Westinghouse: Nächster AKW-Konzern vor dem Aus

01.02.2017 | Jan Becker

Der nächste Global Player im internationalen Atomgeschäft befindet sich in einer schweren Krise: Das japanisch/amerikanische Unternehmen Toshiba will künftig keine Atomkraftwerke mehr bauen, weil die finanziellen Risiken zu hoch sind.

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Foto: Tepco (Betreiber des AKW Fukushima Daiichi)
Fukushima: Ein Toshiba-Produkt

Vor knapp zehn Jahren hatte der Toshiba die US-Firma Westinghouse für gut fünf Milliarden Dollar gekauft, und wurde zu einem der größten globalen Player in der Atomindustrie. Doch spätestens seit März 2011 hat das Unternehmen, wie auch alle anderen Konzerne seiner Sparte, ein erhebliches Image-Problem: Nach dem Super-GAU von Fukushima wurden alle japanischen AKW vom Netz genommen; weltweit wurde an der Reaktor-Sicherheit gezweifelt. Der japanische Kraftwerksbauer baute zwei der drei havarierten Reaktoren von Fukushima und erhielt nach dem GAU vorerst keinen Auftrag mehr.

Aktienskurs um 40 Prozent eingebrochen

Die Rettung sollte aus den USA kommen: Dort gewann Westinghouse den Auftrag für zwei AKW-Neubauten vom Typ „AP1000“ am Standort Vogtle. Doch die Projekte verzögern sich und kosten mehr als erwartet. Im Streit um die höheren Kosten übernahm Westinghouse 2015 eine Baufirma des Projektpartners Chicago Bridge & Iron NV und verhandelte die Projekte neu. Doch diese Firma war weit weniger wert als zunächst angenommen. Toshiba spricht nun von möglichen Wertberichtigungen über mehrere Milliarden Dollar, die große Energiesparte Westinghouse könnte somit in die roten Zahlen rutschen.

Schon in 2015 betrug der Nettoverlust des Mutter-Konzerns etwa vier Milliarden Euro. Ein milliardenschwerer Bilanzskandal sorgte für zusätzliche Schwierigkeiten: Jahrelang waren Gewinne um insgesamt 1,15 Milliarden Euro zu hoch ausgewiesen worden, der höchste Verlust in der Firmengeschichte war die Folge. Vier japanische Treuhandbanken kündigten an, Entschädigungen für die Wertverluste zu erstreiten.

Ende März 2016 wurden 2,1 Milliarden Euro und damit den Großteil der Anteile am US-Atomkonzern Westinghouse abgeschrieben. Nach Bekanntwerden der Probleme in den USA brach im Dezember 2016 binnen weniger Tage der Aktienskurs um 40 Prozent ein. Ratingagenturen stuften die Kreditwürdigkeit des Konzerns herab.

Radikaler Kurswechsel angekündigt

Nun folgt offenbar ein radikaler Kurswechsel: Mitte diesen Monats will der Konzern nach Medieninformationen verkünden, dass er sich aus dem AKW-Neubaugeschäft zurückziehen wird. Künftig konzentriert sich Toshiba/Westinghouse auf den Verkauf von AKW-Technik und -Design. Doch die beiden Projekte in den USA sollen offenbar noch zu Ende geführt werden.

Um die Atomsparte zu retten, findet seit Monaten ein Ausverkauf statt. Nun kündigte Toshiba an, seine profitable Chipsparte in ein eigenes Unternehmen auszugründen und Anteile an Investoren zu verkaufen. Die Medizintechnik und ein Großteil der Verbraucherelektronik mit Fernsehern und PCs wurden bereits veräußert. Ein Anfang vom Ende: Toshibas ambitionierte Atomstrategie ist in jedem Fall vom Tisch.

Die Branche stirbt

Nur noch sehr wenige Firmen können sich weltweit an Ausschreibungen zum Bau von Atomkraftwerken beteiligen. Der französische AREVA-Konzern veräußert nach finanziellen Problemen mit Neubauten Teile seines AKW-Geschäfts.

Um Risiken zu mildern wird hingegen die Exportstrategie des russischen Konzern Rosatom/Atomstroiexport erheblich vom Staat unterstützt. Chinas AKW-Branche hat erst in den 90er Jahren begonnen, eigene Reaktoren zu entwickeln. Sie ist schnell gewachsen, weshalb es u.a. wegen der Beteiligung des chinesischen Konzerns China National Nuclear Corporation (CNNC) an einem Neubau in England erhebliche Bedenken gibt: „China hat nicht genug Erfahrung, um verlässlich einzuschätzen, ob es Unfälle geben könnte“, so He Zuoxiu, Atomtechniker aus China.

weiterlesen:

  • Französische Atomindustrie am Boden
    11.01.2017 – Die Stromversorgung in Europas Atom-Land Nummer 1 ist zur Zeit akut gefährdet, weil zahlreiche Reaktoren ausgefallen sind. Trotzdem hält Frankreich an der gefährlichen Technik fest: Die EU genehmigte kürzlich ein milliardenschweres Rettungspaket, mit dem der Atomkonzern AREVA gerettet werden soll.

  • Japanischer Atomkonzern Toshiba schwer angeschlagen
    17.12.2015 – Nach dem Absturz des französischen Atomkonzerns Areva steht es auch um den japanischen AKW-Hersteller Toshiba schlecht. Für ein Reaktorprojekt in England fehlt viel Geld. Doch statt sich von seinen Nukleargeschäften zu verabschieden, baut Toshiba lieber keine Fernseher.

  • Französischer Konzern AREVA verabschiedet sich vom Reaktorbau
    24.03.2015 — Das französische Atomunternehmen AREVA wird künftig keine Atomkraftwerke mehr bauen. Der Konzern, der sich mehrheitlich im Staatsbesitz befindet, ordnet nach herben Verlusten im letzten Jahr seine Geschäftspolitik neu. Grund für die schlechte Bilanz sind auch miserable AKW-Projekte.

Quellen (Auszug): handelsblatt.com, zeit.de, wikipedia.org, manager-magazin.de, welt.de; 11.8.,13.12.2015/26.04.,29.12.2016/1.2.2017

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Jan Becker

Jan Becker hat jahrelang die Webseite www.contrAtom.de betrieben und täglich aktuelle Beiträge zur Atompolitik verfasst. Seit November 2014 schreibt der studierte Umweltwissenschaftler für .ausgestrahlt. Jan lebt mit seiner Familie im Wendland. Mit dem Protest gegen regelmäßig durch seine Heimatstadt Buchholz i.d.N. rollende Atommülltransporte begann sein Engagement gegen Atomenergie, es folgten die Teilnahme und Organisation zahlreicher Aktionen und Demonstrationen.

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