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Am 16. Dezember wurden die mehr als 40.000 Unterschriften dieser Aktion auf dem CSU-Parteitag überreicht: zur Pressemitteilung.

Das Atomkraftwerk Gundremmingen wird immer älter und gefährlicher. Es erzeugt jeden Tag Atommüll, für den es keine sichere Entsorgung gibt. Dabei wird das Kraftwerk zur Stromversorgung nicht mehr benötigt. 
Deshalb forderten .ausgestrahlt, das Umweltinstitut München, das Forum "Gemeinsam gegen das Zwischenlager und für eine verantwortbare Energiepolitik" und die IPPNW gemeinsam mit mehr als 40.000 Atomkraftgegner*innen, BEIDE Reaktorblöcke B und C 2017 abzuschalten, statt Block C noch vier Jahre weiter zu betreiben:

"Wer B sagt, muss auch C sagen. AKW Gundremmingen – Beide Blöcke 2017 abschalten!"

Bildergalerie: Aktionen am AKW Gundremmingen

  • 31. Dezember 2017 - Endgültiges Abschalten von Block B (4 Fotos: Helge Bauer)
  • 16. Dezember 2017 - Unterschriftenübergabe auf dem CSU-Parteitag (4 Fotos: Lars Hoff)
  • 17. September 2017 - Buchstabenformation: "Atomrisiko JETZT aBsChalten!"
  • 9. August 2017 - Nächtliche Projektion auf das Atomkraftwerk.
  • 13. Januar 2017 - Protestaktion zum 40. Jahrestag des Totalschadens im Block A. 
Chronik

31. Dezember 2017 - Um 12 Uhr mittags geht Block B für immer vom Netz. Atomkraftgegner*innen versammeln sich vor dem Haupttor zum feiern. Zugleich fordern sie erneut: der baugleiche und gefährliche Block C muss ebenfalls sofort und für immer abgeschaltet werden.  zur Pressemitteilung

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16. Dezember 2017 - Übergabeaktion auf dem CSU-Parteitag in Nürnberg: ausgestrahlt überreicht gemeinsam mit dem Umweltinstitut München über 40.000 Unterschriften an Dr. Georg Nüßlein, den stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für das sofortige AUS beider AKW-Blöcke. zur Pressemitteilung

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Foto: Lars Hoff

17. September 2017 - .ausgestrahlt, die Mahnwache Gundremmingen und das Umweltinstitut München sorgen in der Endphase des Bundestagswahlkampfes mit einer gemeinsamen Protestaktion am AKW Gundremmingen für Aufmerksamkeit: In riesigen Lettern formen Atomkraftgegner*innen die Forderung "Atomrisiko jetzt abschalten".

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Foto: Andreas Conradt / PubliXviewinG

14. September 2017 - Ein Videoclip von .ausgestrahlt und dem Umweltinstitut bringt den Irrsinn auf den Punkt: Es kann nicht sein, dass Block C weiterläuft, während Block B abgeschaltet wird.

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Ausschnitt aus dem Video "Wer B sagt..."

9. August 2017 - Nächtliche Projektion auf das Atomkraftwerk Gundremmingen. Ein leuchtendes Zeichen gegen die Sicherheitsbedrohung durch Deutschlands gefählichstes Atomkraftwerk. Kurz bevor der Reaktorblock C nach einer Revision wieder angefahren wird, wurde Schriftzug „Block C: Endgültig vom Netz!“ an den Kühlturm des aktuell abgeschalteten Kraftwerksblocks projiziert

Block C: Endgültig vom Netz! - Projektion auf den Block C des AKW Gundremmingen
Foto: Jörg Farys

3. Juni 2017: Einer repräsentativen Umfrage zufolge, ist die Mehrheit der bayerischen Bevölkerung dafür, beide AKW in Gundremmingen 2017 abzuschalten. Überraschend: Fast die Hälfte der CSU-Anhänger befürworten das schnelle Aus von Block B und C.

 

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Umfrage zeigt: Mehrheit der Bayern sind für Gundremmingen-Aus

28. März 2017: Zum Erörterungstermin für das Verfahren zum Abriss des bayerischen AKW Gundremmingen unterstreicht .ausgestrahlt zusammen mit Bündnispartnern und Atomkraftgegner*innen die Forderung: BEIDE Blöcke müssen Ende des Jahres vom Netz gehen.

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Foto: Helge Bauer

16. März 2017: In einem  Icon offenen Brief an Bundesumweltministerin Hendricks fordern .ausgestrahlt und das Umweltinstitut München, beide Blöcke des AKW Gundremmingen sofort abzuschalten. Sie verstoßen gegen die gesetzlichen Sicherheitsanforderungen und sind eine akute Gefahr für die Bevölkerung.  

6. März 2017: Ein von den Grünen in Auftrag gegebenes  Icon Gutachten von Prof. Dr. Manfred Mertins (ehemaliger Sachverständiger der Gesellschaft für Anlagen und Reaktorsicherheit, GRS) zeigt klare Mängel im Notkühlsystem beider Reaktoren des AKW Gundremmingen auf. Die unzureichende Ausstattung der Not- und Nachkühlsysteme kann dazu führen, dass das AKW im Störfall nicht mehr beherrschbar ist. Prof. Dr. Mertins kommt ebenfalls zu dem Schluss, dass ein vom Bundesumweltministerium (BMUB)  herausgegebenes Gutachten zum selben Thema aus dem Jahr 2016, in Teilen erhebliche fachliche und handwerkliche Fehler aufweist und in seinen Kernaussagen nicht belastbar ist.

Auf Grund dieser unterschiedlichen Bewertungen, wurde das neue Gutachten nochmals geprüft. Diese sogenannte Icon Peer Review erstellte der Physiker und ehemaligen Leiter der GRS, Lothar Hahn. Er konnte alle Ergebnisse von Prof. Dr. Mertins bestätigen. Beide Wissenschaftler sehen einen klaren Verstoß gegen die deutschen Anforderungen zu Sicherheitssystemen bei AKW. Die Grünen fordern nun die sofortige Abschaltung der beiden noch laufenden Reaktoren, mindestens bis zur Behebung der aufgezeigten Defizite.

27. Februar 2017: Das AKW Gundremmingen hat 2016 so wenig Strom produziert wie noch nie zuvor. Das errechnen die Landtags-Grünen mit Zahlen des Bundesamts für Strahlenschutz. Zum Presseartikel

18. Januar 2017: Gemeinsam mit Bündnispartnern startet .ausgestrahlt die Aktion "Wer B sagt, muss auch C sagen - Beide Blöcke in Gundremmingen in 2017 abschalten". Atomkraftgegner*innen sammeln Unterschriften und verbreiten Kampagnenmaterial, um die Forderung durchzusetzen.

13. Januar 2017: Anlässlich des 40. Jahrestags des gefährlichen Totalschadens im Block A protestieren zahlreiche Atomkraftgegner*innen vor dem AKW Gundremmingen. Sie mahnen, beide Blöcke noch in diesem Jahr abzuschalten und schneiden eine brennende Zündschnur durch, die zu zwei nachempfundenen Blöcken und Kühlturm führt. Zur Aktion hatte .ausgestrahlt gemeinsam mit dem Umweltinstitut München und der lokalen Bürgerinitiative "Forum gegen das Zwischenlager" aufgerufen.

Gundremmingen Aktion Januar 2017
Foto: Tobias Witzgall
Protest vor dem AKW Gundremmingen

 

Fragen & Antworten

Fragen und Antworten
zu den beiden gefährlichsten AKW in Deutschland

Das AKW Gundremmingen bei Günzburg an der Donau ist das einzige in Deutschland, in dem noch zwei Reaktoren laufen. Die Betriebsgenehmigung des einen läuft Ende des Jahres aus. Der baugleiche andere hingegen soll noch vier Jahre länger in Betrieb bleiben – trotz massiver Sicherheitsprobleme. Beide Reaktoren müssen schon 2017 vom Netz!

(Stand: Mai 2017)

  • Beide sind vom selben Typ: Siedewasserreaktoren. Diese sind – siehe unten – besonders gefährlich. In beiden AKW kam es zudem schon zu Totalschäden: Im AKW Gundremmingen am 13. Januar 1977 in Block A, in Fukushima ab dem 11. März 2011 in den Blöcken 1 – 4.

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    Schwachstellen AKW Gundremmingen

  • Drei. Block A ging im Dezember 1966 in Betrieb und erlitt 1977 einen Totalschaden. Block B und Block C sind seit 1984 am Netz.

  • Nein. Die Reaktoren gehören zur sogenannten Baulinie (19)72. Auf den Straßen dominierte damals der VW-Käfer … Die Meiler entsprechen bis heute nicht einmal den bei ihrer Inbetriebnahme geltenden Sicherheitsanforderungen. Nach heutigen Sicherheitsmaßstäben bekämen sie erst recht niemals mehr eine Betriebserlaubnis. Ein schwerer Unfall bis hin zu einem alle Sicherheitssysteme sprengenden Super-GAU ist in beiden Reaktoren jeden Tag möglich.

  • Erstens werden die Turbinen direkt vom radioaktiv kontaminierten Dampf aus dem Reaktor angetrieben. Der Hauptkreislauf verläuft also zum Teil außerhalb des Sicherheitsbehälters und des Reaktorgebäudes. Zweitens fallen die Stäbe zum Stoppen der Kettenreaktion im Notfall nicht einfach von oben in den Reaktorkern, sondern müssen von unten hineingedrückt werden – was deutlich leichter schief gehen kann. Drittens liegen die Abklingbecken mit den verbrauchten, hochradioaktiven Brennelementen außerhalb des Sicherheitsbehälters, sind also weniger geschützt.

  • Sie haben keine den gesetzlichen Vorschriften entsprechenden Reserven. Bei schweren Erschütterungen durch Erdbeben oder Explosionen können Rohrleitungen abreißen und die Reaktoren und Brennelementlagerbecken unter Umständen nicht mehr richtig gekühlt werden. Ein Gutachten der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) stellte 2013 fest, dass das AKW sowohl die aktuellen wie auch früher gültige Sicherheitsanforderungen im Erdbebenfall „nicht erfüllt“. Das vom Betreiber angeführte Zusatzsystem „ZUNA“, auf das auch die Atomaufsicht bisher verweist, kann diese Mängel nicht beheben. Das weist ein von der Grünen-Bundestagsfraktion in Auftrag gegebenes Gutachten des renommierten Reaktorsicherheitsexperten Prof. Dr. Manfred Mertins von Dezember 2016 eindeutig nach.

  • RWE hat bis heute keinen Nachweis erbracht, dass Gundremmingen B und C den Absturz einer großen Verkehrsmaschine überstehen würden. Die Reaktorsicherheitskommission hatte diese Nachweise nach Fukushima erneut eingefordert. Nach den Anschlägen auf das World Trade Center 2001 hatte eine GRS-Studie die Verwundbarkeit von AKW durch Flugzeugabstürze untersucht. Gundremmingen B und C schnitten dabei noch schlechter ab als alle anderen bis heute laufenden AKW.

  • Laut einem Gutachten des obersten Atomaufsehers im Bundesumweltministerium sind die Reaktordruckbehälter in den Gundremminger Reaktoren falsch konstruiert: Bei einem Störfall mit Druckstoß im Innern des Behälters könnte die Bodenschweißnaht reißen. Auch gegen die Flutwelle, die ein Dammbruch der oberhalb gelegenen Donaustaustufe verursachen würde, sei das AKW unter Umständen nicht ausreichend geschützt. Darüber hinaus sind in beiden Blöcken seit Jahren häufig Brennstäbe undicht. Dies führt zu erhöhten Freisetzungen von radioaktiven Gasen.

  • RWE behauptete jahrelang, die Computer seien vom Internet getrennt und alle Datenträger würden akribisch untersucht. Dennoch stellte man im Frühjahr 2016 auf einem Rechner an der Brennelement-Lademaschine einen Computervirus fest. Angeblich diente dieser Rechner nicht zur Steuerung der Maschine. Die Sicherheitsbehörden warnten im selben Jahr aber dann ungewöhnlich intensiv vor Cyberattacken auf Atomanlagen.

  • Nimmt man die Radioaktivität zum Maßstab, lagert nirgendwo in Deutschland so viel Atommüll wie hier. Die zwei Abklingbecken sind mit jeweils über 2.000 verbrauchten Brennelementen randvoll, im Innern beider Reaktoren befinden sich jeweils weitere 784. Und im Zwischenlager stehen nochmal rund 2.500, verpackt in fast 50 Castor-Behälter. Auch weil in Gundremmingen mehr besonders plutoniumhaltiger MOX-Brennstoff zum Einsatz kam als in jedem anderen AKW, lagern hier inzwischen über 10.000 Kilogramm Plutonium.

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    Das hängt stark vom Verlauf des Unfalls und vom Wetter ab. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) wies 2012 in einer Studie nach, dass selbst bei einer Freisetzung von nur zehn Prozent des radioaktiven Inventars eines AKW noch Gebiete in 170 Kilometer Entfernung dauerhaft unbewohnbar werden könnten. Für die Region um Gundremmingen wäre ein schwerer Atomunfall das Aus: Millionen Menschen würden Heimat, Haus und Arbeitsplätze verlieren, von den Gesundheitsschäden ganz zu schweigen.

     

  • Ja. Über seinen 170 Meter hohen Kamin gibt das AKW Jahr für Jahr rund 330 Billionen Becquerel radioaktive Edelgase – bisweilen auch das Dreifache – plus nochmal rund 70 Billionen Becquerel Tritium ab. Hinzu kommen die radioaktiven Abwässer in die Donau. Die im Auftrag des BfS erstellte Kinderkrebsstudie wies 2007 nach, dass in der Nachbarschaft von AKW in Deutschland signifikant mehr Kleinkinder an Krebs erkranken als anderswo. Das Krebsrisiko nimmt mit der Nähe zu den AKW zu.

     

  • Der bei seiner Inbetriebnahme 1966 größte Leistungsreaktor der Welt wird nach zehnjähriger Anlaufphase im Dezember 1976 in die Verantwortung von RWE und Bayernwerk/Eon/Preussen Elektra übergeben. Wenige Tage später, am 13. Januar 1977, ist es draußen kalt und nass. An den Isolatoren der Freileitungen bildet sich Raureif, das führt zu Kurzschlüssen. Der Reaktor muss schnell abschalten, dabei kommt es zu Fehlfunktionen: Instrumente signalisieren kurzzeitig einen Unterdruck, Pumpen pressen daraufhin Notkühlwasser in den Reaktor. Der Druck dort steigt so stark, dass schließlich mehrere Hundert Grad heißes Wasser herausschießt. Zwar gelingt es, die Kettenreaktion zu stoppen. Im Reaktorgebäude aber steht meterhoch radioaktives Wasser und verursacht einen Totalschaden. Wie viel Strahlung in Luft und Donau gelangt, wird nie offiziell bekannt gegeben.

  • Nein. Die erneuerbaren Energien decken bereits ein Drittel des Strombedarfs in Deutschland, die Netto-Stromexporte erreichten 2016 mit 54 Milliarden Kilowattstunden – mehr als die Jahresproduktion der fünf größten AKW – einen neuen Rekord. Wegen des Überangebots liegen allein in Bayern Gaskraftwerke mit einer Gesamtleistung von mehreren Gigawatt brach. Die bereits existierenden innerdeutschen Übertragungsnetze reichen locker aus, um auch Süddeutschland jederzeit mit ausreichend Strom aus vorhandenen inländischen nicht-atomaren Kraftwerken versorgen zu können.

  • Im sogenannten „Atom-Konsens“ von 2001 verpfichteten sich die Atomkonzerne, ihre AKW nach einer Laufzeit von 32 Jahren abzuschalten. Gundremmingen B und C hätten nach dieser Logik im Juli 2016 und Januar 2017 vom Netz gehen müssen. Allerdings setzten die Konzerne durch, dass die Restlaufzeiten in Reststrommengen umgerechnet wurden. RWE bekam zudem auch für das damals bereits stillgelegte AKW Mülheim-Kärlich Strommengen zugesprochen.

    Als die schwarz-gelbe Bundesregierung 2011 unter dem Druck der Anti-Atom-Proteste für jeden Reaktor ein spätestes Abschaltdatum ins Atomgesetz schrieb, billigte sie den Meilern in Gundremmingen ungeachtet aller Sicherheitsbedenken eine besonders lange Betriebszeit zu – unter anderem wegen der Mülheim-Kärlich-Strommengen. Gundremmingen B darf demnach bis Ende 2017 laufen, der baugleiche Block C sogar bis Ende 2021; dann wäre er mehr als 37 Jahre alt.

     

  • Ja. Beide Reaktoren sind miteinander verbunden. Läuft Block C weiter, während Teile und Systeme von Block B abgeschaltet und ausgebaut werden, birgt dies zusätzliche Gefahren. Zumal es immer auch zu Verwechslungen von Anlagenteilen kommen kann. So sollte ein Arbeiter 2015 die Druckluftversorgung des für Wartungsarbeiten heruntergefahrenen Block B ausschalten. Irrtümlich stoppte er aber die des noch laufenden Block C. Die Notabschaltung damals gelang zum Glück.

  • Ja. Die Bürger*innen-Initiative, die sich heute „FORUM Gemeinsam gegen das Zwischenlager und für eine verantwortbare Energiepolitik e.V.“ nennt, konnte 2013 eine seit 1999 geplante gefährliche Leistungserhöhung beider Reaktoren stoppen. Mehr als 33.000 Bürger*innen hatten dies in einer Petition gefordert, ein Gutachten im Auftrag des FORUM zudem massive Sicherheitsrisiken offengelegt. Die Staatsregierung signalisierte RWE daraufhin, es sei besser, den Antrag zurückzuziehen – was RWE wenige Tage später tat.

  • Die bayerische Atomaufsicht könnte sowohl Block B als auch Block C des AKW Gundremmingen vorläufig stilllegen oder die Betriebsgenehmigung widerrufen. Denn die Notkühlsysteme beider Reaktoren genügen seit deren Inbetriebnahme nicht den gesetzlichen Vorschriften und Anforderungen; auch die Konstruktionsmängel des Reaktordruckbehälters und die ungeklärte Erdbebensicherheit wiegen schwer. Ebenso könnte die Bundesatomaufsicht eine Stilllegungs-Weisung erteilen. Und der Bundestag könnte jederzeit ein schnelleres Abschalten von Block C beschließen.

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Hintergrund

„Das sind Krücken“

Interview | Reaktorsicherheitsexperte Manfred Mertins über mangelhafte Sicherheitssysteme und bei einem Störfall nötige Handmaßnahmen im AKW Gundremmingen

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Foto: privat

Herr Mertins, entspricht das AKW Gundremmingen den geltenden Sicherheitsnormen?
Manfred Mertins: Nein.

Warum nicht?
Das Notkühlsystem ist nicht regelkonform ausgelegt: Schon beim Bemessungserdbeben, das man bei der Auslegung des Kraftwerks zugrunde gelegt hat, fällt einer der Notkühlstränge aus. Dann stehen nur noch zwei und nicht mehr wie gefordert drei zur Verfügung.

Sehen nur Sie das so?
Nein, das ist unstrittig. Selbst die bayerische Atomaufsicht hat das schon vor Jahren so festgestellt.

Was ist die Funktion des Notkühlsystems?
Es soll bei bestimmten bei der Auslegung des AKW zugrunde gelegten Störfällen eine Kernschmelze verhindern, etwa wenn Rohrleitungen im Reaktor brechen, durch die Wasser verloren geht. Dafür braucht man ein System, das die Wasserversorgung des Reaktorkerns sehr schnell wiederherstellt – das Notkühlsystem.

Es muss also neues, kühles Wasser in den unter hohem Druck stehenden Reaktorkern hineindrücken?
Ja, um die Brennelemente abzukühlen und die Hitze aus dem Reaktorkern abzuführen. Dazu muss es einen Kreislauf erzeugen, der die Kühlung über mehrere Tage hinweg gewährleisten kann. Denn an die Anlage kommt man ja erst einmal gar nicht heran.

Ist die mangelnde Erdbebenfestigkeit des Notkühlsystems im AKW Gundremmingen ein neues Problem?
Ganz im Gegenteil: Sie geht weit in die 1970er-Jahre zurück. Der Anfang war, dass die Notkühlsysteme in Block B und Block C ursprünglich ohne Zwischenkühlkreisläufe geplant wurden …

Zwischenkühlkreislauf – was ist das?
Ein separater, zwischengeschalteter Kreislauf, der bei einem Störfall die Hitze aus dem Notkühlkreislauf aufnimmt und sie an das Nebenkühlwasser abgibt, das etwa aus einem Fluss kommt. Die Zwischenkühlkreisläufe sind also eine wichtige Barriere, damit auch bei einem Notkühlfall keine radioaktiven Substanzen aus dem Reaktor in die Umgebung gelangen können. Deshalb waren sie auch in den 1970er-Jahren schon Stand von Wissenschaft und Technik. Bis heute kommt kein AKW weltweit ohne sie aus – nur im AKW Gundremmingen, da sollte es ursprünglich keine geben.

Hat das niemanden gestört?
Doch. Die Reaktorsicherheitskommission hat damals interveniert – und entschieden, dass, anders als geplant, auch im AKW Gundremmingen in allen Notkühlsträngen von Block B und C ein Zwischenkühlkreislauf eingebaut werden muss. Das jedoch gab ein ernstes Raumproblem.

Inwiefern?
Die Rohrleitungen, Wärmetauscher und großen Pumpen der Zwischenkühlkreisläufe brauchen viel Platz. Und den gab es in den Gundremminger Reaktoren damals nicht mehr.

Wie haben die AKW-Konstrukteure das Problem gelöst?
Sie haben jeweils nur Strang zwei und drei des Notkühlsystems in den Reaktorgebäuden von Block B und C untergebracht. Strang eins hingegen haben sie bei beiden Reaktoren zum Teil in das sogenannte nukleare Betriebsgebäude verlegt. Das ist aber nicht ausreichend gegen Erdbeben ausgelegt.

Was bedeutet das?
Dass im Erdbebenfall nur zwei Notkühlstränge zur Verfügung stehen. Das Regelwerk verlangt aber drei, und das aus gutem Grund: Einer könnte zu Reparaturzwecken abgeschaltet sein und also nicht zur Verfügung stehen, ein weiterer aufgrund eines Einzelfehlers ausfallen – technisch kann das immer passieren. Und dann muss eben noch ein dritter vorhanden sein, der die Notkühlung sicher gewährleistet.

Und wenn nicht?
Dann kann der Reaktorkern unter Umständen nicht mehr gekühlt werden – es kann  zur Kernschmelze kommen.

RWE hat in den 1990er-Jahren ein zusätzliches unabhängiges Notkühlsystem gebaut, …
… das sogenannte ZUNA. Das ist aber kein reguläres Sicherheitssystem. Es ist technisch ganz anders konzeptioniert und auch nicht ausgelegt für diesen Zweck. Zum Beispiel verfügt es, im Gegensatz zu den regulären Notkühlsystemen, nicht über einen Zwischenkühlkreislauf. Außerdem spricht das ZUNA nicht bei hohem Druck an und kann, anders als ein reguläres Notkühlsystem, auch kein Kühlwasser in den Reaktorkern einspeisen, solange dort hoher Druck herrscht – um nur mal zwei Unterschiede zu nennen.

Trotzdem scheint nicht nur die bayerische Atomaufsicht, sondern auch das Bundesumweltministerium (BMUB) gewillt, das ZUNA als Ersatz für den nicht erdbebenfesten dritten Notkühlsystemstrang zu akzeptieren. Es hat eigens ein Gutachten in Auftrag gegeben, wonach das ZUNA dessen Funktion im Erdbebenfall ersetzen könne.
Das ist für mich nicht nachvollziehbar. Das ZUNA kann nur unter Mitteldruck-Bedingungen frisches Wasser in den Reaktorkern einspeisen. Das heißt, die Mannschaft müsste erst einmal aktive Handlungen vornehmen, etwa manuell Druck aus dem Reaktor ablassen, damit das ZUNA überhaupt die Notkühlfunktion übernehmen kann. Darauf weist sogar das BMUB-Gutachten ausdrücklich hin.

Es hält es aber für denkbar, dass ein AKW-Mitarbeiter im Notfall zu einem Ventil am Reaktor laufen könnte, das er öffnen und freischalten müsste – und geht dann etwa der Frage nach, ob die Decke über dem Gang dorthin auch bei Erdbeben nicht einkracht.
Das sind echte Krücken! Das Notkühlsystem gehört zur Sicherheitsebene 3. Systeme auf dieser Ebene müssen zweifelsfrei und automatisch funktionieren – in allen Strängen. Da darf ich keine Handmaßnahmen oder andere einschränkende Bedingungen formulieren. Denn der Störfall, der möglicherweise eintritt, richtet sich nicht nach Bedingungen. Erinnern wir uns doch einmal an Fukushima. Das hat doch gezeigt, dass Personalhandlungen bei einem Störfall unter Umständen eben nicht mehr möglich sind. Die Anlage muss in der Lage sein, die Notkühlung automatisch zu gewährleisten!

Die Gutachter betonen, sie hätten nur den Auftrag des BMUB erfüllt.
Dazu kann ich nichts sagen.

Aber Sie werfen ihnen vor, unsauber gearbeitet zu haben.
Ich habe weit über 100 Stellen gefunden, die nicht ordentlich belegt sind. Wie kommt man zu Annahmen, wenn man die Unterlage nicht hat? Wie zu Behauptungen „nach unseren Erfahrungen“? Das kann man glauben oder nicht. Bei einem Sicherheitsnachweis ist aber der Glaube nicht Maßstab der Entscheidung.

Sie erwähnten eingangs, dass es schon beim Bau des AKW Diskussionen um die Notkühlsysteme gab. War damals auch schon klar, dass alle drei Notkühlstränge zumindest dem Bemessungserdbeben standhalten müssen?
Ich habe in meinem eigenen Gutachten gezeigt – und auch die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) hat das festgestellt –, dass es bereits Ende der 1970er-Jahre eine Regelwerksanforderung dazu gab, die festlegte, dass drei voll funktionstüchtige Notkühlstränge auch für den Erdbebenfall erforderlich sind.

Wenn man das ernst nähme, …
… dann hätte man die Genehmigung für diese beiden Reaktoren gar nie erteilten dürfen, ja.

Aber sie ist erteilt worden.
Ja. Das Genehmigungsverfahren lief in Bayern. Da muss man sich mit der bayerischen Atomaufsicht auseinandersetzen.

Die Bundesumweltministerin hat ein Weisungsrecht. Könnte sie beziehungsweise ihr*e Nachfolger*in eine vorläufige Stilllegung des AKW erzwingen, bis der dritte (nach offizieller Zählung der erste) Notkühlstrang erdbebenfest nachgerüstet ist?
Das vom BMUB in Auftrag gegebene Gutachten bewertet das ZUNA als vollwertige Redundanz im Notkühlsystem. Ich kann das aus den oben genannten Gründen nicht nachvollziehen. Das sicherheitstechnische Defizit des AKW Gundremmingen beheben würde jedenfalls nur eine sachgerechte Ertüchtigung des ersten Stranges des Notkühlsystems. Welche Konsequenzen das Bundesumweltministerium daraus zieht, das ist vor allem eine politische Frage.

Interview: Armin Simon

Dieser Text erschien im .ausgestrahlt-Magazin 37, Oktober 2017

 

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Doppel-Risiko

Das AKW Gundremmingen ist das gefährlichste in Deutschland. Block B muss laut Gesetz spätestens Ende des Jahres vom Netz. Hilf mit, auch den baugleichen und gleich alten Block C jetzt abzuschalten

Deutschlands gefährlichstes AKW steht an der Donau, je etwa 40 Kilometer von Ulm und Augsburg entfernt: das AKW Gundremmingen. Schon der erste Meiler hier, Block A, 1966 als damals weltgrößter Leistungsreaktor in Betrieb genommen, lief gerade einmal zehn Jahre, bevor bei einem Unfall radioaktives Wasser austrat und zum wirtschaftlichen Totalschaden der Anlage führte (siehe rechts); der Reaktor ging danach nie wieder ans Netz. Der Atom-Geschichte Gundremmingens tat das keinen Abbruch: Auf dem Gelände waren schon zwei weitere Meiler in Bau. Block B und Block C gingen 1984 mit wenigen Monaten Abstand in Betrieb, das AKW war damit erneut das größte deutschlandweit, und das bis heute. An keinem anderen Standort sind noch zwei Reaktoren in Betrieb.

Die letzten Siedewasserreaktoren

Die beiden Gundremminger Reaktoren sind auch die letzten vom Typ „Siedewasserreaktor“, die in Deutschland noch laufen. Bei diesem Reaktortyp – zu dem auch die havarierten Meiler in Fukushima zählten – führt der radioaktive Hauptkreislauf von den Brennelementen im Reaktorkern ohne Zwischenbarriere direkt zu den Turbinen. Eine bauartbedingte Schwachstelle, denn die Rohre mit dem unter großem Druck stehenden heißen und kontaminierten Dampf aus dem Reaktorkern verlassen dazu sowohl den Sicherheitsbehälter als auch das Reaktorgebäude (siehe Grafik Seite 24). Kommt es dort zu einem Leck, ist die Gefahr, dass der Reaktor „leerläuft“ und die Brennstäbe überhitzen, besonders groß. Zudem kann Radioaktivität leichter ins Freie gelangen.

Zwei rauchende Kühltürme des AKW Gundremmingen
Foto: Nuclear Power Plant
Block A (vorne) ist seit einem Unfall Anfang 1977 außer Betrieb. Block B (weißer Zylinder) verdeckt den baugleichen Block C - noch laufen beide, wie die Kühldampfschwaden zeigen

Zu den sicherheitstechnisch nachteiligen Eigenarten von Siedewasserreaktoren gehört zudem, dass die Steuerstäbe, die bei einem Notfall die Kettenreaktion sofort stoppen müssen, nicht in den Reaktorkern hineinfallen können, sondern von unten hineingepresst werden müssen – was deutlich leichter schiefgehen kann. Darüber hinaus liegen die mit hochradioaktivem Atommüll vollgepackten Brennelemente-Lagerbecken außerhalb des Sicherheitsbehälters, sind also nur durch die Hülle des Reaktorgebäudes selbst von der Außenwelt getrennt. Besondere Eile, die abgebrannten Brennelemente so bald wie möglich aus den Becken wieder zu entfernen und in Castor-Behälter zu packen, was aus Sicherheitsgründen sinnvoll wäre, legte der Betreiber RWE nicht an den Tag: Ende 2014 lagerten manche der Brennelemente in Gundremmingen schon 28 Jahre im Abklingbecken.

Ein Gutachten des ehemaligen Leiters der Bundesatomaufsicht, Wolfgang Renneberg, benennt weitere Sicherheitsmängel der Gundremminger Reaktoren. Demnach sind etwa die Reaktordruckbehälter falsch konstruiert, so dass bei einem Unfall mit Druckstoß die Bodenschweißnaht aufreißen könnte. Außerdem entspreche das Notkühlsystem der Reaktoren nicht den gesetzlichen Anforderungen. Der Betreiber hat dies mit einem Gegengutachten zu widerlegen versucht, die bayerische Atomaufsicht wiegelt ab. Dennoch zog RWE den jahrelang verfolgten Antrag auf Leistungserhöhung beider Reaktoren kurz nach Publikation des Renneberg-Gutachtens zurück.

Die Störfallsicherheit der Notkühlsysteme ist derweil weiter umstritten. Das Bundesumweltministerium hält Unterlagen zu dem Fall unter Verschluss. Konkret geht es um Papiere zu den Beratungen und zur Meinungsbildung der Reaktorsicherheitskommission aus den 1970er und 1980er Jahren, aus denen hervorgehen könnte, inwiefern die Sicherheitsdefizite bereits bei Bau und Inbetriebnahme des AKW Thema waren. Unterlagen aus der Reaktorsicherheitskommission, argumentierte das Ministerium gegenüber einer Abgeordneten, die Akteneinsicht verlangt hatte, dürften nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Andernfalls sei die Effektivität des Gremiums in Gefahr. Die Abgeordnete klagt auf Herausgabe, ein letztinstanzliches Urteil steht noch aus.

Nach den Anschlägen auf das World Trade Center 2001 untersuchte die Gesellschaft für Reaktorsicherheit, ob die AKW in Deutschland den Absturz eines großen Passagierflugzeugs überstehen würden. Die Gundremminger Reaktoren schnitten dabei schlechter als alle anderen heute noch laufenden Meiler ab. Nachweise, die anderes belegen würden, liegen einem „taz“-Bericht zufolge auch 15 Jahre später noch nicht vor.

Ein Super-GAU in Gundremmingen würde das Aus für die Region bedeuten. Selbst nach optimistischen Szenarien, die das Bundesamt für Strahlenschutz einmal durchgerechnet hat, müsste ganz Süddeutschland mit Evakuierungen und dauerhaften Umsiedlungen rechnen.

Block B und C sind baugleich und beide schon fast 33 Jahre in Betrieb. Es gibt keinen sachlichen Grund, warum laut Atomgesetz nur Block B 2017 vom Netz muss und Block C noch vier weitere Jahre laufen dürfen soll. Weder Block B noch Block C wird zudem für die Stromversorgung Süddeutschlands benötigt.

Keine Gesetzesänderung nötig

Angesichts der gravierenden Sicherheitsdefizite der Gundremminger Reaktoren könnte die Atomaufsicht ihnen sofort und ohne jede Gesetzesänderung die Betriebserlaubnis entziehen oder sie zumindest so lange vorläufig stilllegen, bis RWE etwa das Notkühlsystem den Anforderungen entsprechend nachgerüstet und ausstehende Nachweise erbracht hat. Was dafür derzeit fehlt, ist vor allem der politische Rückhalt. An diesem Punkt setzt die von .ausgestrahlt gemeinsam mit Bündnispartner*innen initiierte Aktion „Wer B sagt, muss auch C sagen“ an: Druck auf die Politik zu machen, das akute Sicherheitsrisiko in Gundremmingen endlich ernst zu nehmen – und dafür zu sorgen, dass 2017 nicht nur einer, sondern beide Reaktoren vom Netz gehen.

Armin Simon

 

Dieser Text erschien ursprünglich im .ausgestrahlt-Magazin 34, Frühjahr 2017

 

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