und das AKW Krümmel sofort vom Netz. Für die verbliebenen neun setzt der Gesetzgeber feste Abschalttermine, im Jahr 2022 soll das letzte AKW abgeschaltet werden. Eon war mit den Meilern Unterweser und Isar-1 in Bayern betroffen - und verlangt dafür vom Bund Entschädigung.

Mitte März hat die Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe begonnen. Dort beklagen die Energiekonzerne den Atomausstieg an sich, der ihrer Ansicht nach eine „Enteignung“ darstelle. Nach Einschätzung von Rechtsexperten hätten die Energiekonzerne „durchaus Chancen“, weil bei dem eilig beschlossenen Ausstieg „handwerkliche Fehler“ gemacht worden seien. Der hessische Verwaltungs- und der Bundesverwaltungsgerichtshof gaben dem Betreiber des AKW Biblis Recht, dass dieser vor der Abschalt-Entscheidung „nicht ordnungsgemäß angehört“ worden war. Auch soll die rasche Kehrtwende der Politik von der im Oktober 2010 zugesicherten Laufzeitverlängerung zur Abschaltung der Meiler im März 2011 juristisch angreifbar sein.

Wie das Verfahren in Karlsruhe ausgeht, ist offen. Bekämen die Atomkonzerne Recht, wäre der Weg für Schadensersatzklagen in Höhe von bis zu 19 Milliarden Euro frei.

„Schaden entsteht nicht durch das Abschalten von Atomkraftwerken, sondern durch ihren Betrieb. Eon, RWE und Vattenfall sind keine Geschädigten, sondern Schadensverursacher: Ihre Reaktoren gefährden Leben und Gesundheit von Millionen Menschen. Und sie produzieren jeden Tag neuen Atommüll, der für Hunderttausende von Jahren sicher gelagert werden muss“, kommentierte Armin Simon von .ausgestrahlt den Prozessbeginn im März.

Landgericht Hannover: Keinen Anspruch auf Entschädigung

In einem eher unbedeutenden aber parallel laufenden Verfahren unterlag Eon kürzlich mit der Forderung auf 380 Millionen Euro Schadensersatz vor dem Landgericht Hannover: Schon im April hatte der Vorsitzende Richter Zweifel an der Argumentation des Atomkonzerns geäußert, weil sich der Konzern „nicht gegen die möglicherweise rechtswidrigen Staatsauflagen gewehrt habe“, könne er nachträglich keinen Schadenersatz verlangen.

Unterweser weiter im Standby

Ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts wird nach Einschätzung von Rechtsexperten „wohl nicht so schnell fallen“. Das Ergebnis könnte zwar historische Bedeutung haben. Doch bis dahin bleibt das Atomkraftwerk Unterweser offenbar weiter „bereit zum Wiederanfahren“.

weiterlesen:

Quellen (Auszug): nwzonline.de, spiegel.de, zeit.de; 15.3./4./7.7.16

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Jan Becker

Jan Becker hat jahrelang die Webseite www.contrAtom.de betrieben und täglich aktuelle Beiträge zur Atompolitik verfasst. Seit November 2014 schreibt der studierte Umweltwissenschaftler für .ausgestrahlt. Jan lebt mit seiner Familie im Wendland. Mit dem Protest gegen regelmäßig durch seine Heimatstadt Buchholz i.d.N. rollende Atommülltransporte begann sein Engagement gegen Atomenergie, es folgten die Teilnahme und Organisation zahlreicher Aktionen und Demonstrationen.

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