Vor einem Jahr wurden bei Patient*innen in Deutschland und der Schweiz außergewöhnlich hohe Mengen Uran im Urin nachgewiesen, Herkunft und Ursache sind unklar. Mediziner*innen vermuten eine radioaktive Freisetzung.
Zwischen Februar und Mai 2017 hat der Schweizer Arzt Thomas Carmine bei 39 Patient*innen unüblich hohe Mengen Uran 238 im Urin nachgewiesen. Die gemessenen Werte waren acht bis zehnmal so hoch wie normal. Im Raum Düsseldorf wurden im selben Zeitraum in 250 Urinproben ebenfalls ein kontinuierlicher Anstieg von Uran festgestellt.
„Es muss irgendwie Anfang des Jahres eine größere Menge Uran insofern freigesetzt worden sein, dass Menschen das inkorporiert haben“, so Carmine. „Ich denke mittlerweile, dass der Weg über die Einatmung der wahrscheinlichste ist, weil die regionale Verteilung sehr groß war.“
Uran kann vom menschlichen Organismus über das Trinkwasser, über die Nahrung oder über die Atmung aufgenommen werden. Während der schwerlösliche Teil von Uranstaub längere Zeit in der Lunge verbleiben kann, gelangt der lösliche Teil ins Blut und wird mit diesem im Körper verteilt. Hier wird Uran teilweise im Knochen und in der Niere eingelagert und durch letztere ausgeschieden.
Uran schädigt die Gesundheit auf zweierlei Weise: Zum einen ist es wie beispielsweise Blei und Kadmium ein Schwermetall und somit toxisch. Zum anderen ist es radioaktiv. Uran sendet giftige Alphastrahlen aus und zerfällt dabei nur sehr langsam. Uran-238 hat eine Halbwertszeit von fast viereinhalb Milliarden Jahren. Es zerfällt in mehreren Schritten zu Folgeelementen wie Thorium, Radon, Radium und Polonium. Diese Zerfallsprodukte sind dabei erheblich radioaktiver als das Uran selbst.
Von Alphastrahlen getroffene Zellen verändern sich oder werden zerstört. Die Reichweite der Alpha-Strahlung beträgt in Luft wenige Zentimeter und in Körpergewebe je nach Dichte wenige Millimeter bis Bruchteile von Millimetern. Da ionisierende Strahlung generell Krebserkrankungen erzeugen kann, hierfür aber dank kontroversen Debatten in der Medizin und Atomlobby keine Schwellenwerte existieren, „muss auch für die durch Uran verursachte Strahlung grundsätzlich eine Krebs verursachende Wirkung angenommen werden“, schreibt das Bundesamt für Strahlenschutz.
Mehrere Studien legen nahe, dass Kinder von mit Uran belasteten Eltern sehr wahrscheinlich ein größeres Risiko haben, mit Missbildungen geboren zu werden. Das Uran schädigt die Zellkerne mit den Erbinformationen.
Herkunft unklar
Bisher gibt es nur die besorgniserregenden Untersuchungsergebnisse aus der Schweiz und aus Düsseldorf. Aber keine (offizielle) Erklärung über die Herkunft der erhöhten Urankonzentrationen. Neben einem Störfall in einer Atomanlage könnten mögliche Ursachen für die Emissionen etwa Kohlekraftwerke oder Dünger in der Landwirtschaft sein. Laut Martin Kalinowski von der „Organisation über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen“ könnten auch Uranaerosole zum Beispiel aus dem Syrienkrieg bis zu uns nach Mitteleuropa gelangen.
Der dritte Fall
Nachdenklich macht die Tatsache, dass es sich schon wieder um mysteriös erhöhte Radioaktivitätswerte in Europa handelt, für die es keine offizielle Erklärung gibt.
Anfang Oktober schlugen Wetterdienste Alarm: An verschiedenen Orten in Europa wurden erhöhte Werte von radioaktivem Ruthenium-106 in der Luft nachgewiesen. Als Ursache haben westliche Forscher eine Atomfabrik in Russland gefunden, das Land aber bestreitet eine Freisetzung.
Im Februar 2017 schlugen die Strahlungsmonitore in Skandinavien Alarm. Eine vierfach erhöhte Zunahme von radioaktiven Iod-131 wurde gemessen. Ein Atombombentest oder ein Reaktorunfall seien als Ursache nicht auszuschließen, hieß es. Iod-131 sammelt sich beim regulären Betrieb eines Reaktors in Zwischenräumen der Brennstäbe an. Kommt es zum Störfall, entweicht radioaktives Iod als einer der ersten Stoffe ins Freie.
Uran im Straßenbelag
Im sächsischen Gersdorf ist laut Gerüchten beim Bau von Straßen Schotter aus dem ehemaligen Uranabbaugebiet der DDR benutzt worden. Vor 1990 sei „radioaktiver Bauschutt“ in die Hauptstraße eingebracht worden, uranbelastetes Haldenmaterial zur Straßensanierung. Vermehrt soll es daraufhin in der Gemeinde Krebserkrankungen geben, teilweise sind die Betroffenen schon gestorben. Ein Einwohner fordert nun Strahlenmessungen.
Es war in der DDR viele Jahre Praxis, Haldenmaterial beim Straßenbau zu verwenden, bestätigt das heutige Sanierungsunternehmen, das die Umweltkatastrophe der Uranerzförderung in der ehemaligen DDR beseitigen soll. Weil Baustoffe damals Mangelware waren, seien bis zu 14 Millionen Tonnen radioaktiven Materials, das hauptsächlich von der Wismut-Halde im heutigen Zwickauer Ortsteil Crossen stammte, eingesetzt worden. „Wo im Detail, ist kaum noch bekannt“, so das Unternehmen.
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Radioaktive Wolke über Europa: War es Majak?
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Uran – der dreckige Atombrennstoff
Für Atomstrom braucht man Uran, ein radioaktives Schwermetall. Das zu fördern und für Atomkraftwerke aufzubereiten ist ein äußerst dreckiges Geschäft, das massive Umwelt- und Gesundheitsschäden verursacht. -
Zahlreiche Studien haben nachgewiesen: Je näher Kleinkinder an einem Atomkraftwerk leben, desto höher ist ihr Risiko, an Krebs zu erkranken – vor allem an Leukämie (Blutkrebs), die besonders leicht durch Strahlung hervorgerufen wird. - Hintergrund Strahlung
Quelle (Auszug): br.de, uranmunition.org, bfs.de, netzfrauen.org, freiepresse.de; 17./22.1./1.2.2018