Das EPR-Fiasko - Teil 2

26.07.2018 | Jan Becker

Vor knapp einem Monat berichteten wir über Bauverzögerung im finnischen Olkiluoto, wo nach Willen der Atomlobby ein „Vorzeige-AKW“ gebaut werden soll. Nun heißt es von der zweiten EPR-Baustelle im französischen Flamanville: Baumängel, mindestens ein weiteres Jahr Verzögerungen und Mehrkosten.

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Ein deutsch-französisches Konsortium aus AREVA (heute wie damals Framatome) und Siemens priesen Anfang der 90er Jahre die neue Reaktorgeneration, den „Europäischen Druckwasserreaktor“ (EPR), als die Zukunft der Atomtechnologie an. Im finnischen Olkiluoto wurde 2005 mit dem Bau des ersten neuen Meilers in Europa nach Tschernobyl begonnen. Flamanville folgte Ende 2007. Versprochen wurde dort die „schlüsselfertige“ Errichtung und die Inbetriebnahme bis 2012 zu einem Festpreis von 3,3 Milliarden Euro.

Wie auch das finnische Projekt entwickelte sich schon in der Vergangenheit das französische AKW wegen fortschreitender Verzögerungen zu einem Milliardengrab. Die als Renaissance der Atomenergie gefeierten Projekte sind zu einem Fiasko für die beteiligten Firmen geworden. Mit ein Grund für den Bankrott von AREVA, einst eine der weltweit größten AKW-Firmen, die mit Steuergeldern vor dem Bankrott gerettet wurde.

Im Februar diesen Jahres teilte der Flamanville-Betreiber EdF mit, dass es Probleme mit Schweißnähten gebe. Zwei Monate später hieß es, die Probleme seien „schlimmer als erwartet“. Im Zusammenhang mit dem Besuch des deutschen Bundeswirtschaftsministers Peter Altmaier (CDU) beim französischen Umweltminister Nicolas Hulot wurden die Konsequenzen nun öffentlich: Die Mängel betreffen Schweißnähte im Sekundären Kühlkreislauf. Rund ein Fünftel der 150 Schweißnähte weist „Qualitätsabweichungen“ auf und muss repariert werden. Zwanzig weitere Nähte müssen neu verschweißt werden, weil sie den Qualitätsansprüchen nicht genügen.

EdF hat die Beladung des Reaktors mit Brennstäben erstmal auf das vierte Quartal 2019 verschoben. Rechnerisch ist mit einer Inbetriebnahme des Meilers nicht vor 2020  - also noch ein Jahr später als bisher bekannt - zu rechnen. Laut EdF steigen die Gesamtkosten um 400 Millionen Euro auf nun 10,9 Milliarden Euro. Da es sich um ein Unternehmen handelt, das sich mehrheitlich in Staatshand befindet, werden die Steuerzahler*innen zu Kasse gebeten.

Konsequenzen auch für das AKW Fessenheim

Die neuerliche Verzögerung wird wahrscheinlich dafür sorgen, dass das umstrittene älteste Atomkraftwerk des Landes in Fessenheim noch länger am Netz bleibt. Mithilfe eines „propagandistischen Meisterstückes“ ist es EdF gelungen vorzugeben, die Inbetriebnahme von Flamanville sei an die Schließung von Fessenheim gekoppelt. Das Gegenteil ist der Fall, sagen Atomkraftgegner*innen.

Auch in Frankreich ist Zeit für einen Schlussstrich

Ein Blick auf diese gigantischen Kosten entlarvt den Wahnsinn, der hier betrieben wird. Zehn Jahre Verzögerung und eine Verdreifachung der Kosten rechtfertigen es nicht, dieses angebliche „Prestigeprojekt“ auf Kosten der Steuerzahler*innen durchzusetzen. Wie alle anderen Meiler wird der EPR während des geplanten Betriebs zu einer Dauerbedrohung. Auch in den „neuen AKW“ existiert das „Restrisiko“ eines schweren Störfalls, das ganze Regionen unbewohnbar macht. Eine „Lösung“ für den unweigerlich entstehenden hochradioaktiven Atommüll hat Frankreich nicht.

Es ist an der Zeit für einen Schlussstrich. Unter die Projekte Flamanville und Olkiluoto - und unter die Risikoanlage Fessenheim.

weiterlesen:

  • Das EPR-Fiasko
    18.06.2018 - Die Bauverzögerung im finnischen Olkiluoto, wo nach Willen der Atomlobby ein „Vorzeige-AKW“ gebaut werden soll, beträgt nach einer Korrektur der Planungen mindestens ein Jahrzehnt. Zeit für einen Schlussstrich.

  • Fessenheim sofort schließen!
    05.06.2018 - Das älteste französische Atomkraftwerk soll nach Willen des Betreibers doch nicht zum Jahresende vom Netz gehen. Atomkraftgegner*innen sind empört und fordern mit einer „superprovisorischen Verfügung“ beim höchsten französischen Gericht die sofortige Fessenheim-Schließung!

  • Französische AKW in katastrophalem Zustand
    08.02.2018 - Neue Zwischenfälle bestätigen die These zweier Autoren: Es ist nicht mehr die Frage, ob in einem der 58 französischen Meilern ein schwerer Unfall möglich sei, sondern wann er passiert.

Quellen (Auszug): spiegel.de, dpa, wikipedia.org; 25.7.2018

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Jan Becker

Jan Becker hat jahrelang die Webseite www.contrAtom.de betrieben und täglich aktuelle Beiträge zur Atompolitik verfasst. Seit November 2014 schreibt der studierte Umweltwissenschaftler für .ausgestrahlt. Jan lebt mit seiner Familie im Wendland. Mit dem Protest gegen regelmäßig durch seine Heimatstadt Buchholz i.d.N. rollende Atommülltransporte begann sein Engagement gegen Atomenergie, es folgten die Teilnahme und Organisation zahlreicher Aktionen und Demonstrationen.

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