Auf dem Weg in den Krieg: Urenco expandiert

07.03.2019 | Jan Becker

Bislang galt der Anreicherungsgrad von 5 Prozent als Beleg dafür, dass die Urananreicherungsanlagen für „rein zivile Nutzung“ produzieren. In den USA will Urenco den Anreicherungsgrad vervierfachen - und durchbricht damit eine „sicherheitspolitische Barriere“, warnen Atomkraftgegner*innen.

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Foto: US Dept of Energy
Anreicherungskaskaden

Im natürlichen Uran kommt Uran-235 mit einer Häufigkeit von nur 0,7 Prozent vor. Zur Verwendung in den in Deutschland gängigen Leichtwasserreaktoren muss das Uran auf 3 bis 3,5 Prozent Uran-235-Gehalt angereichert werden. Das geschieht zum Beispiel in der Urananreicherungsanlage der Urenco Ltd. im westfälischen Gronau. Urenco gehört zu je einem Drittel dem britischen und dem niederländischen Staat. Das deutsche Drittel gehört zu gleichen Teilen RWE und EON. Die Bundesregierung beaufsichtigt Urenco zusammen mit der britischen und niederländischen Regierung. Urenco verfügt über ca. 30 Prozent Anteil auf dem Weltmarkt für angereichertes Uran.

Zukünftig will der Atomkonzern in der firmeneigenen Urananreicherungsanlage in New Mexico/USA Uran-235 statt bislang auf maximal fünf Prozent auf bis zu 19,75 Prozent angereichern. Für die Entwicklung der entsprechenden Zentrifugen würde eine zentrale Urenco-Techniktochter in Deutschland neben dem Forschungszentrum in Jülich eingesetzt werden, heißt es. Als mögliche Kunden für das neue Produkt „HALEU“ (high assay low-enriched uranium) führt Urenco „fortgeschrittene Reaktortypen“ sowie Forschungsreaktoren an, aber auch vom Unternehmen selbst geplanten „U-Batterie-Atomreaktoren“.

Uran für den Krieg

Konkretes Interesse an dem deutlich höher angereicherten Uran hat vor wenigen Wochen das US-Verteidigungsministerium geäußert. Dort werden kleine mobile Reaktoren für „rapid response scenarios“ geplant. Besonders an entlegenden Kriegsschauplätzen wie beispielsweise in Afghanistan haben die Streitkräfte ein Energieproblem. Bisher laufen Generatoren mit Dieselöl, das oft schwer zu beschaffen ist. Mini-Atomreaktoren mit einer Leistung zwischen 1 bis 10 Megawatt sollen Strom für drei Jahre produzieren können ohne nachgefüllt werden zu müssen, heißt es in der Atompropaganda. Der Reaktor würde auf dem Trailer eines Truck direkt in den Krieg gebracht werden und könnte Militärbasen energie-autark machen.

Schon 2011 hatte die „Defense Advanced Research Projects Agency“ ein Programm zur Erforschung von Mini-Atomreaktoren ausgeschrieben. 2016 hieß es, dass gerade die entlegenen Operationsbasen des US-Militärs auf die „Nutzung von Kernenergieanwendungen angewiesen sind“.

Urenco setzt offensichtlich auch auf eine militärische Anwendung seiner Produkte. Mit der Expansion setzen sich die deutschen Miteigentümer RWE und E.ON sowie die Aufsicht führende Bundesregierung klar für einen gefährlichen Ausbau des Atomsektors ein, der letztlich der Kriegsführung dient.

„Öffentlich verkünden die Bundesregierung, aber auch RWE und E.ON, aus der Atomenergie aussteigen zu wollen. Doch nun offenbart sich der Einstieg in eine völlig neue zivil-militärische Dimension der Urananreicherung“, so Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen. Damit werde eine „sicherheitspolitische Barriere“ durchbrochen.

Ab 20 Prozent gilt Uran als „waffenfähig“

Das neue Produkt „HALEU“ kommt extrem nahe an die 20 Prozent-Anreicherungsgrenze heran. Prinzipiell könnte auf 20 Prozent angereichertes Uran bereits in Atomwaffen verwendet werden.

„Wie kann die Bundesregierung einen derart dramatischen Kursschwenk bei Urenco billigen? Und welche Garantien gibt es, dass die neue 19,75 Prozent-Grenze in ein paar Jahren nicht auch gekippt wird, weil die Begehrlichkeiten zu groß werden? Die Gefahr der Proliferation schätze ich aus friedenspolitischer Sicht als sehr hoch ein“, so Dr. Angelika Claußen von der Ärzteorganisation und Friedensnobelpreisträgerin Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges ‑ Ärzte in sozialer Verantwortung (IPPNW).

Urenco wird in den USA schon seit Jahren mit der Belieferung von Reaktoren in Zusammenhang gebracht, die Tritium für den Einsatz in Atomwaffen herstellen. Statt nun auch noch diese neuen Expandsionspläne Urencos zu billigen, sollte die Bundesregierung der Urananreicherungsanlage in Gronau die Betriebsgenehmigung entziehen - und damit den deutschen Atomausstieg konsequent fortsetzen!

weiterlesen:

  • Bombenrisiko Atomkraft
    Zivile und militärische Nutzung der Atomenergie lassen sich nicht eindeutig trennen. Atomkraftwerke, Forschungsreaktoren, Anreicherungs- und Wiederaufarbeitungsanlagen sind immer auch ein Weg, an die zum Bau einer Atombombe nötigen Materialien zu gelangen und militärische Atomprogramme zu kaschieren.

  • Gutachten: Atomfabriken Gronau und Lingen dürfen stillgelegt werden
    17.11.2017 - Laut neuer Rechtsgutachten im Auftrag der scheidenden Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) wäre die Stilllegung der AKW-Brennstoff-Fabriken in Gronau und Lingen nicht verfassungswidrig. Bislang sind die Anlagen vom "Atomausstieg" ausgeklammert.

Quellen (Auszug): ippnw.de, sinn-schaffen.de, bi-luechow-dannenberg.de, de.wikipedia.org

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Jan Becker

Jan Becker hat jahrelang die Webseite www.contrAtom.de betrieben und täglich aktuelle Beiträge zur Atompolitik verfasst. Seit November 2014 schreibt der studierte Umweltwissenschaftler für .ausgestrahlt. Jan lebt mit seiner Familie im Wendland. Mit dem Protest gegen regelmäßig durch seine Heimatstadt Buchholz i.d.N. rollende Atommülltransporte begann sein Engagement gegen Atomenergie, es folgten die Teilnahme und Organisation zahlreicher Aktionen und Demonstrationen.

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