Drohen Ahaus mehrere Castortransporte?

21.03.2018 | Jan Becker

Am 20. März 1998 rollte der erste - und bis heute einzige - Castor-Transport mit Brennelementen aus Atomkraftwerken ins Zwischenlager Ahaus. 23.000 Polizist*innen standen damals tausenden Demonstrant*innen gegenüber. Diese Szenen könnten sich bald wiederholen.

Zwischenlager Ahaus
Foto: contratom

Bund, Land und das Forschungszentrum Jülich starten nach Informationen der Aachener Zeitung den dritten Versuch, die 152 Atommüll-Behälter mit den 300.000 hochradioaktiven Brennelementkugeln über die Autobahnen von Nordrhein-Westfalen mitten durchs Ruhrgebiet nach Ahaus zu bringen. Dieses Vorhaben scheiterte schon zweimal am Widerstand von Atomkraftgegner*innen.

In einer aktuellen Stellungnahme aus Polizeikreisen heißt es: „152 Transporte über so eine große Wegstrecke in dem angegebenen Zeitraum sind mit dem derzeitigen Personal der Polizei nicht machbar“, so Volker Huß von der Gewerkschaft der Polizei.

Seit 2007 wird über den Verbleib des Atommülls diskutiert. Geprüft wurden bislang drei mögliche Lösungen: Ein Transport der Brennelemente nach Ahaus, ein Transport in die USA und der Bau eines neuen Zwischenlagers in Jülich. Bisher war der Eindruck, der USA-Export würde von den Verantwortlichen präferiert.

„Für Jülich ist von der Atomaufsicht NRW bereits seit Juli 2014 die unverzügliche Räumung angeordnet worden. Die Atomaufsicht des Landes muss nun sicherstellen, dass die JEN als Betreiberin dieser Anordnung auch unverzüglich nachkommt“, twitterte das Bundesumweltministerium am Wochenende.

Es gebe allerdings noch keine Entscheidung zum Verbleib der Behälter: „Nein, es wurden bislang keine abschließenden Festlegungen getroffen“, heißt es aktuell aus dem Bundesumweltministerium.

Atomkraftgegner*innen fordern, dass der Atommüll auf keinen Fall exportiert werden darf. Stattdessen solle in Jülich ein neues, erdbeben-sicheres Zwischenlager errichtet werden.

Kommt der Atommüll aus Garching?

Auch wenn über die Castoren aus Jülich offiziell noch keine Entscheidung gefallen ist, soll offenbar schon bald aus Garching in Bayern Atommüll anrollen. In der „Süddeutschen“ berichtet die Initiative „Bürger gegen Atomreaktor Garching“ von Plänen des dortigen Reaktorbetreibers, abgebrannte Brennelemente in das Atommülldepot in Ahaus zu bringen. Laut der Bürgerinitiative ist das Abklingbecken im Garchinger Reaktor fast voll. Der Abtransport der Brennelemente in Castoren soll deshalb „noch in diesem Jahr beginnen“, so eine Sprecherin der Initiative.

20 Jahre danach

Straßenschlachten, Wasserwerfer und ein spontanes Konzert der „Toten Hosen“. 10.000 Demonstrant*innen standen damals 23.000 Polizist*innen gegenüber. Teilnehmer*innen an zwei mehrstündigen Schienenblockaden wurden teilweise stundenlang in Polizeigewahrsam genommen – ein Vorgehen, das später von Gerichten für rechtswidrig erklärt wurde. Ahaus befand sich im März 1998 im Ausnahmezustand. Nordrhein-Westfalens damaliger Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) kritisierte den Castor-Transport als „nicht zu verantwortenden Unsinn“. Es sei absurd, Atommüll unter riesigem Polizeischutz quer durch die Republik zu fahren.

Nach der Anlieferung der sechs Atommüllbehälter aus den Atomkraftwerken Neckarwestheim und Gundremmingen beschloß die Bundesregierung den Bau von dezentralen Zwischenlagerhallen an den AKW-Standorten, die Errichtung einer zweiten Lagerhalle in Ahaus unterblieb.

Droht nun eine Wiederholung der Proteste? Der Widerstand im Münsterland gegen die angekündigten Castor-Transporte ist ungebrochen. Am Wochenende nahmen über 100 Aktivist*innen an einer Kundgebung teil und erinnerten an den ersten Castor-Transport.

weiterlesen:

  • Atommüll-Chaos: Keine Castoren nach Ahaus
    29.01.2018 - Erfolgreich hat die Stadt Ahaus verhindert, dass 152 Atommüll-Behälter im dortigen Zwischenlager angeliefert werden dürfen. Allerdings hat sich die USA bereiterklärt, einem illegalen Export zuzustimmen. Ein weiteres Kapitel im deutschen Atommüll-Chaos.

  • Castor-Alarm in Norddeutschland?
    13.03.2018 - Mit dem „Neustart“ der Suche nach einem Atommülllager wurde auch vereinbart, dass ins Wendland vorerst keine Castor-Transporte mehr rollen sollen. Statt dessen werden 26 Behälter mit hochgiftigen Abfällen auf Zwischenlager an AKW verteilt. Die erste Anlieferung könnte noch in diesem Jahr stattfinden.

Quellen (Auszug): twitter.com/bmub, sueddeutsche.de, ard.de, wdr.de, aachener-zeitung.de, PM Stop Westcastor, gorleben-archiv.de; 19.3.2018

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Jan Becker

Jan Becker hat jahrelang die Webseite www.contrAtom.de betrieben und täglich aktuelle Beiträge zur Atompolitik verfasst. Seit November 2014 schreibt der studierte Umweltwissenschaftler für .ausgestrahlt. Jan lebt mit seiner Familie im Wendland. Mit dem Protest gegen regelmäßig durch seine Heimatstadt Buchholz i.d.N. rollende Atommülltransporte begann sein Engagement gegen Atomenergie, es folgten die Teilnahme und Organisation zahlreicher Aktionen und Demonstrationen.

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