Schneller in die Sackgasse?

02.04.2024 | Anna Stender
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Foto: Bundesgesellschaft für Endlagerung

Wollen die zuständigen Behörden die Standortsuche für ein tiefengeologisches Atommüll-Lager abkürzen? Aussagen auf dem Zweiten Forum Endlagerung lassen aufhorchen.

Es sind deutliche Töne, die auf dem Zweiten Forum Endlagerung, das im November 2023 in Halle an der Saale stattfindet, angeschlagen werden. Die Bundesumweltministerin fordert in ihrem Grußwort, „das Suchverfahren stringenter zu gestalten“ und einen „ehrlichen Umgang mit unseren Wissenslücken“. Denn, so Steffi Lemke weiter: „Wir können nicht halb Deutschland erkunden.“ Und der scheidende Chef des BASE, Wolfram König, fordert gar die „Vorbereitung notwendiger gesetzlicher Änderungen zur Beschleunigung“.

Wollen sich die Hüter*innen des Gesetzes zur Standortsuche von dessen zentralen Grundprinzipien verabschieden, nicht mehr nach dem Standort mit der bestmöglichen Sicherheit suchen, sondern nur noch nach irgendeinem geeigneten Ort? Das Standortauswahlgesetz (StandAG) fordert in § 1 ein partizipatives, wissenschaftsbasiertes, transparentes, selbsthinterfragendes und lernendes Verfahren. Das kann zwar bedeuten, dass man sich entscheidet, Prozesse zu vereinfachen und damit zu beschleunigen – jedoch nur, wenn die anderen Prinzipien dabei nicht unter den Tisch fallen. Lösungsansätze dafür nennt Lemke an diesem Tag nicht. Dennoch fällt ihre Aussage auf fruchtbaren Boden und bestimmt weite Teile der Diskussionen im Forum und in den Medien bis heute.

Standortfindung bis 2031 war nie realistisch

Ein Jahr zuvor hatte die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) bekanntgegeben, dass der im StandAG als Ziel ausgegebene Zeitplan nicht einzuhalten sei. Statt bis 2031 werde es mindestens bis 2046 dauern, bis der „Endlager“-Standort feststehe. Den meisten Mitgliedern der Endlagerkommission war das schon 2016 bewusst. Doch der Druck war groß. Es folgte ein ständiger Spagat zwischen dem Wunsch nach einem Verfahren, das wissenschaftlichen Kriterien standhält und die Öffentlichkeit ernsthaft beteiligt, und der Ungeduld verschiedener Interessengruppen.

Das führte schnell auch zum Konflikt zwischen BGE und BASE, öffentlich geworden beim ersten „Zwischenbericht Teilgebiete“ von September 2020. Das Suchverfahren war zu diesem Zeitpunkt längst nicht so weit wie geplant. Das BASE drängte dennoch darauf, den Termin für die Veröffentlichung einzuhalten. Das Ergebnis ist ein Bericht, der weniger als die Hälfte des Landes als „Endlager“-Standort ausschließt und damit letztlich nichtssagend ist.

Das zeigt: Unter allzu großem Zeitdruck mit Abstrichen bei Wissenschaftlichkeit und Partizipation leidet die Qualität. Wenn es um den Standort für ein möglichst sicheres Atommüll-Lager geht, kann das fatale Folgen für Mensch und Umwelt haben. Vor allem aber steht die Akzeptanz der Bevölkerung für den schließlich ausgewählten Standort auf dem Spiel. Dass nun ausgerechnet König und Lemke das Verfahren abkürzen wollen, ist daher überraschend – denn ohne gravierende Einschränkungen wird das kaum möglich sein.

Was ist unsere Verantwortung?

Die Argumente der Befürworter*innen einer Abkürzung des Suchverfahrens greifen dabei oft zu kurz:

  1. „Der Atommüll ist in bewegten Zeiten in den Zwischenlagern nicht sicher, nur eine tiefengeologische Lagerung bietet ausreichend Schutz.“
    Es stimmt, wir leben in unsicherer werdenden Zeiten. Die Angst vor Terror und Krieg treibt auch hierzulande viele Menschen um. Das Beispiel Gorleben zeigt aber, dass es sich auf lange Sicht nicht lohnt, Tempo auf Kosten der Sicherheit zu priorisieren. Umso wichtiger ist es, jetzt ein Konzept für eine möglichst sichere Zwischenlagerung des Atommülls zu entwickeln und zügig umzusetzen.
  2. „Die Lösung für den Umgang mit dem strahlenden Erbe können wir nicht künftigen Generationen aufbürden.“
    Ja, wir sind verantwortlich für den Müll. Wir können nicht die Hände in den Schoß legen und erwarten, dass unsere Nachfahren es schon richten werden. Unsere Verantwortung besteht aber darin, jetzt den Weg zu einer möglichst sicheren Lagerung einzuschlagen. Eine zweite Zeitbombe wie die Asse zu schaffen, wäre gerade kein Zeichen von Verantwortung und Generationengerechtigkeit.

Wir brauchen keine populistischen Debatten darüber, wie wir die Zwischenlager schnell leeren, um endlich unsere Ruhe zu haben. Wir brauchen nicht irgendeinen Standort – sondern den sichersten, den wir in Deutschland finden können. Dieser Prozess braucht Zeit. Nur wenn wir das Verfahren am Ziel der größtmöglichen Sicherheit ausrichten, können wir unseren Kindern später sagen, dass wir die volle Verantwortung übernommen haben – auch wenn sie es sind, die die letzten Schritte gehen müssen.

Dieser Text erschien erstmalig im .ausgestrahlt-Magazin 60 (Feb./März/Apr. 2024)

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Anna Stender

Anna Stender kommt aus Münster und hat bereits in den Neunzigerjahren gegen Castortransporte nach Ahaus und Gorleben demonstriert. Sie ist studierte Fachübersetzerin und hat sich nach Stationen in Berlin, Köln, Bangalore, Newcastle-upon-Tyne und Jülich entschieden, in Hamburg zu bleiben. Seit 2020 ist sie als Redakteurin bei .ausgestrahlt, wo sie vor allem für den Print-Bereich schreibt.

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