Startet die Bundesgesellschaft für Endlagerung mit Trickserei?

28.06.2017 | Jan Becker

Kurz nachdem die neue Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) ihren Dienst aufgenommen hat, droht der erste Skandal. Betroffen davon ist das Atommülllager Morsleben in Sachsen-Anhalt.

Atommülllager Morsleben
Foto: contratom

Wie auch die havarierte Asse-2 soll das Atommülllager Morsleben stillgelegt werden, weil es inzwischen als stark einsturzgefährdet gilt. Bis 1998 wurden hier schwach- und mittelaktive Abfälle eingelagert, nach der Wiedervereinigung auch große Mengen aus westdeutschen Atomanlagen.

Die damalige Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) ignorierte in den 1990er Jahren Expertenwarnungen, die die Standsicherheit der ehemaligen Kaligrube bezweifelten. Es gebe „kein Sicherheitsdefizit“, schrieb Merkel am 8. Juni 1995 an das Landesumweltministerium Sachsen-Anhalt. Ein Gerichtsurteil konnte die weitere Verklappung von strahlenden Abfällen stoppen.

Seit dem wird das Lager aufwendig stabilisiert. 2005 beantragte das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) die Stilllegung der Anlage beim Umweltministerium des Landes Sachsen-Anhalt (MLU). Anlässlich eines öffentlichen Erörterungsverfahrens in 2011 gab es 15.000 Einwendungen von Bürgern und Organisationen gegen die Pläne des BfS. Eine Stilllegungs-Genehmigung, in deren Rahmen erst der Nachweis der Langzeitsicherheit zu erbringen ist, wurde also nie erteilt.

Das MLU fordert vom Betreiber nicht nur ein Konzept für die Schließung von Morsleben vorzulegen, sondern auch die konkrete Ausführungsplanung. Die Funktion der Streckenverschlüsse unter Tage sollen praktisch nachgewiesen werden. Der Bundesbehörde ist das schon lange ein Dorn im Auge. Denn dieser Nachweis gelang dem BfS in einem ersten Großversuch 2011 nicht.

Für die Ewigkeit verfüllen

Laut der Planungen soll die Grube verfüllt und versiegelt, der Atommüll also für die Ewigkeit dort eingeschlossen werden. Mit einer Genehmigung für die Arbeiten rechnete das BfS schon 2014/15. Die Gesamtkosten für den Steuerzahler werden auf mindestens 2,2 Milliarden Euro beziffert.

Am 15. Februar 2017 hat das damals noch für Morsleben zuständige BfS angekündigt, den Stilllegungsantrag zurückzuziehen und neu einzubringen. Durch die Neugründung der Bundesgesellschaft für Endlagerung übernimmt dieses die gesamte Verantwortung für den Betrieb der Atommülllager - und auch deren Genehmigungen. Durch dieses Manöver wird dem seit Jahren sicherheitsorientierten Umweltministerium Sachsen-Anhalt die Kompetenz entzogen.

„Wenn die BGE den Stilllegungsantrag tatsächlich zurückziehen sollte, diskreditiert sie ihre Arbeit gleich zu Beginn,“ erklärt Silke Westphal vom Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Schacht KONRAD. „Denn dann würden im BfE diejenigen den Antrag letztlich genehmigen, die ihn ursprünglich selbst gestellt haben.“

Die Probleme in Morsleben sind nicht geringer als die in der öffentlich viel diskutierten Asse-2. Doch dort gibt es bereits die politische Zusage, den Müll in 126.000 Fässern wieder zu bergen. Gelingt der Nachweis der Langzeitsicherheit in Morsleben ebenfalls nicht, steht auch hier die Rückholung der 37.000 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktiver Abfälle an.

weiterlesen:

  • Atommüll – Strahlendes Erbe
    Beim Betrieb von Atomkraftwerken entsteht täglich hochgiftiger, radioaktiver Abfall, der etwa eine Million Jahre sicher verwahrt werden muss. Tatsächlich ist noch kein einziges Gramm davon schadlos „entsorgt“.

  • Tickende Zeitbombe - "Versuchsendlager" Asse II
    Im ehemaligen Salzbergwerk „Asse II“ bei Wolfenbüttel liegen 125.787 zum Teil undichte Fässer mit Atommüll. In die Stollen dringt Wasser ein, Salzlauge kommt mit Atommüll in Kontakt, das einst als „säkular sicher“ bezeichnete gut 40 Jahre alte „Versuchsendlager“ ist akut einsturzgefährdet.

Quellen (Auszug): ag-schacht-konrad.de, de.wikipedia.org; 27.6.2017

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Jan Becker

Jan Becker hat jahrelang die Webseite www.contrAtom.de betrieben und täglich aktuelle Beiträge zur Atompolitik verfasst. Seit November 2014 schreibt der studierte Umweltwissenschaftler für .ausgestrahlt. Jan lebt mit seiner Familie im Wendland. Mit dem Protest gegen regelmäßig durch seine Heimatstadt Buchholz i.d.N. rollende Atommülltransporte begann sein Engagement gegen Atomenergie, es folgten die Teilnahme und Organisation zahlreicher Aktionen und Demonstrationen.

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