Grafenrheinfeld: Der Meiler bleibt aus

27.10.2016 | Jan Becker

Kürzlich startete das Erörterungsverfahren der Einwände gegen den Rückbau des bayrischen Atomkraftwerks Grafenrheinfeld. Der zweite Tag endete mit einem Eklat: UmweltschützerInnen verließen unter Protest die Veranstaltung. Betreiber PreussenElektra schließt zudem ein Wiederanfahren der Anlage nicht aus.

Teaserbild Rückbau / Freimessen

Unter Protest verließ der BUND Naturschutz (BN) am gestrigen Mittwoch, dem zweiten Tag der Veranstaltung, die Erörterung in Grafenrheinfeld. Im Verlaufe war klar geworden, dass das Umweltministerium noch auf die Vervollständigung von Unterlagen durch PreussenElektra wartet. Der Konzern hatte beantragt, den Meiler „direkt“ abzubauen, obwohl sich noch hochradioaktive heiße Brennstäbe im Nasslager des Reaktors befinden. Doch Teile der Unterlagen, die einen „rückwirkungsfreien“ Ablauf belegen sollen, fehlten dem Umweltministerium zum Zeitpunkt der Erörtung.

„Wir wollen uns nicht an einer Farce beteiligen!“

„Sowohl wir als auch die Vertreter der Kommunen haben hierauf den Abbruch der Erörterung beantragt – wegen Unvollständigkeit der Unterlagen“, so Edo Günther, Vorsitzender des BUND Naturschutz in Schweinfurt und Sprecher des bundesweiten BUND Arbeitskreis Atomtechnologie und Strahlenschutz. Dem sei das Umweltministerium aber nicht nachgekommen, woraufhin die UmweltschützerInnen die Erörterung am zweiten Tag gegen Mittag unter Protest vorzeitig verlassen mussten.

Das bayerische Umweltministerium, das über den Rückbauantrag entscheiden muss, besteht darauf, dass alle für den Erörterungstermin erforderlichen Unterlagen ausgelegt worden seien. Eine Wiederholung der Erörterung soll es nicht geben. Für das beantragte Verfahren würden die selben Sicherheitsbestimmungen wie für den Leistungsbetrieb des Meilers gelten. Und diese würden sicherstellen, dass „keine negativen Auswirkungen auf die Anlage und damit auf die Umwelt zu befürchten seien“.

Der BN kritisiert, dass damit die Werte für erlaubte Emissionen von Radioaktivität unverändert weiter gelten sollen. Der BN fordert eine neue Betriebsgenehmigung für die Stilllegung des Atomkraftwerks, für die unter anderem die Gefahren in diesem Zeitraum durch einen Flugzeugabsturz oder einen terroristischen Angriff untersucht und Schutzmassnahmen umgesetzt werden müssen. Doch weder der Betreiber noch das Ministerium sind daran interessiert.

Betreiber schließt Wiederanfahren nicht aus

Auf direkte Nachfrage schloss ein Vertreter von Preussen Elektra nicht einmal aus, dass das seit Sommer 2015 stillgelegte AKW wieder hochgefahren wird. Man wolle den Verlauf der vor dem Bundesverfassungsgericht anhängigen Klagen gegen den Atomausstieg abwarten und dann über die Zukunft der Anlage entscheiden.

Ein Vertreter der Bundesregierung hält ein Wiederanfahren allerdings für „unwahrscheinlich“, selbst wenn die Verfassungsbeschwerde erfolgreich wäre. Laut Verfassungsrechtler Christoph Möller von der Humboldt-Universität Berlin, der als Bevollmächtigter der Bundesregierung im Verfahren um den Atomausstieg am Bundesverfassungsgericht fungiert, wäre damit die Betriebsgenehmigung „nicht automatisch wieder in der Welt“. Einen „Verstoß gegen die Eigentumsgarantie“ der Betreiber durch die von der Bundesregierung angeordnete Abschaltung der AKW hält er allerdings für möglich.

Letzte Chance für Öffentlichkeitsbeteiligung

Die Erörterung sei die letzte Chance, überhaupt noch Einfluss auf das weitere Verfahren in Grafenrheinfeld zu nehmen, kritisiert der BUND Naturschutz. Es gäbe „nur ein einziges Mal eine Öffentlichkeitsbeteiligung, obwohl die Maßnahmen bis Ende der 2020er Jahre dauern werden“, so Edo Günther. Der BN prüft nun, ob gegen den einen oder anderen Punkt des Feststellungsbescheids geklagt werden kann.

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Quellen (Auszug): br.de, sueddeutsche.de, klimaretter.info, bund-naturschutz.de; 25./26.10.2016

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Jan Becker

Jan Becker hat jahrelang die Webseite www.contrAtom.de betrieben und täglich aktuelle Beiträge zur Atompolitik verfasst. Seit November 2014 schreibt der studierte Umweltwissenschaftler für .ausgestrahlt. Jan lebt mit seiner Familie im Wendland. Mit dem Protest gegen regelmäßig durch seine Heimatstadt Buchholz i.d.N. rollende Atommülltransporte begann sein Engagement gegen Atomenergie, es folgten die Teilnahme und Organisation zahlreicher Aktionen und Demonstrationen.

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