Es wird dauern mit dem Asse-Müll

29.03.2018 | Jan Becker

Es ist mal wieder eine Frage der Perspektive. Die einen sprechen von „vorgezogener Rückholung“, die andere Seite ist schwer enttäuscht. Einen Zeitplan für die versprochene Bergung der zehntausenden Atommüllfässer aus dem maroden Bergwerk Asse-2 gibt es nämlich nicht. Auf die Region könnte aber ein ganz neues Problem hinzukommen: Noch viel mehr Atommüll.

Asse-2

Kürzlich veranstaltete die mit der Rückholung des Atommülls beauftragte Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) eine Bürgersprechstunde im Infozentrum direkt neben dem Asse-Schacht. Dabei wurde referiert, dass eine Kammer mit radioaktiven Abfällen „möglicherweise vorzeitig geräumt“ werden könne. Der Müll solle mit einem Kran von oben aus der gut zugänglichen Kammer 7 geholt, verpackt und dann über einen Personenschacht abtransportiert werden, so die BGE.

Die Forderung aus Kreisen der Kritiker*innen, zugängliche Fässer so schnell wie möglich zu bergen, ist nicht neu - sondern schon Jahre alt. Doch immer wurde aus Sicherheitsgründen der Bau eines zweiten Schachtes als Voraussetzung genannt. Denn die Asse hat zur Zeit nur diese eine Strecke in die Tiefe.

Was bei der Öffentlichkeit gar nicht gut ankam: Es gibt auch für die „vorzeitige Räumung“ keinen Zeitplan. Offiziell hält die BGE am Jahr 2033 fest, dann soll aller Müll geborgen sein. Heute gebe es noch „zu viele Unwägbarkeiten, die es unmöglich machten, sich auf ein konkretes Jahr festzulegen“, so Thomas Lautsch, technischer Geschäftsführer der BGE.

Streit im Zwischenlager

Im Zentrum der aktuellen Auseinandersetzung steht die Frage nach dem Bau eines oberirdischen Zwischenlagers. Werden die teilweise zerstörten Fässer aus den Atommüllkammern geholt, unter Tage provisorisch zum Schutz gegen Strahlung verpackt und dann an die Erdoberfläche gebracht, müssen sie neu konditioniert werden. Heute gelten strenge Anforderungen an die Lagerung und Konditionierung des Mülls, um ihn irgendwann in ein langfristiges Atommülllager bringen zu können.

Dass es diese Halle braucht, ist unstrittig. Doch einerseits ist unklar, an welchem Ort sie errichtet wird. Anwohner*innen wehren sich wegen zusätzlicher Strahlenbelastung. Andererseits sorgte eine Ankündigung der neuen Bundesregierung für Wirbel. Von dort hieß es, dass der Bau eines großen Eingangslagers für das 20 Kilometer entfernte Atommülllager Schacht Konrad zügig beginnen müsse. In Konrad soll bekanntlich entgegen aller Zweifel an der Tauglichkeit des Erzbergwerkes aller schwach- und mittelaktiver Müll eingelagert werden. Dazu zählt dann auch ein Großteil des Asse-Mülls.

Das Asse-Zwischenlager könnte möglicherweise zu diesem Eingangslager von Schacht Konrad werden. Damit würde sämtlicher schwach- und mittelaktiver Müll aus ganz Deutschland - zehntausende Fässer u.a. aus dem Atomkraftwerken - in die Nähe der Asse gebracht. Eine ungeheure Belastung für die Region, die wegen der Asse-Havarie seit Jahrzehnten vor der Verseuchung ihres Trinkwasser bangt.

Kundgebung am 4. April

Anlässlich des 51. Jahrestags des Einlagerungsbeginns in der Asse laden Atomkraftgegner*innen zu einer Kundgebung am Schacht. Am Mittwoch, 4. April, soll ab 18 Uhr nachdrücklich für eine schnelle Räumung - und gegen ein zentrales Groß-Zwischenlager protestiert werden.

weiterlesen:

  • „Schacht V statt Schacht 2“
    16.02.2018 - „Rückholung des Asse-Mülls beschleunigen und Konrad stoppen“, so lauten die aktuellen Ziele, die von der Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad kürzlich vorgestellt wurden.

  • 50 Jahre Atommüll-Katastrophe Asse-II
    29.03.2017 - Anfang April 1967 begann die Atommüll-Einlagerung im Schacht Asse. Zwanzig Jahre später wurden Wassereinbrüche bekannt; nochmal zehn Jahre später wurde das Absaufen des Bergwerks zugegeben. Nun soll der strahlende Abfall wieder herausgeholt werden. Doch dieses Versprechen droht zu scheitern.

  • Tickende Zeitbombe
    Basiswissen Atommüll: Seit den 1960er Jahren kippten AKW-Betreiber ihren Atommüll nahezu unkontrolliert in das stillgelegte Kali- und Steinsalz-Bergwerk Asse II bei Wolfenbüttel in Niedersachsen. Seit 2010 ist die Rückholung der etwa 126.000 Fässer geplant. Das stetig einlaufende Wasser macht die Asse II jedoch zu einer tickenden Zeitbombe.

Quellen: ndr.de, aufpassen.org, bge.de; 27./29.3.2018

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Jan Becker

Jan Becker hat jahrelang die Webseite www.contrAtom.de betrieben und täglich aktuelle Beiträge zur Atompolitik verfasst. Seit November 2014 schreibt der studierte Umweltwissenschaftler für .ausgestrahlt. Jan lebt mit seiner Familie im Wendland. Mit dem Protest gegen regelmäßig durch seine Heimatstadt Buchholz i.d.N. rollende Atommülltransporte begann sein Engagement gegen Atomenergie, es folgten die Teilnahme und Organisation zahlreicher Aktionen und Demonstrationen.

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