Klimaschutz: Neue AKW sind unrealistisch – auch in der Schweiz

26.06.2019 | Jan Becker

Eine Studie der Schweizerischen Energie-Stiftung zeigt „klare Nachteile gegenüber neuen erneuerbaren Energien wie der Photovoltaik“ auf: Der Ausbau der Atomenergie für wirkungsvollen Klimaschutz wäre zu teuer, dauert zu lange und würde eine massive staatliche Unterstützung benötigen.

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Mit dem Pariser Klimaabkommen hat sich auch die Schweiz verpflichtet, den CO2-Ausstoss bis 2050 massiv zu reduzieren. Um die gesetzten Ziele zu erreichen, muss die CO2-arme Energieproduktion schnell ausgebaut werden.

Ähnlich wie in Deutschland, wo Wirtschaftskreise über Laufzeitverlängerungen für die alten Meiler diskutieren, gibt es auch in der Schweiz pro-atom Vorstöße, um „das Klima zu retten“. Der Zürcher FDP-Nationalrat Hans-Ulrich Bigler, Präsident des Gewerbeverbands und des Nuklearforums Schweiz, forderte kürzlich, die Schweiz müsse „ernsthaft über die Aufhebung des Neubauverbots und den Einstieg in neue Atomkrafttechnologien nachdenken“. Die Atomlobby wirbt damit, dass ihre Kraftwerke „Co2-frei“ seien – was bekanntlich gar nicht stimmt.

In der Schweiz ist der Neubau von Atomkraftwerken gesetzlich verboten. Im Mai 2017 stimmten 58,2 Prozent in einem Volksentscheid für die Energiewende und den Atomausstieg.

Die Schweizerische Energie-Stiftung SES hat in der Kurzstudie „Klimawandel und Atomkraftwerke - Realisierbarkeit von neuen Atomkraftwerken zur Dekabonisierung der schweizerischen Energieversorgung” das Szenario untersucht, dass ein neues AKW gebaut wird und dabei die Aspekte Bauzeit, Kosten und Finanzierung betrachtet. Gegenüber gestellt wird der Ausbau einer äquivalenten Produktionskapazität mittels Photovoltaik-Anlagen.

Zu teuer & dauert zu lange

Die SES hat erechnet, dass durch Anpassung der Energiestrategie, Rahmenbewilligung, Betriebsbewilligung und Bau mindestens 21 Jahre vergehen würden, bis ein neues AKW zur Verfügung stehen könnte. Die Kosten für einen neuen Meiler lägen zwischen 7,9 Milliarden und mindestens 11 Milliarden Franken (etwa 10 Milliarden Euro). Zur Finanzierung wären massive, staatliche Subventionen nötig. SES verweist dabei zum Beispiel auf die britischen Pläne, den Doppelreaktor Hinkley Point-C mit 14 Milliarden Euro und einer 35 Jahre laufenden Einspeisevergütung abzusichern. Weil die Privatwirtschaft die Finanzierung nicht stemmen kann, wurden alle schon 2008 in der Schweiz eingereichten Gesuche für neue AKW zurückgezogen. Die Firmen betonten vor ein paar Jahren, sie seien nicht mehr gewillt, in AKW zu investieren.

Alles in allem, so das Fazit der Studie, seien neue AKW in der Schweiz „ein unrealistisches Szenario“. Der Ausbau mit Photovoltaik könnte dreimal schneller gelingen, wäre nicht auf ein einziges Grossprojekt konzentriert und damit risikoärmer und auch mit weniger staatlichen Mitteln möglich.

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Quellen (Auszug): energiestiftung.ch, zeit.de, nzz.ch

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Jan Becker

Jan Becker hat jahrelang die Webseite www.contrAtom.de betrieben und täglich aktuelle Beiträge zur Atompolitik verfasst. Seit November 2014 schreibt der studierte Umweltwissenschaftler für .ausgestrahlt. Jan lebt mit seiner Familie im Wendland. Mit dem Protest gegen regelmäßig durch seine Heimatstadt Buchholz i.d.N. rollende Atommülltransporte begann sein Engagement gegen Atomenergie, es folgten die Teilnahme und Organisation zahlreicher Aktionen und Demonstrationen.

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