Profit statt Sicherheit: Französische Meiler sollen 50 Jahre laufen

01.02.2018 | Jan Becker

Das Störfall-AKW Fessenheim soll Ende des Jahres endlich abgeschaltet werden. Alle anderen Meiler in Frankreich sollen noch mindestens 20 Jahre in Betrieb bleiben. Ein Spiel mit dem Feuer: Im grenznahen Atomkraftwerk Cattenom hat es vor wenigen Tagen eine Notabschaltung gegeben.

Atomkraft: Sicher ist nur das Risiko!

„Wir haben ganz klar ein Ziel, unsere Reaktoren auf 50 Jahre (Laufzeit) zu bringen“, so Philippe Sasseigne, Direktor der EDF-Atomkraftwerke am Dienstag. Das älteste Kraftwerk in Fessenheim soll zum Jahresende endgültig vom Netz gehen. Doch dann werden bis 2029 keine weiteren Reaktoren stillgelegt. Im Zeitraum 2029-2035 gäbe es dann „eine große Zahl“ an Reaktoren, die bei 50 Jahren abgeschaltet werden könnten, so Sasseigne. Es sei „vernünftig“, manche Reaktoren 50 Jahre laufen zu lassen und andere 60 Jahre, „um die Schließungen zu staffeln“.

Die Pläne der französischen Regierung sind ein Spiel mit dem Feuer, was sich in Cattenom kürzlich erst wieder bewies: Einer der vier Reaktoren ist am Montagmorgen unplanmäßig abgeschaltet worden. Block 3 wurde um 10.20 Uhr „entsprechend der Sicherheits- und Schutzmechanismen“ wegen eines Defekts an einem Dampfabschlussventil im nicht-nuklearen Teil der Anlage gestoppt.

Je älter, desto größer das Risiko

Die Gefahr eines schweren Unfalls steigt mit dem Alter der Anlagen. Greenpeace sprach 2014 gar von einer „Neuen Ära des Risikos“ und veröffentlichte den Report „Alternde Atomreaktoren“. Darin warnt die NGO, dass sich der Zustand wichtiger Bauteile wie Reaktordruckbehälter und Containment (Sicherheitsbehälter), die nicht ersetzt werden können, im Laufe der Jahrzehnte trotz Nachrüstungen und Reparaturen verschlechtert. Zwischenfälle und Komplikationen nehmen zu. Auch wenn Bauteile erneuert werden können, kann dies weitere Risiken nach sich ziehen: In manchen Fällen wird für den Ersatz großer Komponenten der Sicherheitsbehälter des Reaktors durchbrochen – mit dem Resultat, dass die Stärke dieser entscheidenden Schutzstruktur zwangsläufig gemindert wird.

Das durchschnittliche Alter der 151 Atomkraftwerke in Europa beträgt etwa 30 Jahre. Ausgelegt sind die meisten Kraftwerke auf 30 oder 40 Jahre Betrieb, doch über 60 AKW sind bereits älter als 30 Jahre, einige sogar älter als 40 Jahre.

Ein zusätzliches Risiko stellen die unweigerlich anwachsenden Mengen abgebrannter Brennelemente und hoch-radioaktiver Abfälle an den AKW-Standorten dar. Die Sicherheitssystemen gegen Terroranschläge sind veraltet und großteils unwirksam.

„Die überalterten Atomkraftwerke sind tickende Zeitbomben. Der Weiterbetrieb ist absolut unverantwortlich", sagte Heinz Smital, Kernphysiker und Greenpeace-Atomexperte zur Veröffentlichung des Reports in 2014. „Die maroden Uralt-Meiler müssen unverzüglich vom Netz gehen bevor es zu einem schweren Unfall mit Auswirkungen für ganz Europa kommt."

Das Interesse der Energiekonzerne an langen Laufzeiten ist einfach: Sind die Anlagen erstmal abgeschrieben, sind sie profitable Gelddruckmaschinen. Die Konzerne versuchen deshalb, die Laufzeitverlängerung auf Kosten der Sicherheit durchzusetzen.

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Quellen (Auszug): lessentiel.lu, tageblatt.lu, greenpeace.de; 29./31.1.2018

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Jan Becker

Jan Becker hat jahrelang die Webseite www.contrAtom.de betrieben und täglich aktuelle Beiträge zur Atompolitik verfasst. Seit November 2014 schreibt der studierte Umweltwissenschaftler für .ausgestrahlt. Jan lebt mit seiner Familie im Wendland. Mit dem Protest gegen regelmäßig durch seine Heimatstadt Buchholz i.d.N. rollende Atommülltransporte begann sein Engagement gegen Atomenergie, es folgten die Teilnahme und Organisation zahlreicher Aktionen und Demonstrationen.

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