Kernkraft - ja bitte?

08.11.2019 | Jan Becker

Diverse Firmen aus der Biobranche haben eine Werbekampagne unter dem Motto „Kernkraft - ja bitte“ gestartet. Einerseits ein witziges Wortspiel, andererseits brandgefährlich in Zeiten, in denen sich die Atomlobbyisten für AKW-Laufzeitverlängerungen in Stellung bringen.

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Kernkraft - ja bitte! - Werbekampagne der Bio-Branche

„Wir essen, was wir säen“, ist die zentrale Botschaft der Aktion, mit der denn’s Biomarkt und die BioMarkt Verbundgruppe seit Ende September auf die Thematik Ökozüchtung aufmerksam machen. Auf der eigens dafür geschaffenen Kampagnen-Webseite unter der URL www.kernkraft-ja-bitte.de heißt es, „wir sind der Überzeugung, dass wir für unsere Zukunft eine gesunde Grundlage brauchen.“

Das ist alles richtig und gut, und der Aufruf "kaufen Sie ökologisches Saatgut!" ist zu unterstützen. Die Firmen Zwergenwiese, Rapunzel, Bio Planète, Sonnentor, Schrozberger Milchbauern, Holle, Morgenland wie auch der wendländische Bio-Saft-Produzent Voelkel, der seit Jahrzehnten im Gorleben-Widerstand aktiv ist, stehen bereits hinter dem Projekt.

Aber warum „Kernkraft - ja bitte“? Die Macher*innen sprechen selbst von einem „provokanten Titel“. Und erklären in den FAQs: „Wir haben uns bewusst dazu entschlossen, um überhaupt erst einmal wahrgenommen zu werden.“

Unterstützt die Bio-Branche plötzlich Atomkraft?

Natürlich tut sie das nicht. Doch wer „Kernkraft? Ja, bitte!“ sagt, muss auch „Atomkraft? Nein Danke“ sagen, „denn´s wir ernten sonst, was wir säen“, meinen Aktivist*innen vom Anti-Atom-Bündnis Berlin Potsdam. Ihre These: Konsument*innen setzen sich nur sehr oberflächlich mit der Werbung auseinander. So könnte im Unterbewusstsein die Assoziation entstehen, dass „die Bio-Branche die Atomkraft unterstützt“ - und dann „kann sie ja nicht so schlimm sein“.

Derzeit bringen sich die Atomlobbyisten in Stellung, um mindestens Laufzeitverlängerungen für die letzten deutschen Atomkraftwerke einzufordern (ganz offen AKW-Neubauten zu fordern, wäre wohl politischer Selbstmord). Zu den Unterstützer*innen gehören neben der Vorsitzenden des CDU-Wirtschaftsrat, dem konservativen CDU-Zweig „Werte-Union“ auch Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU), VW-Chef Herbert Diess, „Schrauben-Milliardär“ Reinhold Würth, Wolfgang Reitzle, Aufsichtsratschef des Technologie-Konzerns Linde AG oder die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. Auch in den Medien hat die Uralttechnik Atomkraft immer noch glühende Verehrer*innen mit Netzwerken in die Wirtschaft. Anders lässt es sich nicht erklären, weshalb längst widerlegte Argumente der Atomlobby („billig“, „co2-neutral“, „sicher“) mantraartig wiederholt werden.

Ein ganz heißes Eisen also, welches die Bio-Branche gerade schmiedet. Es gibt aber einen einfachen Ausweg: Die Initiative könnte eine dicke, fette Anti-Atom-Sonne in ihre Kampagnen-Webseite und Publikationen einbauen. Eine kleine Argumentationspalette liefern wir gern gratis dazu.

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Jan Becker

Jan Becker hat jahrelang die Webseite www.contrAtom.de betrieben und täglich aktuelle Beiträge zur Atompolitik verfasst. Seit November 2014 schreibt der studierte Umweltwissenschaftler für .ausgestrahlt. Jan lebt mit seiner Familie im Wendland. Mit dem Protest gegen regelmäßig durch seine Heimatstadt Buchholz i.d.N. rollende Atommülltransporte begann sein Engagement gegen Atomenergie, es folgten die Teilnahme und Organisation zahlreicher Aktionen und Demonstrationen.

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