Atomkraft in den Niederlanden

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Anfang 2012 scheiterten – und das nicht zum ersten Mal – die Pläne für den Neubau eines Atomkraftwerks in Borssele

Das erste AKW in den Niederlanden ging im März 1969 in Dodewaard ans Netz. Nur einen Monat später erhielt die Kraftwerksunion (KWU), ein neu gegründetes Joint-Venture von Siemens und AEG, den Zuschlag für den Bau eines AKW in Borssele. Für KWU war das der erste Auslandsauftrag. In den Niederlanden endete damit der Traum von einer eigenen Atomindustrie.

Noch in den frühen 1970er Jahren gab es hochfliegende Pläne. Ein Szenario des Wirtschaftsministerium von 1972 etwa sah für 1980 Atomkraftwerke mit einer Kapazität von 2.000 Megawatt (MW) vor, bis 1990 dann 14.000 MW, und 2000 schließlich 35.000 MW – die Hälfte der prognostizierten Kraftwerkskapazität insgesamt. Doch die politische Lage änderte sich schnell. Tatsächlich gab es 1980 lediglich 530 MW Atomstrom – und dabei blieb es. Der Kraftwerkspark an sich wuchs statt auf 70.000 MW nur auf 19.000 MW, inklusive Kraft-Wärme-Kopplung – auch das ein großer Erfolg der Anti-AKW-Bewegung.

In den 1990er Jahren schien Atomkraft schon am Ende zu sein. Im März 1997 etwa ging das AKW Dodewaard wegen „mangelnder Perspektive für Atomkraft in den Niederlanden“ vom Netz. Und EPZ, der Betreiber des AKW Borssele, bekam zwar im Dezember 1994 für eine notwendige Modernisierung seines Reaktors einen staatlichen Zuschuss – allerdings unter der Bedingung, dass das AKW Ende 2003 stillgelegt würde. „Damit scheint das Kapitel der Stromerzeugung durch Atomenergie im niederländischen Kontext abgeschlossen“, schrieb die Regierung 1999 in ihrem Energiebericht.

Allerdings legten Mitarbeiter des AKW Borssele gegen die Befristung der Betriebsgenehmigung Beschwerde ein. Im September 2002 entschied ein Gericht, dass es zwar eine auf „gegenseitigem Vertrauen“ gegründete Verabredung zwischen Staat und Borssele gegeben habe, allerdings nur in administrativer Hinsicht und nicht im zivilrechtliche Sinne, weswegen das AKW Borssele auch über den 31.12.2003 in Betrieb bleiben dürfe. Die Regierung verhielt sich zu diesem Urteil naiv und passiv: Sie legte weder Berufung ein noch besserte sie das Ausstiegsgesetz nach. Dann änderte sich die politische Lage. Im Juni 2006 unterschrieben EPZ und Regierung einen Vertrag, demzufolge das AKW Borssele erst im Jahr 2033 abgeschaltet werden soll – nach 60 Betriebsjahren! Das gilt bis heute.

Neubaupläne Borssele-2

Die Pläne für einen zweiten Reaktor in Borssele datieren aus den frühen 1970er Jahren. 1976 wurden sie aufgrund der starken Anti-AKW-Bewegung, und weil der kleinste Koalitionspartner mit eine Regierungskrise drohte, verschoben. Ein zweiter Anlauf zehn Jahre später scheiterte an Tschernobyl. Der dritte Versuch startete im Juli 2009: Das regionale Energieunternehmen Delta beantragte eine Genehmigung für ein neues AKW mit einer Leistung von bis zu 2.500 MW. Der Bau sollte 2015 beginnen, der Meiler 2018 in Betrieb gehen, RWE und/oder EDF als Partner fungieren. Als deutlich war, dass die nicht wollten, bedeutete das im Januar 2012 das vorläufige Aus. Delta schließt jedoch nicht aus, die Pläne in einigen Jahren, wenn sich die wirtschaftliche Lage „gebessert“ habe, wieder aufzunehmen.

Anti-Atom-Bewegung

Obwohl es in den Niederlanden bis Mitte der 1980er Jahre eine sehr starke Anti-AKW-Bewegung gab, existieren inzwischen nur noch einige kleine Gruppen wie Laka und Wise. Alle großen Natur- und Umweltschutzorganisationen, mit Ausnahme von Greenpeace, haben ihre Anti-Atom-Arbeit Ende der 1980er, Anfang der 1990er Jahre eingestellt. Selbst die Neubaupläne für Borssele-2 änderten daran nichts. Nur in der Provinz Zeeland bildete sich ein Bündnis „Borssele-2-Nein“ aus Umwelt-Organisationen und Parteien. Als die Pläne vom Tisch waren, löste es sich sofort auf.

Erst in den letzten Monaten tut sich wieder was: In Süd-Limburg, rund um Maastricht, mobilisiert GroenLinks (vergleichbar mit den Grünen) gegen das belgische AKW Tihange. Im Januar gab es eine Demo in Maastricht mit 1.500 Leuten und am Fukushima-Jahrestag waren einige Hundert NiederländerInnen bei den Protesten in Tihange dabei. Auch um die Urananreicherungsanlage in Almelo gibt es einige lokale Gruppen, die, unterstützt von Laka, Aufklärungsarbeit machen und damit einige Erfolge haben. Ein neuer Anfang?

Autor: Dirk Bannink, Laka Foundation, www.laka.org


Dieser Text ist ursprünglich im .ausgestrahlt-Rundbrief Nr. 20 (April 2013) erschienen.

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