Eine Welt voller kleiner Meiler?

10.11.2022 | Jan Becker
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Im Kampf gegen den Klimawandel, für vermeintlich günstige Energie und zur Versorgung abgelegener Regionen setzen weltweit Länder auf die Entwicklung „kleiner Atommeiler“. Was die Atomlobby als Zukunft preist, beschreiben Kritiker als das letzte Aufbegehren einer sterbenden Branche.

Ob Tschechien, Kanada, Frankreich, China, Russland, USA oder auch von vereinzelten Stimmen in Deutschland gefordert: Die Hoffnung für die Wiederbelebung der Atomkraft liegt nicht im viel zu teuren Bau von Großkraftwerken mit 1000 Megawatt Leistung – sondern auf sogenannten Small Modular Reactors (SMR). Diese Kraftwerke sollen in großer Stückzahl jeweils einen Bruchteil der Energie eines großen Atomkraftwerkes produzieren. Es handelt sich um „Druckwasserreaktoren mit dem gleichen Funktionsprinzip wie bei größeren Reaktoren, aber mit geringerer Leistung“, erläutert der tschechische Energiekonzern ČEZ, der derzeit großes Interesse am Bau einer solchen Anlage hat. Der Standort Temelin solle sich besonders für ein solches Kraftwerk eignen, so ČEZ. Unverständnis kommt aus Bayern, es sei deshalb „absolut nachvollziehbar“, dass die Ankündigung des Ausbaus von AKW-Kapazitäten in Grenznähe für Diskussionsbedarf in der Bevölkerung sorge, heißt es aus dem Wirtschafts- und im Umweltministerium. Die Grenzregion dürfe nicht zum „Versuchslabor für unausgereifte Reaktortechnik werden“, so Florian Siekmann, europapolitischer Sprecher der Grünen im bayerischen Landtag.

SMR könnten „eine bedeutende Rolle bei der Verringerung der zukünftigen Emissionen Kanadas spielen, die Energieunabhängigkeit kleinerer Gemeinden im Norden ermöglichen und die Entwicklung abgelegener Rohstoffprojekte fördern“, heißt es aus Nordamerika. Womit wir bei einem weiteren Knackpunkt gelandet sind: Das beteiligte Unternehmen Kiplin Metals will in der abgelegenen Region Athabasca-Becken im Norden von Saskatchewans neue Uranvorkommen erschließen – und braucht dafür eine Energiequelle. Nachdem die Internationale Energieagentur Kanada aufgefordert hatte, den Einsatz von kleinen, modularen Reaktoren für Ende dieses Jahrzehntes zu planen, stellt nun eine Bank fast eine Milliarde Euro für deren Entwicklung zur Verfügung.

Doch die SMR-Idee ist alles andere als neu, sie stammt aus den 50er Jahren, als man von nuklear-betriebenen Autos träumte und findet heute zum Beispiel in Atom-U-Booten Anwendung. Was hingegen neu ist, ist die Idee diese „kleinen Meiler“ in großer Stückzahl über das ganze Land verteilen zu wollen. Um zum Beispiel auch abgelegene Regionen oder sogar Kriegsschauplätze mit Energie zu versorgen. Nach Angaben der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) gibt es weltweit etwa 50 SMR-Designs und -Konzepte, einige davon sogar mobil. Die meisten von ihnen befinden sich allerdings in verschiedenen, meist frühen Entwicklungsstadien. Selbst die Atombranche reagiert an der Stelle zurückhaltend: „Wir verfolgen die Entwicklung. Bis KKWs mit neuer Technologie verfügbar sind, dauert es allerdings noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte.“ antwortet der Schweizer Energiekonzern BKW auf einen Tweet des Nuklearforum Schweiz.

Alles sicher, alles sauber?

Nach Ansicht des Öko-Instituts entsprechen die Darstellungen der SMR-Herstellerfirmen nicht der Realität. Zum Beispiel werde das Risiko klein geredet. Die angebliche Sicherheit beruht hauptsächlich darauf, dass jeder einzelne Reaktor aufgrund seiner Größe weniger radioaktives Material enthält. Diese geringe Menge an radioaktivem Material und passive Sicherheitskonzepte sollen dazu führen, dass bei einem Unfall nur ein sehr kleiner Bereich betroffen wäre. Laut einem Gutachten des Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) kann die Kontamination im Ernstfall allerdings weit über das Anlagengelände hinausreichen. In einer mit Reaktoren übersäten Welt werden Unfälle und Terrorangriffe unter dem Strich wahrscheinlicher. Durch die geplante große Verbreitung steigt auch die Gefahr, dass nukleares Material oder Know-how in die falschen Hände gerät. Um die Kosten gering zu halten, wird bei manchen Designs an redundanten Sicherheitsmaßnahmen gespart. Auch darf nicht vergessen werden, dass alle Meiler Atommüll produzieren – für den es weltweit kein sicheres Lagerungskonzept gibt.

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Jan Becker

Jan Becker hat jahrelang die Webseite www.contrAtom.de betrieben und täglich aktuelle Beiträge zur Atompolitik verfasst. Seit November 2014 schreibt der studierte Umweltwissenschaftler für .ausgestrahlt. Jan lebt mit seiner Familie im Wendland. Mit dem Protest gegen regelmäßig durch seine Heimatstadt Buchholz i.d.N. rollende Atommülltransporte begann sein Engagement gegen Atomenergie, es folgten die Teilnahme und Organisation zahlreicher Aktionen und Demonstrationen.

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