Ein Jahr ohne AKW – Wie gut!

11.04.2024 | Julian Bothe
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Foto: Lars Hoff

Das Abschalten der letzten deutschen AKW am 15. April 2023 war gut für die Menschen in Deutschland, vermindert die atomaren Gefahren und macht den Weg frei für die Energiewende.

Ein Jahr nach dem sogenannten „Atomausstieg“ mischen deutsche Firmen zwar immer noch fleißig im weltweiten Atomgeschäft mit – aber die deutschen Meiler sind und bleiben vom Netz. Die Gefahr eines atomaren Super-GAU in Deutschland ist gebannt. Es wird kein neuer Atommüll mehr produziert. Und es ist endlich der Weg frei für eine Vollversorgung aus erneuerbaren Energien. Das zeigte sich auch bereits in den letzten 12 Monaten: Die Kohleverstromung war so niedrig wie seit Jahrzehnten nicht mehr, während die Erneuerbaren neue Rekorde erreichen.

Atomgefahren verringert

Die letzten verbliebenen AKW Emsland, Isar-2 und Neckarwestheim-2 wurden am 15.4.2023 abgeschaltet. In allen AKW wurden die Brennelemente mittlerweile aus dem Reaktorkern entfernt.  Die Brennelemente müssen zwar immer noch jahrelang unter Wasser gekühlt werden, damit sie nicht schmelzen. Auch beim Rückbau können immer noch erhebliche Mengen Radioaktivität in die Umwelt gelangen. Aber die Gefahr eines Super-GAU besteht in Deutschland nicht mehr.

Erneuerbare auf Rekordhoch

Währenddessen befinden sich die Erneuerbaren nach Jahren des Stillstands wieder im Wachstum. Besonders Windkraft und Solaranlagen wurden 2023 stark zugebaut. Zusammen mit dem günstigen Wetter führt dies zu neuen Rekorden bei der Stromerzeugung und zu einem Wachstum des Anteils der Erneuerbaren auch bei der Wärmeerzeugung – einem Bereich, bei dem die AKW nie etwas beigetragen haben.

2023 deckten die erneuerbaren Energien 56,7% des öffentlichen Stromverbrauchs in Deutschland – so viel wie noch nie im Jahresdurchschnitt. In den ersten Monaten des Jahres 2024 stieg dieser Anteil noch an – auf bis zu 62,7% im Februar 2024. Insgesamt erzeugten die Erneuerbaren im Jahr 2023 260 TWh an Strom – ebenfalls ein Rekordwert.

 

Darstellung der öffentlichen Nettostromerzeugung in Deutschland im Zeitraum 2002 - 2022. Es ist eine deutliche Abnahme der fossilen Engergieträger zu erkennen. Der Anteil der Erneuerbare Energien steigt. Atomkraft ist mit dem Abschalten auf Null gesunken.
Foto: Screenshot Energy-Charts.info

Quelle: Energy-Charts.info

Ausbau Erneuerbarer ersetzt Atomstrom

Der Zubau bei den erneuerbaren Energien hat die Stromproduktion der abgeschalteten AKW schon im ersten Jahr komplett ersetzt. So erzeugten allein die Windkraft- und Solaranlagen in Deutschland von April 2023 bis März 2024 zusammen 29 TWh mehr Strom als in den 12 Monaten zuvor. Das entspricht ziemlich genau dem weggefallenen Atomstrom: Die letzten drei AKW produzierten in den letzten 12 Monaten ihres Betriebs, vom 15. April 2022 bis 15. April 2023, ungefähr 29,6 TWh Strom.

Fossile Verstromung niedrig wie seit Jahrzehnten nicht mehr

Zugleich wirkt der Atomausstieg als Booster für die Energiewende und den Kohleausstieg. 2023 wurde in Deutschland so wenig Kohle verstromt wie seit 1959 nicht mehr.  Die Stromerzeugung aus Steinkohle nahm um fast die Hälfte ab (‑25 TWh), die Braunkohleverstromung um fast ein Drittel (‑31 TWh).

2024 ging die Stromerzeugung aus Kohle – und auch aus Gas – noch weiter zurück. Im Januar und März 2024 wurden jeweils so wenig fossile Kraftstoffe verbrannt wie seit mindestens 2015 nicht mehr. Geht es in diesem Tempo weiter, ist der Kohleausstieg in wenigen Jahren vollendet.

Darstellung Bruttostromerzeugung aus Braun- und Steinkohle von 1950 - 2022. Es ist ein deutlicher Rückgang der Bruttostromerzeugung seit 2018 zu erkennen.

Quelle: Fraunhofer ISE, 2.1.2024, S. 26

Boom der Erneuerbaren weltweit

Diese Entwicklung ist die Folge eines weltweiten Booms der erneuerbaren Energien, der maßgeblich von der Anti-Atom-Bewegung initiiert wurde und die fossile und atomare Stromerzeugung massiv zurückdrängt – allem Getrommel der Atomlobby zum Trotz. So verringerte sich die Atomstromerzeugung in der EU von 2015 bis 2023 um 21 %; nur die Hälfte dieses Rückgangs ist dem Abschalten der deutschen AKW geschuldet. Im gleichen Zeitraum ging die fossile Stromerzeugung in der EU um 27 % zurück. Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien hingegen nahm um 44 % zu.

AKW im Rückbau – Atomkraft im Niedergang

In den in Deutschland zuletzt betriebenen AKW hat der Rückbau zwischenzeitlich bereits begonnen. Nicht nur ist der Primärkreislauf dekontaminiert worden, auch andere Komponenten wie die Hauptkühlmittelpumpen in Isar-2 werden bereits entfernt.

Bis die AKW komplett zurückgebaut sind, werden selbst nach Schätzungen der Betreiber mindestens 15 Jahre vergehen. Die Betreiber aller drei AKW betonen, dass die Phase des AKW-Betriebs damit abgeschlossen sei. So wolle sich PreussenElektra (AKW Isar-2) jetzt „vollkommen“ auf den Rückbau konzentrieren. Bereits 2022 kritisierte RWE-Chef Markus Krebber  (AKW Emsland) die fortgesetzten Debatten um die Atomkraft: „Das politische Kapital und die Energie, die wir auf relativ wenig Erzeugungskapazität verschwenden, sollten wir lieber in den Ausbau der Erneuerbaren oder den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft stecken“. Auch für den ehemaligen EnBW-Vorstandsvorsitzenden Andreas Schell (AKW Neckarwestheim-2) ist das Abschalten „irreversibel“ und Atomkraft auch generell viel zu teuer, um eine Rolle für die Energieversorgung zu spielen. Statt dessen müsse man sich auf den Ausbau der Erneuerbaren konzentrieren.

Beim Blick ins Ausland wird schnell deutlich: Trotz vieler Ankündigungen finden sich nur wenige AKW im Bau –zu wenig, um auch nur den Status Quo der Atomkraft zu erhalten. Sogar für den bloßen Weiterbetrieb existierender AKW fordert die Atomindustrie mittlerweile Subventionen. Weil sie gegenüber den Erneuerbaren nicht konkurrenzfähig sind, werden Atomanlagen beispielsweise in Spanien und Frankreich und selbst Neubauten wie der finnische Reaktor Olkiluoto-3 zeitweise abgeschaltet. Reaktor-Neuentwicklungen wie NuScale scheitern, weil sie viel teurer als die Erneuerbaren sind. Selbst in Ländern wie Frankreich gibt es zwar einigen medialen Wirbel um eine angeblich kommende „Atom-Renaissance“ – tatsächlich ausgebaut (wenn auch zu langsam) werden aber die Erneuerbaren.

Alle Kraft in die Erneuerbaren!

Vor diesem Hintergrund ist klar: Die Zukunft ist erneuerbar! Weil die Diskussionen um die Atomkraft aber immer noch weiter gehen, braucht es immer noch auch die Anti-Atomkraft-Bewegung: Nicht nur, um den Rückbau der AKW zu begleiten und für einen halbwegs sicheren Umgang mit dem Atommüll zu sorgen. Sondern auch, weil die Gegner der Energiewende immer noch nach Atomkraft rufen. Und weil die Atomlobby verzweifelt versucht, ihre Industrie mittels öffentlichen Geldern zu retten – dabei hat die Atomkraft doch bereits vielfach gezeigt, dass sie zu gefährlich, zu teuer, zu langsam und auch zu schwach ist, um einen Beitrag für die Energieerzeugung zu leisten.

Allen anderslautenden Märchen zum Trotz befindet sich die Atomkraft weltweit im Niedergang – und die Erneuerbaren im Aufwind. Dass dies möglich wurde, ist maßgeblich der Anti-Atom-Bewegung zu verdanken, die  für einen kompletten Umstieg auf die Erneuerbaren gekämpft hat, als die fossil-nuklearen Atomerzeuger dies noch als undenkbar darstellten. In den Erneuerbaren liegt die günstige, verlässliche und sichere Energieversorgung der Zukunft – und der einzige Weg, die Klimakrise zu bekämpfen. Diese Fakten gegen allen Widerstand immer wieder in die öffentliche Diskussion einzubringen, ist und bleibt die Aufgabe auch nach dem Abschalten der deutschen AKW.

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Julian Bothe

Julian Bothe arbeitet bei .ausgestrahlt zum Thema Klimakrise und Atomkraft. Er ist ausgebildeter Geograph und beschäftigt sich seit langem mit Energiefragen. Seit seiner Jugend ist er aktiv in sozialen Bewegungen – für Bewegungsfreiheit, Energiedemokratie und Klimagerechtigkeit.

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