Deutsche Firmen weiter im internationalen Atomgeschäft tätig

06.09.2019 | Jan Becker

Obwohl Deutschland aus der Atomenergie aussteigt, verdienen hiesige Firmen sogar am Neubau der Hochrisikotechnik. Während Vorstandsvorsitzende dem Atomausstieg widersprechen, tragen deutsche Firmen eine Mitverantwortung für schwere Störfälle.

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Der einzige AKW-Neubau in Frankreich sorgte vor wenigen Wochen wieder einmal für Schlagzeilen. Am „Europäischen Druckwasserreaktor“ in Flamanville müssen umfangreiche Ausbesserungsarbeiten durchgeführt werden. Vom Betreiber, dem Staatskonzern EdF, wurde der deutsche Industriedienstleister Bilfinger SE angefragt, „die dort aufgetretenen Probleme mit den Schweißnähten zu lösen“. Rohrverbindungen zwischen dem nuklearen Teil und dem Stromgenerator seien „unsere Spezialität”, so Vorstandsvorsitzender Tom Blades. Es gebe weltweit „nicht viele Unternehmen, die meterdicke Rohre mit einer Wandstärke von 20 Zentimetern schweißtechnisch so im Griff haben wie wir“.

Blades sorgte dafür, dass sein Konzern einen Fokus auf technische Dienstleistungen für die Atomindustrie richtet. Er selbst bekräftigt, dass „Klimaschutz ohne Atomkraft nicht funktionieren wird“ und setzt deshalb auch auf den Neubau von Atomkraftwerken - unter Beteiligung seiner deutschen Firma.

Doch der Konzern wird zumindest bei seiner Arbeit in Flamanville unter enormem Druck stehen. Der Bau des Meilers dauert schon zwölf Jahre, geplante Inbetriebnahme war 2012. Die ursprünglich angenommenen Kosten haben sich auf 10,9 Milliarden Euro verdreifacht. Heute heißt es, dass nicht vor 2023 mit einem Start des Reaktors gerechnet wird.

„Neue innovative Lösungen“

Bilfinger verdient nicht nur in Flamanville Geld mit Atomtechnik. Auch an der Überholung aller 58 französischen Reaktorblöcke ist der Konzern beteiligt. Selbst mit Atommüll will der Konzern „international verdienen“. Vor zwei Jahren gab Bilfinger bekannt, dass eine Anlage zur Konditionierung von radioaktiven Abfällen an das neue AKW Hinkley Point in England geliefert werde. In Schweden ist Bilfinger an der Entwicklung einer Einkapselungsanlage für abgebrannte Brennelemente am Standort Oskarshamn beteiligt.

Von einer „Millioneninvestition“ spricht auch die Nürnberger Schminke-Gruppe an ihrem Standort Thurnau. Dort werden Krananlagen und Fördertechnik hergestellt, die auch in Atomkraftwerken zum Einsatz kommen. Die Hälfte aller deutschen Meiler ist von dem Unternehmen mit Spezial-Equipment ausgerüstet worden, so Geschäftsführer Gottwald. Besonders für den Abriss von Reaktoren entwickle man „neue innovative Lösungen“, Abnehmer gebe es europaweit.

Reaktorpumpen made in Germany

Im Atomgeschäft tätig ist auch die in Frankenthal (Pfalz) ansässige Firma KSB SE & Co. KGaA. Mit der Herstellung von Hauptkühlmittelpumpen unterstützt der börsennotierte Konzern den Neubau von Atomkraftwerken direkt - mit seiner „führenden technologischen Stellung im Nuklearmarkt”, denn „KSB-Pumpen sorgen für sichere Primär- und Sekundärkreisläufe“, schreibt das Unternehmen auf seiner Webseite. In 200 Atomkraftwerken weltweit kommen über 5.000 Pumpen zum Einsatz.

Kürzlich ist „nach zehnjähriger Entwicklungszeit“ eine spezielle Pumpenbaureihe für den chinesischen Markt zertifiziert worden. Fünf dieser großen Hauptkühlmittelpumpen sind für zwei CAP-1400-Demonstrationseinheiten am Standort Shidaowan bestellt worden. Ein Teil des Auftrags wird laut KSB am Hauptsitz in Frankenthal gefertigt, der andere Teil in Shanghai.

Firmen tragen Mitverantwortung

Sich als deutsches Unternehmen nicht mit den politischen Wertevorstellungen seines eigenen Landes zu identifizieren - bzw. dem Atomausstieg sogar zu widersprechen, ist die eine Seite. Die andere ist aber, dass die Konzerne zugunsten von Millionengewinnen Hochrisikotechnologie unterstützen, die unseren Sicherheitsauflagen nicht genügen. Die Bedingungen beim Bau und die Vorkehrungen gegen schwere Unfälle sind in China undurchsichtig bis zweifelhaft, auch wenn das Land jetzt ausgerechnet das erste Weißbuch der Volksrepublik dem Thema „Chinas Atomsicherheit“ gewidmet hat. Kommt es in einem der AKW zum GAU, tragen deutsche Unternehmen eine Mitverantwortung.

Verbraucherboykott wirkt

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Postkarte zum Siemens-Boykott

Nun kaufen wir nicht täglich irgendwelche Reaktor-Spezial-Kräne. Dennoch hat in der Vergangenheit der Einfluss von Verbraucher*innen auf Konzernpolitik gewirkt. Im Herbst 1997 musste der damalige Vorstandsvorsitzende von Siemens, Dr. Heinrich von Pierer, zugeben, das Atomgeschäft mache nur 2% des Umsatzes bei Siemens aus, sorge aber für 90% des Ärgers. Atomkraftgegner*innen hatten über die Beteiligung an Reaktorbauten informiert und zum Boykott der Firma aufgerufen.

weiterlesen:

  • Atomdeal in der Slowakei: Deutscher Braunkohlekonzern Mibrag beteiligt
    08.01.2016 - Die tschechische Muttergesellschaft der Mitteldeutschen Braunkohlengesellschaft mbH (MIBRAG) will große Anteile des slowakischen AKW-Betreibers Slovenské Elektrárne (SLE) übernehmen. Vereinbart ist auch die Fertigstellung von zwei umstrittenen Reaktoren am Standort Mochovce.

  • Französische Atomindustrie in der Sackgasse
    03.07.2019 - Die Fertigstellung des Prestigereaktors EPR verzögert sich weiter, schon in der Bauphase häufen sich Mängel. Parallel nimmt die Ablehnung der Franzosen gegen die Risikotechnik zu.

Quellen (Auszug): nuklearforum.ch, fnweb.de, welt.de, kurier.de, de.wikipedia.org, ksb.com

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Jan Becker

Jan Becker hat jahrelang die Webseite www.contrAtom.de betrieben und täglich aktuelle Beiträge zur Atompolitik verfasst. Seit November 2014 schreibt der studierte Umweltwissenschaftler für .ausgestrahlt. Jan lebt mit seiner Familie im Wendland. Mit dem Protest gegen regelmäßig durch seine Heimatstadt Buchholz i.d.N. rollende Atommülltransporte begann sein Engagement gegen Atomenergie, es folgten die Teilnahme und Organisation zahlreicher Aktionen und Demonstrationen.

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