Atomkraft made in Germany

29.10.2019 | Armin Simon

Firmen aus Deutschland sind längst nicht nur beim Abriss von Atomanlagen und der Behandlung von Atomabfällen aktiv. Etliche leisten auch ihren Beitrag zum Bau neuer AKW – weltweit. Eine Übersicht, sicher nicht komplett.

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Auswahl einiger Konzerne, die im internationalen Atomgeschäft tätig sind

Mit Pumpen kennen sie sich aus bei KSB. Die kleinen Exemplare, Heizungsumwälzpumpen etwa, gibt’s im Onlineshop. Die großen sind meterhohe, tonnenschwere Apparate, die große Mengen radioaktives Wasser durch den Reaktorkern von Atomkraftwerken pressen können. Der Mittelständler aus Frankenthal in der Pfalz mit 15.000 Beschäftigten weltweit und einem Jahresumsatz von mehr als 2 Milliarden Euro rühmt sich seiner „führenden technologischen Stellung im Nuklearmarkt“: Mehr als 270 AKW rings um den Globus sind mit Pumpen und anderen Komponenten von KSB ausgestattet, darunter die in Bau befindlichen EPR-Meiler in Olkiluoto (Finnland) und Flamanville (Frankreich), die vier Reaktoren, die in den Vereinigten Arabischen Emiraten entstehen, sowie zahlreiche Anlagen in China. Um vom dortigen AKW-Boom zu profitieren, gründete das Unternehmen eigens ein deutsch-chinesisches Atom-Joint-Venture in Shanghai. In diesem Jahr konnte es schon zwei Großaufträge vermelden, Hauptkühlmittelpumpen für in Bau befindliche chinesische AKW. Die Produktion erfolgt in Frankenthal und China, im Blick hat KSB nicht nur den originär chinesischen Markt, sondern auch Länder wie Großbritannien, in denen die chinesische Atomindustrie ebenfalls AKW errichten will.

Hoffen auf AKW-Neubauten

Made in Germany: Hauptkühlmittelpumpe für chinesisches AKW
Foto: ksb
Made in Germany: Hauptkühlmittelpumpe

Der Anlagenbauer Kraftanlagen Heidelberg, der Atomtechnik-Teil der Kraftanlagen Gruppe (Jahresumsatz 370 Millionen Euro), die wiederum zum französischen Bouygues-Konzern gehört, ist nicht nur mit AKW-Abriss und Abfallbehandlung beschäftigt und an etlichen Umbau- und Reparaturarbeiten in AKW im In- und Ausland beteiligt. Er entwickelt auch Komponenten für neue Atomanlagen: Für den Milliarden an Forschungsgeldern verschlingenden Kernfusions-Experimentalreaktor ITER im südfranzösischen Cadarache etwa zur Rückgewinnung radioaktiven Tritiums aus kontaminiertem Prozesswasser.

Der Krefelder Maschinenbauer Siempelkamp, unter anderem ebenfalls am Bau des AKW Olkiluoto beteiligt, hat seine Nukleartechnik-Tochter zwar 2016 dem Namen nach aufgelöst und angekündigt, sich atomtechnisch nur noch auf die Begleitung des Atomausstieges konzentrieren zu wollen. Von den 700 Millionen Euro Jahresumsatz entfallen nach Unternehmensangaben 25 Millionen auf den Bereich „Kerntechnik“. Die aktuelle Firmenbroschüre preist allerdings den internationalen Atomtechnik-Markt, „auf dem Siempelkamp mehr und mehr aktiv ist“, und zwar sowohl für Service- und Ingenieursleistungen als auch als Lieferant von AKW-Komponenten. Darunter sind auch solche, die nur in neu gebauten Reaktoren zum Einsatz kommen. Aus der Siempelkamp-Gießerei (Jahresumsatz: 89 Millionen Euro) stammen zudem die Castor-Behälter für hochradioaktiven Atommüll, die ebenfalls weltweite Nachfrage erfahren.

Auch der Industriedienstleister Bilfinger aus Mannheim, Jahresumsatz 1,1 Milliarden Euro und bis vor wenigen Jahren geführt vom ehemaligen hessischen CDU-Ministerpräsidenten und Atom-Fan Roland Koch, will ein Stück vom großen AKW-Rückbau- und Atommüll-Behandlungs-Kuchen abhaben. Er sehe aber auch eine steigende Nachfrage nach Modernisierung und Neubau kerntechnischer Anlagen, verkündet der Vorstandsvorsitzende Tom Blades. Energie – einschließlich Atomkraft – ist eines der sechs Geschäftsfelder, auf die er den Konzern fokussieren will. Beim britischen Neubau-Projekt Hinkley Point ist Bilfinger ebenso wie im finnischen Olkiluoto über seine mit Nukleartechnik befasste Tochter Bilfinger Noell (früher: Babcock Noell) in Würzburg beteiligt. Vor Kurzem bekam er auch beim französischen AKW-Neubauprojekt Flamanville seinen Fuß in die Tür: Er soll die von der französischen Atomaufsicht beanstandeten fehlerhaften Schweißnähte am Sekundärkreislauf des in Bau befindlichen Reaktors reparieren.

Auftritt im Konsortium

Der Münchner Elektrokonzern Siemens, dessen Gründer den Dynamo erfunden und so den Bau großer Kraftwerke erst ermöglicht hat, mischte auch im Atombereich von Anfang an mit. Seine frühere Kraftwerkstochter KWU hat nahezu alle AKW in Deutschland und etliche im Ausland errichtet. Atomkraftgegner*innen nutzten die Tatsache, dass Siemens zugleich mit Haushaltsgeräten, Konsumelektronik und Medizintechnik Geld verdiente, und riefen ab Anfang der 1990er-Jahre zum „Siemens-Boykott“ auf, Motto: Kauf keinen Herd bei einer Firma, die Atomkraftwerke baut. Der jahrelange öffentliche Druck und das negative Image trugen mit dazu bei, dass der Konzern seine Nuklearsparte 2011 schließlich vollständig an den französischen Atomkonzern und Joint-Venture-Partner Areva verkaufte. Die Finger im Atomgeschäft hat er allerdings trotzdem noch: Die Kraftwerks-Sparte von Siemens stattet weiterhin auch AKW aus. Der in Bau befindliche EPR-Reaktor im finnischen AKW Olkiluoto erhält etwa seine Dampfturbinen von Siemens. Und beim bisher nur geplanten finnischen AKW-Neubauprojekt Hanhikivi tritt Siemens mit seiner früheren Atom-Sparte (heute: Framatome) gar im Konsortium auf: Framatome soll demnach die Sicherheitssysteme, Siemens die übrige Leittechnik des AKW liefern.

Framatome wiederum, wie der größte Teil des französischen Atomkonzerns Areva inzwischen heißt, ist mit 3,3 Milliarden Euro Jahresumsatz und 14.000 Beschäftigten einer der größten Atomkonzerne weltweit. Über seinen deutschen Ableger in Erlangen bietet er alle möglichen AKW-Dienstleistungen weltweit an, darunter auch „Alterungsmanagement“, um Uralt-AKW noch länger am Netz zu lassen.

Nicht zuletzt sind die Technischen Überwachungsvereine bemüht, Atom-Aufträge aus dem Ausland zu akquirieren. Der TÜV Süd etwa wirbt auf seiner internationalen Website mit Hilfe bei „Entwurf und Bau von Atomkraftwerken“, bei ihrer Genehmigung und bei der „Stärkung des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Sicherheit der AKW“. Der TÜV Nord ist unter dem Label „TÜV NORD Nuclear“ im Ausland aktiv; auch er bietet unter anderem „Errichtungsbegleitung“ und „Inbetriebsetzung“ von AKW an, etwa in der Türkei, wo er im kommenden Jahr als „Silber“-Sponsor einer AKW-Messe in Istanbul auftritt.

Dieser Artikel erschien zuerst im .ausgestrahlt-Magazin Ausg. 45 (Ende 2019)

 

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Armin Simon

Armin Simon, Jahrgang 1975, studierter Historiker, Redakteur und Vater zweier Kinder, hat seit "X-tausendmal quer" so gut wie keinen Castor-Transport verpasst. Als freiberuflicher Journalist und Buchautor verfasst er für .ausgestrahlt Broschüren, Interviews und Hintergrundanalysen.

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