Atomausstieg wird 18
Foto: Tomas Engel
Motiv "Atomausstieg JETZT!"
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11. Juni 2019, zum 18. Mal jährt sich der Tag, an dem die damalige rot-grüne Bundesregierung gemeinsam mit den Bossen der Atomkonzerne den Ausstieg aus der Atomenergie beschloss. Für junge Erwachsene in Deutschland dauert der „Atomausstieg“ bereits ihr ganzes Leben lang. Denn 2019 ist Deutschland nach wie vor zweitgrößter Atomstrom- und somit auch Atommüll-Produzent in der EU. Stellvertretend für eine ganze Generation zeigen Zora, Lenny, Luisa, Kilian und Pina „zum 18. Geburtstag“ Gesicht. Sie sind genauso alt wie der Atomausstieg. In nur acht Worten halten sie der „Ausstiegsgesellschaft“ den Spiegel vor: „Ihr steigt schon mein ganzes Leben lang aus!“ Sie sind nicht mehr bereit, hinzunehmen, dass ihre Zukunft aufs Spiel gesetzt wird. Sie fordern, was ebenso möglich wie überfällig ist: Atomausstieg JETZT!

Die Postkarten, Plakate und Sharepics mit der Botschaft „Ihr steigt schon mein ganzes Leben lang aus – Atomausstieg jetzt!" finden großen Anklang bei jungen wie auch älteren Atomkraftgegner*innen. Sie verbreiten und teilen sie im Netz. Einige fühlen sich durch das .ausgestrahlt-Aktionsmaterial angeregt, auch eigene Bilder mit der Forderung „Atomausstieg jetzt!“ zu fotografieren. .ausgestrahlt blickt auf 18 Jahre Atomausstieg – natürlich nicht ohne auch eine politische Einordnung der Geschehnisse vorzunehmen.

.ausgestrahlt-Podcast

Hintergrund

Ein Leben lang

Jahre ist es her, dass Politik und AKW-Betreiber den „Atomkonsens“ unterzeichneten. Er sicherte den ungestörten Weiterbetrieb der AKW für Jahrzehnte. Dass trotzdem Meiler vom Netz gingen, hatte vornehmlich andere Gründe. Der Umweltminister lacht in die Kameras, den Erfolg, den er und seine Partei feiern wollen, würdigt das Plakat hinter ihm. „Der Atomausstieg“, steht dort, darunter, in nochmal größeren Lettern: „ist da!“ Mit Ausrufezeichen.

Es ist der 12. Juni 2001. Zora und Lenny, die für die aktuellen .ausgestrahlt-Plakate Modell standen, sind gerade ein paar Monate alt. Am Vorabend haben Jürgen Trittin und Kanzler Gerhard Schröder zusammen mit den Chefs der großen Energiekonzerne ihre Unterschriften unter den sogenannten „Atomkonsens“ gesetzt. Der Vertrag soll das Ende der Atomkraft in Deutschland besiegeln; bis dahin garantiert er den Konzernen den ungestörten Weiterbetrieb ihrer Reaktoren.

Atomausstieg JETZT! Lenny
Foto: Tomas Engel

32 Jahre und nicht länger, lautet die Saga, solle jeder Reaktor laufen dürfen. Damit, so Schröder, sei „ein klares Ende für die Nutzung der Kernenergie festgelegt“. Tatsächlich legen der Vertrag und das Atomgesetz, das im Frühjahr 2002 entsprechend angepasst wird, keinerlei Abschaltdaten fest. Stattdessen sprechen sie jedem Reaktor eine sehr großzügig bemessene Reststrommenge zu, die er noch produzieren darf, der Zeitraum dafür bleibt offen. Stillstände oder Leistungsdrosselungen aufgrund technischer Probleme, behördlicher Auflagen oder ökonomischer Entscheidungen der Betreiber verlängern also die Laufzeit der Meiler – in diesen Fällen produzieren sie ja weniger Strom.

Doch das ist längst nicht alles: Reststrommengen im Umfang von mehr als zehn Jahren gibt es sogar für das auf einer Erdbebenspalte errichtete und gerichtlich stillgelegte AKW Mülheim-Kärlich; RWE darf damit die Laufzeit seiner anderen Reaktoren ausweiten. Und das AKW Obrigheim, das bereits seine 32 Jahre auf dem Buckel hat, darf ebenfalls noch weiter am Netz bleiben, für zunächst einmal anderthalb Jahre.

Erste Schritte, zweite Laufzeitverlängerung

Lenny und Zora liegen noch in der Wiege, als die Anschläge vom 11. September aller Welt vor Augen führen, dass Flugzeugabstürze auf AKW nicht mehr zum unvermeidbaren „Restrisiko“ zählen. Dies könnte das Aus für alle Reaktoren bedeuten. Die Regierung aber bleibt untätig – bis heute. Sie hat im „Atomkonsens“-Vertrag zugesagt, die Sicherheitsanforderungen an AKW nicht zu verschärfen und den Betrieb von AKW auch ökonomisch nicht zu belasten. Selbst bereits angeordnete Nachrüstungen, etwa eine Notstandswarte für das AKW Biblis A, fallen unter den Tisch.

Lenny und Zora haben gerade Laufen gelernt, da drückt EnBW im Herbst 2002 mit Rückendeckung von Schröder eine zweite Laufzeitverlängerung von zweieinhalb Jahren für das AKW Obrigheim durch.
Erst Ende 2003, als die beiden Kleinkinder schon ihre ersten Worte plappern, geht mit dem AKW Stade der erste Reaktor vom Netz – aus rein wirtschaftlichen Gründen, wie Eon betont.

Als Zora und Lenny die Hälfte ihrer Kindergartenzeit hinter sich haben, stellt endlich, mit fast 37 Jahren, auch das AKW Obrigheim seinen Betrieb ein. Es wird die letzte AKW-Abschaltung für lange sein. CDU-Chefin Merkel kündigt Laufzeitverlängerungen für den Fall eines Wahlsiegs an. In der großen Koalition, mit der sie ab Herbst 2005 regiert, kann sie das zwar nicht umsetzen. Der Vorsatz aber bleibt. Parallel starten die Atomkonzerne eine großangelegte PR-Offensive, um den „Atomkonsens“, den sie wenige Jahre zuvor selbst unterschrieben haben, zu kippen. Das ist kein Wunder, hatte doch Rot-Grün – auch das war Teil des Deals – den AKW-Betreibern ihre Entsorgungsnöte genommen. An allen noch laufenden AKW sind große Zwischenlagerhallen entstanden, in welche die AKW ihre abgebrannten Brennelemente packen können, ohne dass Tausende Atomkraftgegner*innen den Abtransport des Mülls behindern würden. Und gemäß dem novellierten Atomgesetz gilt dieses Abstellen des Mülls in Zwischenlagerhallen nun als Entsorgungsvorsorgenachweis – eine entscheidende juristische Voraussetzung für den Weiterbetrieb der AKW.

 

 
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"Eine anti-atombewegte Kindheit" – Lennys Geschichte in unserem Blog.

 

Zora und Lenny, bei deren Geburt der „Atomausstieg“ angeblich schon unter Dach und Fach und „da“ war, kommen in die Schule, in die zweite, in die dritte Klasse. CDU, CSU und FDP wiederum kommen 2009 an die Regierung. Die versprochene Laufzeitverlängerung für AKW wird eines ihrer Großprojekte. Den älteren Meilern jedoch rinnt die Zeit davon beziehungsweise ihre Reststrommengen. Also drosseln sie die Produktion, wo immer es geht. Ziel ist, so wenig Strom zu produzieren, dass kein Reaktor seine Betriebsgenehmigung verliert, bevor die Laufzeitverlängerung in Kraft tritt. Eon verkauft seinem Konkurrenten RWE sogar die verbliebenen Reststrommengen des AKW Stade, damit auch Biblis A noch am Netz bleiben kann.

Hunderttausende Atomkraftgegner*innen realisieren nun, dass der „Atomkonsens“ das Papier nicht wert ist, auf dem er geschrieben ist. Trotz massiver Proteste ändert die schwarz-gelbe Regierung Ende 2010 das Atomgesetz und weist allen AKW zusätzliche Reststrommengen zu, die den sieben ältesten Meilern rechnerisch acht, den jüngeren Meilern 14 weitere Volllastjahre ermöglichen. Für Lenny und Zora, die gerade ihren zehnten Geburtstag feiern, bedeutet das, dass auch an ihrem 30. Geburtstag und weit darüber hinaus noch AKW laufen werden.

Atomstrom bis weit nach dem Abi

Wenige Wochen später, am 11. März 2011, fällt im japanischen AKW Fukushima-Daiichi der Strom aus. In drei Reaktoren kommt es zur Kernschmelze, in einem weiteren drohen plutoniumhaltige Brennstäbe in einem offenen Becken zu überhitzen. In Deutschland gehen mehrmals in Folge Hunderttausende Atomkraftgegner*innen auf die Straße, auch Lenny und seine Mutter sind dabei. Es sind die größten Anti-AKW-Proteste der Geschichte der Bundesrepublik.

Unter dem Druck der Anti-Atom-Bewegung und dem Eindruck der Katastrophe von Fukushima nimmt die schwarz-gelbe Regierung ihre gerade erst beschlossene Laufzeitverlängerung wieder zurück und legt zudem für jeden Reaktor ein spätestes Abschaltdatum fest. Acht Meiler, die technisch unsichersten, müssen sofort vom Netz. Die neun verbliebenen dürfen weiterlaufen, die meisten davon bis 2022. Das ist bis zu fünf Jahre länger, als die den Reaktoren 2001 zugestandenen Reststrommengen bei normalem Betrieb reichen würden. Trotzdem stimmen auch SPD und Grüne im Bundestag zu. Zora und Lenny, die im Sommer gerade ihre Grundschulzeit beendet haben, müssen weiterhin damit rechnen, dass selbst nach ihrem Abi noch sieben AKW am Netz sind.

Zwar gilt auch weiterhin die Reststrommengen-Begrenzung des „Atomkonsens“ von 2001. Die AKW-Betreiber können jedoch die verbliebenen Strom-Kontingente der 2011 aus Sicherheitsgründen abgeschalteten Meiler für eine heimliche Laufzeitverlängerung der verbliebenen Meiler nutzen – wovon sie in der Folge auch rege Gebrauch machen werden. Für nach Abschalten des letzten AKW nicht verbrauchte Reststrommengen spricht ihnen das Bundesverfassungsgericht Ende 2016 darüber hinaus eine Entschädigung zu.

Vier Jahre lang geht kein einziges weiteres AKW vom Netz. 2015 folgt dann das AKW Grafenrheinfeld, sogar ein halbes Jahr früher als gesetzlich vorgeschrieben. Ausschlaggebend dafür sind wiederum ökonomische Gründe: die 2011 eingeführte Brennelemente-Steuer macht einen Weiterbetrieb des Meilers unwirtschaftlich. Um den 16. Geburtstag von Lenny und Zora herum läuft die von der schwarz-gelben Bundesregierung eingeführte Steuer allerdings aus. Zudem muss die Regierung die bereits gezahlten Milliarden wenig später zurückzahlen – das Verfassungsgericht erklärt die Steuer aus formalen Gründen für nichtig. Eine verfassungskonforme neue Brennelemente-Steuer oder ‑Abgabe zu erheben, was durchaus möglich wäre, lehnt die Regierung ab. Damit sind AKW wieder Goldesel. Das AKW Gundremmingen B, das laut Gesetz 2017 vom Netz muss, zögert seine Abschaltung entsprechend bis zum allerletzten Tag des Jahres hinaus.

Lenny und Zora sind inzwischen volljährig, der sogenannte „Atomausstieg“ wird 2019 ebenfalls 18. Nur „da“, das ist er immer noch nicht. Sieben Reaktoren sind weiterhin am Netz. Deutschland ist nach wie vor der zweitgrößte Atomstromproduzent in der EU – genau wie vor 18 Jahren.

Armin Simon

Das Thema

"Ihr riskiert unsere Zukunft"

Am 11. Juni 2001 unterzeichneten die Chefs der vier großen Stromkonzerne zusammen mit dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder und dem grünen Umweltminister Jürgen Trittin den „Atomkonsens“-Vertrag. Seither, mit einem kurzen „Ausstieg vom Ausstieg“ zwischen Oktober 2010 und März 2011, gilt in Deutschland die Atomkraft als Auslaufmodell, läuft aber strahlend weiter.

 

Atomkonsens Vertragsunterzeichnung 2001
Foto: Marco Urban
Unterzeichnung des „Atomkonsens“-Vertrags am 11. Juni 2001

 

Das Ende zieht sich ewig in die Länge. Die im Jahr des Ausstiegs-Versprechens geborenen Kinder sind 2019 erwachsen. Und noch immer laufen in Deutschland sieben AKW, produzieren Atommüll und gefährden Tag für Tag die Zukunft dieser jungen Menschen. Deshalb zeigen einige von ihnen jetzt Gesicht. Ihre Geduld ist am Ende.

Sie sind nicht bereit, noch fast vier weitere Jahre die Risiken einer Technologie in Kauf zu nehmen, die nicht mehr benötigt wird und die Energiewende behindert. Die Botschaft der 18-Jährigen: „Ihr steigt schon mein ganzes Leben lang aus.“ Ihre Forderung: „Atomausstieg JETZT!“

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